Rheinpfalz Markantes Gesicht

Rheinland-Pfalz feiert 2017 einen runden Geburtstag. 70 Jahre sind vergangen, seitdem die Bürger sich am 18. Mai 1947 in einer Volksabstimmung für eine Verfassung des neuen Bundeslandes entschieden und den ersten Landtag wählten. Rheinland-Pfalz, lange Zeit als Land aus der Retorte bezeichnet, scheint mittlerweile zusammengewachsen zu sein; seine Regionen haben sich aber ihren eigenständigen Charakter bewahrt. Diese RHEINPFALZ-Serie porträtiert die verschiedenen Landesteile. Zum Auftakt: ein Besuch an der Mosel.

Die Mosel – das ist ein wunderbares Flusstal mit wunderbarem Wein – das sagen die meisten, wenn sie die Landschaft zwischen Trier und Koblenz beschreiben sollen. Sie haben recht. Und sie hätten schon vor 2000 Jahren recht gehabt. Keine Region von Rheinland-Pfalz ist so leicht zu charakterisieren wie die Mosel. Und keine hat über so lange Zeit hinweg das gleiche Gesicht gezeigt, bis zum heutigen Tag. Ein tief eingeschnittenes Flusstal mit steilen, sonnenbeschienenen Hängen und Schieferböden, wie geschaffen für die tiefwurzelnden Rieslingreben. Was für eine Herausforderung für Weinkenner aus dem Süden. Als die Römer die Mosel erreichten, legten sie sofort Weinberge an und prägten damit eine Kulturlandschaft für die nächsten 2000 Jahre. Sie transportierten den Wein über den Fluss, versorgten damit ihre Truppen und die Bürger in den neu gegründeten Städten, in Trier und in Koblenz. Noch heute kann man in Piesport, Erden oder Brauneberg die ausgegrabenen römischen Kelteranlagen sehen. Die Weinwirtschaft war die Grundlage für einen ersten bescheidenen Wohlstand an der Mosel, in den Städten konnte es sogar ein üppiger Wohlstand sein, betrachtet man das römische Trier mit seinen spektakulären Bauwerken. Langsam wuchsen zwischen Trier und Koblenz auch Dörfer und kleinere Städte heran, deren Namen sich heute wie eine Weinkarte lesen: Bernkastel-Kues, Traben-Trarbach, Thörnich, Beilstein oder Cochem. Langsam geschah das, Hast und Hektik ist nichts für Moselaner. Im Mittelalter übernahmen Kirche und Klöster die Verwaltung der Weinberge und manche betreiben sie auch heute noch. Die bischöflichen Weingüter in Trier sind berühmt für ihren ausgezeichneten Sekt. Schon sehr früh zog die liebliche Gegend auch Fremde an, und im 19. Jahrhundert kamen die ersten Touristen – aus England vor allem. Darunter war auch der Maler William Turner, mit seinen lichtdurchfluteten Gemälden. Er hat fast alle prominenten Moselorte porträtiert. Auch Goethe ließ sich sehen und äußerte sich lobend über die Schönheit der Landschaft, obwohl er bei einer Bootstour bei Traben-Trarbach fast ertrunken wäre. Den Höhepunkt erreichte die Mosel als Weinbau-und Touristikzentrum vor gut 100 Jahren im Kaiserreich. Damals entstanden die prachtvollen Jugendstilbauten in den Kurorten Bad Bertrich und Traben-Trarbach. Es war die Blütezeit des Mosel-Rieslings, der zu den besten und teuersten Weinen der Welt zählte. Internationale Gäste gaben sich seinerzeit die Klinke in die Hand und trugen dazu bei, dass sich der typische Charakter der Moselaner ausprägte: weltoffen und individuell, bis hin zum Eigensinn. Letzterer spiegelt sich wieder in dem gern zitierten, selbstironischen Satz: „Willst du zwei Moselwinzer unter einen Hut bringen, musst du einen totschlagen.“ Es lief nicht immer so gut wie in den Glanzzeiten. Weil die Lage an der Mosel immer abhängig vom Weinbau war, gab es auch schlimme Jahre mit Hagel, Hochwasser und Missernten, die vor allem die kleinen Winzer trafen. Kamen dazu noch widrige politische Umstände, die den Weinverkauf behinderten, konnten sich auch Hunger und Not breitmachen. Der berühmteste Sohn der Mosel, der Trierer Karl Marx, schrieb seinen ersten politischen Aufsatz über das damalige Elend der Moselwinzer. Auch später gab es immer wieder einmal Krisen, die letzte vor 30 Jahren, als an der Mosel Weinbauskandale aufgedeckt wurden. Winzer hatten im Keller gepanscht, unerlaubt Flüssigzucker zugesetzt und aus dem edlen Riesling mittelmäßige Massenprodukte fabriziert. Der Ruf des Moselweins war ruiniert, es dauerte lange, bis er sich erholte. Viele Betriebe überstanden die schwere Zeit nicht und gaben auf. Heute steht das Weinbaugebiet Mosel wieder gut da, vor allem dank der Jungwinzer, die auf Qualität setzen und dafür auch entsprechende Preise verlangen. Was in mühsamer Handarbeit in den Steillagen produziert wird, kann nicht für 2,50 Euro pro Flasche im Supermarktregal landen, lautet die Devise. Die rund 5000 Weinbaubetriebe an der Mosel haben mit dieser Strategie Erfolg, ob sie nun auf zwei Hektar produzieren oder zu den Spitzenwinzern gehören, die mit Millionen hantieren und nach Japan exportieren oder in die USA. Mit klingenden Lagebezeichnungen wie Piesporter Goldtröpfchen, Zeltinger Himmelreich, oder Erdener Treppchen. Die Königslage heißt übrigens Bernkasteler Doctor, der teuerste Weinberg Deutschlands. So wie der Weinbauskandal in den 1980er-Jahren die Winzer zum Umdenken zwang, so wurde vor vier Jahren auch der Tourismus an der Mosel aufgeschreckt: durch einen Zeitungsartikel in der Frankfurter Allgemeinen. Der Autor pries zwar die wunderschöne Landschaft, sah aber auch großen Nachholbedarf bei der Infrastruktur. Das Angebot sei altbacken und spießig, Städte wie Cochem zu einer Art Ballermann mit Schnitzel und Schlagermusik geworden. Man nahm es sich zu Herzen. Die Mosellandtouristik in Bernkastel-Kues arbeitet an einer Verbesserung des Erscheinungsbilds. Mit ersten Erfolgen. Die Gastronomen bringen neues Flair in ihre Häuser und bieten mehr moseltypische Gerichte an. Die Radwege entlang der Mosel gehören zu den attraktivsten in Deutschland. Der Moselsteig wurde im vergangenen Jahr zum schönsten deutschen Wanderweg gewählt. Und das beliebteste Urlaubsziel in Rheinland-Pfalz ist die Mosel sowieso und immer. Die Gästezahlen steigen ständig. Im vergangenen Jahr auf 2,5 Millionen. Warum das so ist? Warum die Mosel trotz mancher Rückschläge immer attraktiv war und attraktiv bleibt? Die Antwort hätte auch ein Römer vor 2000 Jahren geben können: Hier gibt es ein wunderbares Flusstal und einen wunderbaren Wein. Nächste Folge 10. April: Der Mittelrhein

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x