Rheinpfalz Manchmal hakt der Klettverschluss

St. Julian. Fest am Klettverschluss ziehen und dann den Fallschirm nach hinten wegwerfen. Klingt einfach, ist es aber nicht. Aus diesem Grund wurde das richtige Abwerfen des Notfallschirms am Sonntagmorgen in der Turnhalle der Grundschule St. Julian fleißig geübt, um beim echten Flug auf die Extremsituation gewappnet zu sein. Denn, und da sind sich alle Springer des Drachenflugclubs (DFC) Saar einig, der Fallschirm rettet im Notfall das Leben.

„Wir hoffen, dass wir ihn nie brauchen werden“, sagt Christoph Hübner aus St. Julian, seit sechs Jahren Drachenflieger. Dennoch seien viele Szenarien denkbar, in denen der Notfallschirm zum Einsatz kommen könnte oder gar muss: Nach Kollision in der Luft, wenn ein Flügelrohr bricht oder wenn der Pilot nach einem Flugmanöver die Kontrolle über den Drachen verloren hat, sprich wenn dieser auf dem Kopf steht. Unterdessen wird Heinrich Simmert aus Bexbach in seinem Gurtzeug, das sehr einem großen Schlafsack ähnelt, rund einen Meter über dem Boden aufgehängt. Clubkollege Philipp Gruber schubst ihn an und lässt ihn wenig später ins Trudeln geraten. „Das soll einen Ernstfall simulieren“, sagt Christoph Hübner. Sekunden später greift der Bexbacher zu einer Schlaufe auf Hüfthöhe, zieht fest den sogenannten Container mit dem Fallschirm aus der Bauchtasche und wirft ihn nach hinten. Der Container fällt zu Boden, doch der Schirm öffnet sich nicht. „Etwas mehr Schwung und gleich noch mal“, ermuntert Fluglehrer Helmut Bonertz. Clubkollege Philipp Gruber ergänzt: „Deswegen üben wir, damit es im Ernstfall klappt.“ Aber auch andere Teilnehmer des Sicherheitstrainings haben Schwierigkeiten. Meist öffnet sich der Klettverschluss der Rettungstasche nicht. Fluglehrer Bonertz weiß, wo das Problem liegt. Wird dieser nur selten geöffnet, verhakt er sich. „Man sollte nach jedem fünften Sprung den Klettverschluss einmal öffnen“, berichtet er. Im Idealfall, ergänzt er, machen die Drachenflieger im Notfall zwei Bewegungen: Zunächst wird der Container mit dem Fallschirm herausgezogen und dann mit Schwung weggeworfen. „Wohin der Schirm geworfen wird, ist eigentlich egal.“ Wie eine Papierkugel, die man bei 100 Stundenkilometern nach vorne aus dem Autofenster wirft, würde auch der Fallschirm nach hinten fliegen, erläutert Bonertz weiter. Während der St. Julianer Philipp Gruber in sein Gurtgeschirr schlüpft, erläutert der Fluglehrer, dass die Fallschirme aus einer speziellen Seide bestehen. „Die ist sehr leicht, aber strapazierfähig. Der Schirm wiegt rund 2,5 Kilogramm.“ Die Größe hänge vom Körpergewicht des Fliegers ab. „Die Standardschirme sind rund 36 Quadratmeter groß“, weiß Bonertz. Mittlerweile hängt Gruber rund einen Meter über dem Hallenboden und wird von einem Clubkollegen ebenfalls angeschubst und ins Trudeln gebracht. In einer fließenden Bewegung reißt er den Klettverschluss auf und wirft die Rettungstasche samt Schirm mit Schwung nach hinten, so dass dieser sich öffnet. Im Ernstfall würde Gruber mit rund vier Metern pro Sekunde zu Boden fliegen. Nach rund zwei Stunden liegen die Rettungsschirme der 15 Teilnehmer kreuz und quer in der Halle herum. „Die müssen nun wieder verpackt werden“, sagt Christoph Hübner, der wie Gruber zu den Selbstpackern gehört. „Das heißt, wir haben einen Packerlehrgang besucht.“ Dabei wird den Drachenfliegern vermittelt, wie die Leinen sortiert werden und der Schirm gefaltet werden muss. „Wir brauchen zu zweit rund 45 Minuten pro Schirm.“ Die übrigen Schirme werden am anderen Ende der Halle von Fluglehrer Bonertz gefaltet. Nachdem er die Leinen feinsäuberlich nebeneinandergelegt hat, wird der Schirm gefaltet. Dann werden die Leinen mit kleinen Gummis verschnürt – „die fliegen beim Öffnen des Schirms weg“, so Bonertz –, der Fallschirm in der Rettungstasche verpackt und im sogenannten Packbuch notiert, wann der Fallschirm zuletzt gefaltet wurde. „Das soll zweimal im Jahr passieren“, ergänzt Bonertz, der weiß, dass im Notfall von diesem Stück Seide das Leben eines Drachenfliegers abhängt.

x