Rheinpfalz Mit flinken Händen

Factory Affair im Innenhof der Kuseler Tuchfabriken: „Das ist keine Standardlocation und kein Standardpublikum“, sagt DJ Tom Tash vor seinem Auftritt. Drei Stunden lang übernahm der renommierte Leipziger Plattenschubser am Samstagabend die Party. Die ersten Übergänge fielen ihm nicht leicht: Mit zwei Plattenspielern arbeitet der 33-Jährige nur noch selten.

Ein Achselshirt ohne Aufdruck, knielange Jeans, auf dem Kopf eine Superman-Kappe. Viel Aufhebens macht der Mann mit dem kurz geschnittenen Bart und den dezenten Tätowierungen nicht um sein Outfit. Muss er auch nicht: Hinter dem Pult mit den Plattenspielern ist von Tom , der eigentlich Rene heißt, nicht viel zu sehen. Zum dritten Mal legt der gebürtige Cottbuser für Speed of Sound auf, die Agentur von Thorsten Barz aus Altenglan, die die Factory Affair veranstaltet. Eigentlich ist Tom Tash Club-DJ. „So was wie hier ist leider selten“, sagt er. „Keine Standardlocation, kein Standardpublikum.“ House, Dance, Charts, R&B, Hiphop: Wenn er muss, kann er alle 20 Minuten den Stil wechseln. „Das Publikum auf solchen Festen ist ja ein durchlaufendes, da muss man schon gucken, was gerade ankommt.“ Tash schöpft aus viel Erfahrung: Er hat mit 15 angefangen und ist seit 2008 Profi. Noch freilich ist nicht viel Publikum da, um dessen Geschmack Tash sich kümmern müsste. DJ Morris, ein 20 Jahre alter Kuseler, der eigentlich Maurice heißt, legt ab 18 Uhr quasi für die Nachbarschaft auf. Die sei per Brief eingeladen worden, bei freiem Eintritt mitzufeiern, sagt Thorsten Barz. Eine Fahrschule baut einen Werbestand vorm Eingang auf, ein 15-Jähriger hat sich schon mal ein Foto mit seinem Idol Tash gesichert. „Der ist bekannt“, sagt er. Viele Teenager indes halten noch ein Sit-in auf dem Messeplatz. Ein paar haben kein U-18-Formular dabei, ein paar keine Lust auf den Jugendschutzgesetz-konformen Alkoholausschank im Innenraum. Derweil übergibt Morris das Pult an Tash. Keine große Ansage, nur ein Wechsel der Person. Remixe von Hit the Road Jack und Berlin City Girl markieren musikalisch den Übergang. Erst einmal hat Tash noch ein paar Fragen zur Technik. Meistens, sagt er, arbeitet er mit Laptop und CD-Player. In Kusel stehen zwei Plattenspieler. „Wenn man wieder drin ist, ist es okay. Aber die ersten zwei Übergänge werden wohl in die Hose gehen.“ „Man muss etwas probieren“, ergänzt DJ Morris. Der meint allerdings weniger die Übergänge, als vielmehr die Kuseler Kulturszene. Deren Kennzeichen seien viele geeignete Orte, aber wenig Veranstaltungen, die den Geschmack der wirklich jungen Nachtschwärmer treffen würden. „Umso toller ist es, dass sich so viele Sponsoren finden, wenn man doch mal was machen will“, meint er. DJ, Beatmatching, Loops, Playtime, Set – die Sprache der Szene ist englisch. Was am Samstag auf der Bühne steht, heißt Digital Vinyl System: zwei Plattenspieler, ein Mischpult, zwei Notebooks mit Spezialsoftware, dazu ein paar Schnittstellen, viel Kabel und eine Monitorbox direkt neben dem Pult. Die Zeiten, in denen die Hexer an den Plattentellern mit ihrer Kreativität Berge von Vinyl-Platten zerkratzten, sind lange vorbei. Heute bringt jeder DJ seine Mixe per MP3-Datei in der Hosentasche mit. Das Problem ist, dass eine MP3 Effekttechniken wie Scratchen oder Pitchen nicht zugänglich ist. Außerdem bieten Maus oder Joystick keinen angemessenen Arbeitsplatz für zwei feinfühlige Hände, die in ständiger Bewegung Platten anhalten und beschleunigen, Tonhöhen und Geschwindigkeiten verändern, filtern und blenden. So feierten die Plattenteller bei den Kreativen landauf landab ihre Auferstehung. Auf die dicken Platten von heute wird freilich keine Musik mehr gepresst. Sie enthalten nur noch Timecodes, Steuersignale. In Verbindung mit schnellen Rechnern und guter Software erlauben die es dem DJ, die digitalen Titel so zu behandeln wie die analoge Musik vergangener Tage. Platten schubsen, Regler schieben, Knöpfe drehen, Tasten drücken: Tom Tash erinnert an einen Koch, der mit flinken Händen schnell noch die letzte Deko übers Dessert streut. Das Repertoire ist groß, oft sind bekannte, etwas ältere Lieder im tanzbaren Vier-Viertel-Takt zu einem neuen Werk gemischt. „Die Hits wegspielen“ will Tash den Stars des Abends überlassen: Die Radio-Größen Boulevard Bou und Julia kommen nach ihm. Sie werden vor einem besser gefüllten Innenhof auflegen. Als es dunkel wird und die Lichtshow langsam Club-Atmosphäre unter freiem Himmel zaubert, bildet sich die erste Schlange an der Sicherheitsschleuse. „Ach ja, es geht immer später los mit den Partys“, sagt Veranstalter Barz seufzend.

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