Kultur Südpfalz „Nichts Besseres hätte mir passieren können“
Am Anfang war es nur ein Therapie. Die junge Birgit Keil war ein kränkliches Kind. Um ihre Rachitis zu heilen, wurde die Sechsjährige von ihrer Mutter ins Kinderballett geschickt. Der Rest ist Geschichte – Tanzgeschichte. Am Karlsruher Theater wurde sie nun aufgearbeitet. „Ein Abend für Birgit Keil“ feierte den 70. Geburtstag der hochverdienten Ballettlegende mit einem würdigen Programm.
– so resümierte Keil immer wieder die glücklichen Stationen und Wege ihres so erfolg- und ereignisreichen Lebens: ihren Eintritt in die Ballettschule 1950, ihre Aufnahme ins Stuttgarter Ballett unter John Cranko 1961, ihre Begegnung mit ihrem Tanz- und Lebenspartner Vladimir Klos bis heute, ihre Gründung einer Tanzstiftung 1995, ihre Arbeit als Professorin und Leiterin der Mannheimer Akademie des Tanzes seit 1997 und die Übernahme der Ballettdirektion am Badischen Staatstheater (2003). Was Besseres hätte ihr wahrlich nicht passieren können. Und auch denen nicht, die sie unter ihre Fittiche nahm: ihren Stipendiaten, ihren Studierenden, ihrer Compagnie. Lang war die Liste der hochrangigen Gratulanten. Weggefährten und Schüler feierten die Jubilarin mit preisenden Reden und überdies mit Tanzstücken, die an Werke erinnerten, in denen Keil und Klos einst aufgetreten waren (wie „Aus Holbergs Zeit“). Tatsächlich gebe es Birgit Keil gleich dreimal, betonte der Stuttgarter Staatssekretär aus dem Kunstministerium, Jürgen Walter: die große Tänzerin, die als „erste deutsche Primaballerina von Weltruf“ ein Teil des „Stuttgarter Ballettwunders“ war, aber auch die bedeutende Pädagogin, die an der Mannheimer Akademie zahlreiche Talente herangezogen hat, die ihrerseits ihren Weg an große Bühnen gemacht haben, und schließlich die Karlsruher Direktorin, die „ihre“ Compagnie zu bislang ungekanntem Ruhm geführt hat. Walter hat eine weitere, segensreiche Tätigkeit Birgit Keils vergessen, die doch aber eine unverzichtbare Voraussetzung für ihr weiteres Wirken darstellt: ihre Arbeit für die von ihr gegründete, viel gepriesene Tanzstiftung, die sich mit Hingabe der Nachwuchsförderung widmet und junge Tänzerinnen und Tänzer aus aller Welt (besonders aus Brasilien und Japan) unterstützt. Erst das Zusammenwirken dieser vier Funktionen macht das wirksame „System Keil“ möglich, in dem ein Teil ins andere greift – zum Wohle der Tanzkunst und übrigens ganz im Sinne des großen John Cranko, der sich ebenfalls intensiv um junge Ballett-Talente kümmerte und dem Keil sich in ihrem Tun verpflichtet fühlt. Passend zum Jubiläum ist ein lesens- und sehenswertes Buch von Wiebke Hüster („Birgit Keil. Ballerina. Glück ist, wenn auch die Seele tanzt“. Henschel Verlag, Leipzig 2014. 29,95 Euro) erschienen. Der großformatige Bildband behandelt im Gestus tiefer Verehrung Leben und Wirken Keils nicht nur in ihrer Kindheit, sondern auch während ihrer Zeit als weltweit gefeierte Tänzerin und in der „Karriere nach der Karriere“ – einschließlich ihrer Liebe zu Rauhaardackeln. Einen besonderen Höhepunkt des Abends bildete per Video-Zuspiel die Grußadresse von Keils berühmter Stuttgarter Kollegin (und immer auch ein bisschen Rivalin) Marcia Haydée, deren kollegialer Glückwunsch höchst bemerkenswerte Zwischentöne und Leerstellen aufwies. Das festliche Programm wurde bereichert durch vorzügliche Ballett-Beiträge von Stuttgarter, Dresdner und Karlsruher Tänzern, aber auch durch Uraufführungen von Choreographen mit engem Bezug zur Jubilarin – etwa Demis Volpis neue und Birgit Keil gewidmete Deutung von Griegs „Aus Holbergs Zeit“ (mit Stuttgarter Solisten), Thiago Bordins Choreographie „Sibelius für B.“, die die Compagnie und ihre Solisten wirkungsvoll ins Licht setzte, und als umjubelter „Knaller“ die brasilianische Tanz-Festa „Presente“, in der der hauseigene Choreograph Reginaldo Oliveira mit dem virtuos agierenden Ensemble wieder einmal ein Feuerwerk entfesselter Tanzlust zündete. Der schön gelungene Abend begann mit Ovationen im Stehen für Birgit Keil. Und am Ende, nachdem alle Besucher gemeinsam „Happy Birthday“ angestimmt hatten, erhoben sie sich abermals zu anhaltendem, enthusiastischem Beifall: Nichts Besseres hätte ihnen passieren können.