Kultur Südpfalz Kunst von der Straße

Der berühmt-berüchtigte röhrende Hirsch modern paraphrasiert mit Graffiti-Elementen auf einem Bild von Linda Flottow.
Der berühmt-berüchtigte röhrende Hirsch modern paraphrasiert mit Graffiti-Elementen auf einem Bild von Linda Flottow.

Der Kunstverein Wörth holt mit seiner neuen Ausstellung „wilde“ Kunst von der Straße in gepflegte Galerieräume. Unter dem Titel „Urban-Art“ werden in der städtischen Galerie im Alten Rathaus Werke von zwölf Malern und Objektkünstlern gezeigt.

Die Wurzeln dieser längst salonfähigen und innenraumkompatiblen Straßenkunst liegen in der jungen, rebellischen, urbanen und häufig nicht erlaubten Graffiti-Bewegung. „Mit unserer Ausstellung zu Graffiti-Kunst möchten wir ganz bewusst junges Publikum ansprechen“, nennt Andreas Hella vom Kunstverein einen Beweggrund für die aktuelle Ausstellung. Sie ist fast so was wie eine kleine Schwester der Urban-Art-Biennale, die aktuell in Völklingen läuft. Richtig glücklich sind Hella und die Vereinsvorsitzende Christel Baldes, dass sich einer der Großen der Graffiti-Szene, sein Künstler-Pseudonym ist „Tasso“, um eine Teilnahme in Wörth beworben hat. Der 1966 geborene Sprayer aus dem sächsischen Meerane, sein weltlicher Name ist Jens Müller, zeigt in Wörth starke, unverkennbar gesellschaftskritische Werke. In seinen Frauenporträts setzt er sich lebhaft mit der Unterdrückung und Misshandlung von Frauen in der Welt auseinander. Die hübschen Gesichter einer Zentral-Afrikanerin, einer Nord-Afrikanerin und einer Inderin, jeweils übergroß fotorealistisch auf den Leinwänden dargestellt, sind verschandelt, durch Feuer, durch Säure, durch Verstümmeln und symbolhaftes Zunähen von Auge und Mund. Kunst als Medium der Einflussnahme, als Mittels, Kritik an gesellschaftlichen Zuständen zu üben, zeigt auch der Hamburger Iven Einszehn. Mit seinen Installationen und Inszenierungen im zwei- und dreidimensionalen Format möchte er bewusst aufrütteln, Anstoß erregen. Aus Oldenburg kommt Christoph Fuhrken, ein Vertreter der Stencil-Art oder auch Schablonenkunst. „In Wörth zeige ich Frauenporträts, die ich auf ,Strandgut’, alte Holzpaletten, gemalt und gesprayt habe“, erklärt er. „Mein Pseudonym oder internationaler Künstlername ist Kamelogama“, als kleine, oft versteckte Signaturen hinterlässt er auf seinen Bildern ein stilisiertes Kamel und eine ebengleiche Blume. Bis zu vier Schablonen legt er je Bild auf, deren Zwischenräume ausgesprüht werden, er greift aber auch zum Pinsel. Als ganz junge Vertreter des Style-Writings stellen Moritz Schwall und Daniel Unkel aus Karlsruhe aus. Beide sind Anfang 20, Schwall beschäftigt sich seit acht Jahren, Unkel seit sieben Jahren mit Graffiti-Kunst. „Ich male gerne saubere, detaillierte, symmetrische, geradezu logische Bilder,“ beschreibt Moritz Schwall, ein angehender Grafikdesigner, seine Mal- und Zeichenweise. Sie baut sich häufig um sein Signet „Diaz“ auf. Daniel Unkel, er hat frisch das Abitur in der Tasche, nennt sich „Osmo“. Diesen Schriftzug hüllt er in seinen Zeichnungen gerne mit organischen Strukturen ein, wie überquellendem Rauch. Hinter „sign“ verbirgt sich Till Heim aus Landau. Der Künstler fing 1995 mit Graffiti an und wagte in seinen Sturm- und Drang-Jahren manchen Regelübertritt. Aus dieser Zeit der überbordenden Straßenkunst ist seine Vorliebe für raue, derbe Trägermaterialien geblieben. Dieses aufgegebene, weggeworfene Holz bedeckt er mit geraden, farblich durchkomponierten Linien, spielt bewusst mit dem Kontrast des rohen Untergrunds und der gemalten Geometrie. Die Kunst von Carl Kenz aus Kaiserslautern ist bunt, laut und schräg. Da sind seine skurrilen, makabren Miniaturwelten, die er fast behutsam unter Schaugläsern drapiert. Sie zeigen eine Welt zwischen Realität und Fiktion, zwischen Märchen und Weltraum-Wahn. Seine Malereien sind kleine Farbexplosionen, die auf die großen Werke des Künstlers an Hauswänden und Mauern hindeuten. Zu sehen sind außerdem Werke von Sigrid Artmann, Rayk Amelang, Linda Flottow, Gerti Hauptführer und von dem Atelier SprühMalwas mit Anja Juhnke und Ulrike Beutel. Info Die Vernissage ist am Freitag, 2. Juni, 20 Uhr, zur Einführung spricht Chris Gerbing, Musik macht die Hipp-Hopp-Gruppe „Breakbrothers“, mittags sind im Hof der Galerie Graffiti-Aktionen auf Plakatwänden. Bis 2. Juli donnerstags von 16 bis 19 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr.

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