KARLSRUHE Proben am Staatstheater zu Zeiten von Corona – so sieht das also aus

Erotik in Gummihandschuhen: Frida Österberg (Carmen) und Thomas Volle (Don Jose, Zweibesetzung Nutthaporn Thammathi).
Erotik in Gummihandschuhen: Frida Österberg (Carmen) und Thomas Volle (Don Jose, Zweibesetzung Nutthaporn Thammathi).

Corona statt Corrida: Knistern sollte es vor Erotik zwischen der feurigen Zigeunerin Carmen und Don José. Doch auf der Bühne des Staatstheaters wird das Liebesspiel mit Kunststoffvisier und Gummihandschuhen auf Distanz gehalten. Proben zu Zeiten von Covid-19 – so sieht das also aus.

Es sind keine höfischen Sitten, die den in Liebe entbrannten Sergeanten Don José zur platonischen Zurückhaltung eines Minnesängers zwingen. Dahinter steckt als fieser Widersacher das uns allen hinlänglich bekannte Virus. Und der Theaterfan darf bei offenen Proben in Karlsruhe ab und an zuschauen, wie sich die Bühnenakteure mit den Auflagen mühen.

Regisseurin Anna Bergmann erarbeitet gerade eine Crossover-Version der Bizet-Oper „Carmen“. Eigentlich wollte die Schauspieldirektorin die kommende Spielzeit eröffnen mit Maria Lazars 1933 uraufgeführtem Schauspiel „Nebel von Dybern“. Doch Theater kann einem wohl in der Tat auch zu nahe gehen: Menschen, die unter den Abgasen einer Chemiefabrik keuchen und nach Luft ringen, Gasmasken auf der Bühne – wer hätte das in Zeiten von virengeschwängerten Aerosolen sehen wollen?

Nur vier Wochen für die Proben

Nebenbei inszeniert Bergmann auch noch „Die neuen Todsünden“ mit sieben kurzen Auftragsarbeiten. Die Zeit aber war also recht knapp für einen neuen Plan: Vier Wochen blieben für die Proben. Daher habe sie sich für „Carmen“ entschieden, die sie schon einmal 2017 im schwedischen Uppsala inszeniert hat, erzählt Bergmann im Gespräch nach der Probe. Viele der Darsteller sind erneut dabei, auch die Carmen ist dieselbe: Frida Österberg, ausgebildet als Opernsängerin und Schauspielerin, wird ab kommender Spielzeit ein fester Bestandteil des Karlsruher Ensembles sein. Zu sehen war sie bereits in dem Stück „Broken Circle“ als junge Frau, die am Verlust ihres Kindes zerbricht.

Projekt mischt Crossover Schauspiel und Oper

Die schwedische „Carmen“-Produktion wurde damals vom Sender „Sveriges Radio“ als „Bestes Opernerlebnis 2017“ ausgezeichnet. In Karlsruhe läuft das Crossover-Projekt in der Sparte Schauspiel. Das Ensemble ist gemischt.

„Es ist ja in der Oper nicht gerne gesehen, dass man in die Partitur eingreift“, sagt Bergmann. Sie aber liebe es, sich an „Tabus abzuarbeiten“. Die an Hits reiche „Carmen“ peppt sie also mit modernen Zutaten auf. Da klingt „Wannabe“ von den Spice Girls an, und Escamillo (Jannek Petri) würzt seinen Auftritt mit der verlebten Attitüde von Bluesbarden wie Tom Waits. Statt eines großen Orchesters spielt eine Band um Clemens Rynkowski.

Beim Singen sechs Meter Abstand

Angesetzt ist an diesem Abend eine Woche vor der ersten Hauptprobe eine BO: Hier liegt der Fokus auf dem Zusammenspiel von Bühne – also Darstellern und Sängern – mit dem Orchester. Es darf laut gesungen werden. Aber nur, wenn die ersten vier Zuschauerreihen frei bleiben. Sechs Meter Abstand sind gefragt – auch zwischen den Sängern. Da wird’s nichts mit dem gegenseitigen Umgarnen. Die Band trägt Mundschutz. Und weil das bei der Klarinettistin nicht geht, ist sie von Plexiglasscheiben umringt. Die Kommunikation ist entsprechend schwierig. „Könnte ich ein bisschen Klarinette auf dem Monitor haben? Durch die Verschalung höre ich sie gar nicht mehr“, ruft Rynkowski zum Mischpult.

Nichts wird auch aus dem Zweikampf der um ihre Herzensdame buhlenden Konkurrenten; dem Torero Escamillo und Don José. Aus der Not will Bergmann eine Tugend machen. Stierkampf sei ohnehin nicht ihre Sache. Escamillo hat bei ihr dem blutigen Spiel abgeschworen. Auch sonst findet sie bei „Carmen“ ihre großen Themen wieder: Eine Frau stirbt durch die Hand eines Mannes – „wie immer bei mir“. Aber derzeit hochaktuell: Häusliche Gewalt habe zu Corona-Zeiten ja stark zugenommen.

Wer einen solchen Einblick in die Genese einer Theaterinszenierung oder einer Ballettaufführung erhalten möchte, kann sich für eine Probe kostenlos anmelden. Noch mehrfach bietet das Badische Staatstheater Zuschauern dazu die Möglichkeit.

Termine

Weitere öffentliche Proben zu „Carmen“ gibt es am 30. Juni und 4. Juli jeweils um 19 Uhr. Premiere ist am 15. Oktober.
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