Rheinpfalz Neben dem georteten Handy eine Bibel
MANNHEIM. Mutter und Bruder der am 3. Oktober in Mannheim ermordeten litauischen Studentin saßen gestern im Mannheimer Landgericht erstmals dem Mann gegenüber, der ihre Tochter und Schwester getötet haben soll.
Vor dem Schwurgericht des Landgerichts ist der 41-Jährige unter anderem wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt. Er soll auch für Überfälle auf eine Frau in Speyer und zwei Mädchen in Grünstadt verantwortlich sein. Das Landeskriminalamt (LKA) Rheinland-Pfalz hat der Mannheimer Polizei den entscheidenden Hinweis zur Festnahme des 41-jährigen Bulgaren gegeben, wie gestern ein weiterer Zeuge aussagte. Zögernd, als habe sie Angst vor der Begegnung, betrat die Mutter der Studentin den Saal. Dann schaute sie den Angeklagten an, fixierte ihn geradezu mit ihrem Blick. Der schien sich unbehaglich zu fühlen, schaute einmal kurz in die Richtung der Frau und ihres Sohnes, die nur etwa drei Meter von ihm entfernt saßen. Dann ging sein Blick wieder auf den Boden. Er hörte der Dolmetscherin zu und wirkte uninteressiert. So blieb es den ganzen Tag. Immer wieder schaute die Mutter der Toten lange und intensiv den Mann an, und auch der Blick ihres Sohnes ging oft in Richtung des Angeklagten. Doch der beachtete die beiden nicht. Mehrfach schloss die Frau die Augen, verbarg ihr Gesicht hinter den Händen oder blickte mit gequältem Gesicht hoch, als eine 41-jährige Zeugin und ein Polizist, die die Tote in der Nähe der Kurt-Schumacher-Brücke gesehen hatten, schilderten, wie die Leiche gelegen hat, dass die Hose bis zu den Knien heruntergezogen war. Zwischen Mutter und Sohn saß eine Dolmetscherin. In einer Verhandlungspause suchte die Mutter die Hand ihres Sohnes. Sie schien sich festhalten zu wollen. „Kollegen des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz haben das Handy der Studentin geortet“, berichtete der Leiter der Fahndungsabteilung der Mannheimer Polizei, wie es dazu kam, dass der 41-Jährige am 19. Oktober in Grünstadt festgenommen wurde. Das rheinland-pfälzische LKA ortete die Wohnung, in der das nach dem Mord verschwundene Handy benutzt wurde. In einer Kommode neben dem Bett des Angeklagten wurde es gefunden, so Polizisten. Ein Bibellehrer der Zeugen Jehovas berichtete, dass der Angeklagte einige Tage nach der Tat Verwandte in Mannheim besucht und ein auffälliges Handy dabeigehabt habe. Das hätten ihm die Verwandten erzählt, von denen einige den Zeugen Jehovas angehören, sagte der Bibellehrer. Von den Verwandten sei ihm auch erzählt worden, dass der Angeklagte einen Tag vor dem Mord auf einer Familienfeier stark betrunken gewesen sei. Neben dem Handy war auch eine Bibel der Zeugen Jehovas in der Kommode in Grünstadt gefunden worden. „Daran haben wir überhaupt nicht gedacht“, gab ein Kripobeamter auf Fragen der Rechtsanwälte zu, dass der Angeklagte bei seiner Festnahme nicht über seine Rechte, so darüber, dass er nichts sagen müsse, belehrt worden sei. Der Prozess wird heute um 9 Uhr im großen Saal des Mannheimer Landgerichts fortgesetzt. (ann)