Rheinpfalz Mathias Kray sucht verlorene Gegenstände

91-95083947.jpg

Matthias Kray ist so etwas wie die personifizierte letzte Hoffnung für Menschen, die ein Kleinod aus Metall verloren haben. Eheringen, Schmuck und Erbstücken spürt der Hamburger nach, aber auch Handys, Schlüsseln und Hörgeräten. In Gärten, am Strand und selbst im Wasser wird er fündig. Manchmal entdeckt er sogar Dinge, die noch niemand vermisst. Von Martin Schmitt

Der Mannheimer ist untröstlich: Sommer und Sonne haben ihn zum Badesee gelockt. Doch der Planscherei folgt die betrübliche Feststellung: Der goldene Ehering ist weg. Einfach so. Womöglich im Wasser vom Finger geglitten, vermutet Matthias Kray, als ihn der verzweifelte Notruf erreicht. Für den Hamburger ist der Weg zu weit, also bittet er „Wackes80“ um Hilfe, einen Kollegen aus der Südpfalz, der auch für die Unterwassersuche ausgerüstet ist. Am nächsten Tag um 8 Uhr legt er los, 15 Minuten später steckt das gute Stück wieder an der Hand des rechtmäßigen Trägers – zur Freude auch der Ehefrau, natürlich. „Es sind meist die Männer, die solche Dinge verlieren“, sagt Kray mit der Erfahrung von fast 15 Jahren im Suchen und Finden: „Aber es sind die Frauen, die hinterher Druck machen.“ Die mitunter den unglückseligen Tropf von Tisch und Bett verbannen, bis das symbolbeladene Kleinod wieder da ist. Klar, dass Kray für manchen wie die letzte Hoffnung erscheint. Matthias Kray, 52, Sondengänger, Ringfinder, Glücksbringer. In etwa die Dreieinigkeit aus Koordinator, Sprachrohr und Aushängeschild des Netzwerks „Aktivsucher“, einer bundesweiten Gemeinschaft von Menschen, deren Hobby es ist, mit Metalldetektoren nach Gegenständen zu fahnden – und damit auch etwas Gutes zu tun. „Wir wollen unseren Spaß haben und dabei Menschen glücklich machen“, sagt Kray. Und ja, Imagepflege wolle man ebenfalls betreiben, denn das Bild, das Öffentlichkeit und auch Behörden von Sondengängern haben, ist durchaus verbesserungswürdig. Spätestens seit Anfang 2013 ein Speyerer bei Rülzheim einen „Barbarenschatz“ aus dem Boden wühlte und wegen Unterschlagung verurteilt wurde, sind Denkmalschützer und Archäologen noch argwöhnischer geworden. Wer mit einem Metalldetektor durch die kulturträchtige Landschaft pirscht, steht bei ihnen unter Verdacht, ein Raubgräber zu sein. Auch bei Ulrich Himmelmann, Archäologe und Leiter der Speyerer Außenstelle der Generaldirektion Kulturelles Erbe. Für ihn ist die Geschichte von der Auftragssuche und dem harmlosen Hobby lediglich eine „Schutzbehauptung“. Zwar gebe es auch Schatzsucher, die für und im Auftrag des Denkmalschutzes unterwegs seien. Aber eben auch eine ganze Menge, die weniger hehre Ziele verfolgen. Raubgräber gebe es, aber das seien die wenigsten, widerspricht Kray, der es gewohnt ist, dass die Denkmalpflege genau hinschaut. „Ohne Genehmigung geht da nichts. Da darf ich nicht mal bei einer Oma in ihrem Garten nach ihrer Brosche suchen.“ Für ihn sind es „besonders die Militaria-Sammler, durch die die gesamte Szene in Verruf geraten ist“. Wie wohltuend hingegen, einen Gegenstand zu überreichen, der schmerzlich vermisst wurde. „In dem Moment bist du der Held“, schwärmt er. In diesem Augenblick in die Gesichter der Auftraggeber zu sehen, sei für ihn das Größte: „Ein Gefühl wie ein Sechser im Lotto.“ Zu 70 Prozent sind es Ringe, die Kray und seine Mitstreiter beschäftigen. Bei der Schneeballschlacht vom klammen Finger geflutscht. Mit dem Tischtuch ausgeschüttelt. Beim Stöckchenwerfen weggeschleudert. Bei Gartenarbeiten verbuddelt. Im Streit fortgeworfen. Und stets wieder: beim Baden verloren. Dazu Handys, Schlüssel, Schmuck. Oft Dinge, deren ideeller Wert höher ist als der Sachwert. Da geht es um Erinnerungen, Liebesbeweise, Erbstücke. Oder um Daten, „das spielt bei den Handys die größte Rolle“, sagt Kray. Und manchmal – seltener – geht es um richtig Wertvolles, wenn ein Altvorderer aus Furcht vor Dieben oder schlechten Tagen beispielsweise eine Münzsammlung auf seinem Grund verscharrte – ohne die Stelle festzuhalten. Sogar auf ein Auto, einen vergrabenen R4, ist Kray bei einer Begehung gestoßen. Und auf einen Silberring unter einem Apfelbaum, „den hatte noch gar keiner vermisst“. „Meine Erfolgsquote liegt bei 95 Prozent“, sagt er. Um die zu erfüllen, muss er allerdings wissen, wo in etwa er suchen muss und aus welchem Metall dieses Etwas besteht. Ohne Abgrenzung – „keine Chance“. Im besten Fall kann der Auftraggeber den verlustbringenden Ablauf nachstellen. Zum Beispiel, wo auf der Koppel die Reiterin nach der Pferdebremse schlug, wobei der Ring von dannen flog. Dann wird die Fläche systematisch mit dem Detektor abgegrast. Schwieriger ist es in einem Gewässer, weil dafür nicht jeder die Ausrüstung hat. Krays technische Grenze liegt bei 1,6 Metern Wassertiefe. Einige Aktivsucher tauchen. Doch bei zu viel Schlamm am Seegrund seien auch die machtlos. Den einen oder anderen Ringverlierer mussten Kray und Kollegen also schon enttäuschen. Riskante Situationen sind nicht ausgeschlossen, etwa wenn die Sonde Weltkriegsmunition anzeigt. Im Zweifelsfall muss der Kampfmittelräumdienst anrücken. Gefährlicher findet Kray aber Aufträge an der Ostsee, wegen des tückischen Wellengangs. Er versuche, auf Hilferufe so schnell wie möglich zu reagieren, sagt Kray: „Das ist wichtig, wenn an der Stelle viel Betrieb ist.“ Außerdem dulden Emotionen selten Aufschub. Auch nachts oder an Heiligabend sei er schon suchen gewesen. Sein Aktionsradius beträgt 80 Kilometer, kommt eine Anfrage aus größerer Entfernung, vermittelt er einen anderen Aktivsucher. In der Regel wird eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 75 Euro fällig, wenn die Fahndung an Land erfolgt: „Im Wasser ist der Aufwand größer, das kostet dann 100 Euro.“ Reich wird man davon nicht, umso ärgerlicher findet es Kray, wenn ein Auftraggeber sich um den Finderlohn drückt. „Diejenigen, die es am wenigsten nötig hätten, versuchen am ehesten, uns reinzulegen“, ist seine Erfahrung. Und wo findet man am sichersten bare Münze? „Wo viele Leute sind, da wird auch viel verloren, also in Parks, am Strand, auf dem Spielplatz, auf der Liegewiese“, zählt Kray auf. Aber auch hier gilt: Reich wird man davon nicht, es gehe mehr um die Spannung: „Ich weiß ja nicht, was ich finden werde.“ Kann sein, dass dem Profi die Natur Konkurrenz macht. In Bad Münstereifel hatte im Frühjahr 2013 ein 79-Jähriger Karotten gesät und dabei seinen Ehering verloren. Vergangenes Jahr tauchte dieser wieder auf, eingewachsen in eine saftige Möhre. Manchmal hilft einfach Geduld.

91-95116481.jpg
91-95083946.jpg
91-95083948.jpg
91-95085450.jpg
x