Kultur Südpfalz „Musik ist meine persönliche Art von Gottesdienst“
Ein Höhepunkt für Jazzfreunde: Morgen spielt der große amerikanische Tenorsaxophonist Charles Lloyd mit seinem New Quartet bei Palatia Jazz in der Festungsanlage Fronte Beckers in Germersheim. Gerald Clayton (Piano), Joe Sanders (Kontrabass) und Justin Brown (Schlagzeug) begleiten den Meister. Zuvor, ab 19 Uhr, spielt das Christoph Stiefel Inner Language Trio mit der Sängerin Lisette Spinnler. Unser Mitarbeiter Rainer Köhl befragte den 1938 geborenen Lloyd zu seiner musikalischen Philosophie.
Nein, ich bin loyal, wir bleiben so lange es geht zusammen. Pianisten beeindruckten mich immer schon: der erste war Phineas Newborn, der in meiner Heimatstadt Memphis lebte. Oder Bud Powell. Ich hörte immer ihre Platten. Oder die von Alicia de Larocha und Glenn Gould. Es ist mir gleich, ob das Klassik- oder Jazz-Pianisten sind. Wenn Glenn Gould Bach spielt, so ist das wie eine Kathedrale. Aber noch mehr sind die Wälder meiner Heimat, die hohen Rotholz-Bäume, die Natur an sich wie eine Kathedrale für mich. Meine Vorfahren waren amerikanische Ureinwohner und ich habe deren Musik in mir und genauso deren Spiritualität. Ich lebte viele Jahre in New York, aber ich bin allergisch gegen den Lärm der vielen Autos geworden. Ich liebe es zu wandern, im See zu schwimmen. Ich passe nicht in die urbane Welt. Wenn mich die Veranstalter einladen, dann komme ich gerne. Die Musik ist meine persönliche Art von Gottesdienst. Ihr Spiel, Ihre Musik ist immer voller Spiritualität, Ruhe und Abgeklärtheit. Woher kommt das? Ich bin ein Sucher, immer auf der Suche etwas besser zu machen. Es kommt von meiner Urgroßmutter, sie war eine Heilerin. Und von meiner ganzen Familie, die mich immer schon inspirierte. Vor unserem Leben gab es schon viele weitere Leben, das geht immer weiter – ein ewiger Kreislauf. Ich bin wie ein Kind, das sich nach dem Zuhause sehnt. Diese Ruhe ist ein Ausdruck dieses Zuhause. Ein Ausdruck eines Universums, in das wir eintreten, ohne andere zu verletzen. Unsere Welt wird immer mehr vergiftet von allem Möglichen. Und die Menschen sehen die Zeichen nicht. Was ich versuche, ist es, die Menschen aufzuwecken, bevor es zu spät ist. Man hat nicht die Möglichkeit zur Perfektion, aber man hat die Chance an sich selber zu arbeiten und einen besseren Charakter zu bekommen. Liebe ist stärker als Hass, das ist unser großes Glück. Ich habe die Möglichkeit, Musik zu machen und das Unaussprechliche zur Sprache zu bringen. Und ich kann um diese Chance beten. Man braucht immer auch eine gewisse Demut. Der Schlagzeuger Billy Higgins hatte sie und von ihm hab ich viel gelernt. Ich versuche zur Essenz der Kunst zu kommen, zur Einfachheit. Ich bin kein Politiker und kein Prediger geworden, um die Welt zu ändern, aber ich habe gemerkt, dass Musik und Klang die Moleküle in einem Menschen beeinflussen können. Ich habe immer schon nach Lösungen gesucht, damit unterschiedliche Religionen und Nationen friedlich zusammenleben. In Ihren Anfängen haben Sie mit so vielen Großen gespielt, mit Don Cherry, Eric Dolphy, Ornette Coleman. Alle drei waren große Visionäre des Klangs... Ja, alle diese Musiker hatten diesen Geist. Auch Scott La Faro, den ich von Jugend auf kannte. Oder der Trompeter Booker Little, der ein großer Lehrer von mir war. John Coltrane in seiner Einfachheit und großen Demut. Oder Ornette Coleman: er glaubt an seinen Kosmos und er hat immer die Musiker um sich, die auch daran glauben. Das ist es auch, was ich für mich immer anstrebe. Musiker zu finden, die an meine Ideale glauben, die ich anstrebe. Ich bin ein Klang-Sucher. In den 70er-Jahren zogen Sie sich lange Jahre zurück vom Musikbetrieb. Was war geschehen? Ich musste meine Batterien wieder aufladen. Ich war ein wilder Mann bis dahin. Ich war zu dieser Zeit viel mit Miles Davis, mit den Musiker der Rockband The Grateful Dead oder Jimi Hendrix zusammen. Ich war eine Kerze, die an beiden Enden brannte und wir hatten da einige Exzesse. Ich war nicht immun und bekam Gewohnheiten, die ich nicht mochte. Ich hatte immer Ideale, aber es gab auch die Drogen. Und das Musikbusiness machte viel Druck. Die Plattenfirmen hatten keinen Respekt vor den Künstlern und nur das Produkt war für sie wichtig. Ich musste mich reinigen und in Einsamkeit leben. Ich wuchs nicht mit Fernsehen auf, aber mit Klang. Im Grunde aber spielte ich jeden Abend, ohne Unterbrechung, seit ich 10 Jahre war. In den 80er-Jahren kamen Sie wieder zurück – hat da nicht auch Michel Petrucciani mitgeholfen? Ja, er hat mich auch motiviert, und wir spielten viel zusammen; in Montreux und überall. 1989 kam ich dann zum ECM-Label und hier habe ich eine neue echte Heimat für meine Musik gefunden, die hier blühen konnte. Diese Leute haben Respekt vor den Musikern und das motiviert ungemein.