Rheinpfalz „Kein Grund für Angst vor der Rente“
„Es besteht kein Grund, vor der Rente Angst zu haben“, fasste Wolfram Stüger, der Vorsitzende des VdK-Kreisverbandes Pirmasens, nach drei Stunden das Ergebnis der Informationsveranstaltung „Armut im Alter“ am Dienstag im Kreistagsaal zusammen.
Dazu hatten die Leitstelle „Älter werden“ bei der Kreisverwaltung um Karina Frisch die Seniorenbeiräte von Stadt und Landkreis sowie VdK-Ortsverbände eingeladen. Mit Referenten des VdK-Landesverbandes (Mainz) und der Deutschen Rentenversicherung (Speyer) erteilten Fachleute Auskunft zu dem „Thema mit zunehmender Aktualität“, wie es der erste Kreisbeigeordnete Peter Spitzer formulierte. Er unterschied zwischen „materieller Armut und Vereinsamung ohne Teilhabe an Gemeinschaft“. Beide „wachsenden Probleme“ bedürften der Hilfe von Politik und Gesellschaft, die dabei wiederum das Ehrenamt bräuchten. Der Pirmasenser Bürgermeister Peter Scheidel knüpfte am Ende der Veranstaltung mit seinem Schlusswort genau daran an. Altersarmut sei entgegenzuwirken durch Wahrung einer stimmigen Infrastruktur mit Versorgung und Mobilität, Freiheit und Sicherheit sowie Gemeinschaft. Für diese Zwecke forderte er die Versammlungsteilnehmer auf, „Kontakte zu den Kümmerern in den Kommunen“ herzustellen. Die Stadt Pirmasens werde die Problematik „deutlich erleben“ und müsse sich der Herausforderung stellen, selbst wenn es aktuell viele „Zeichen für positive Entwicklungen“ gebe. Dafür nannte Scheidel die gestiegene Einwohnerzahl (jetzt 40.882), den gesunkenen prozentualen Anteil der über 60 Jährigen und – überraschenderweise – das über dem Bundesdurchschnitt liegende mittlere Haushaltseinkommen (1060 Euro statt 840 Euro). Sorge bereiteten dagegen die hohen Zahlen an Alleinerziehenden, Arbeitslosengeld- oder Niedriglohnempfängern. Das Rentenniveau verlaufe „nicht zwangsläufig“ hin zur Altersarmut mit ihrer „sozialen Sprengkraft“, meinte die Bundestagsabgeordnete Anita Schäfer (CDU). Als Gegenmittel sah sie beispielsweise den früheren Eintritt in das Arbeitsleben nach dem Studium oder („politisch nicht leicht umzusetzen“) und die „gesetzliche Einwanderung qualifizierter Arbeitskräfte“. Ihre Kollegin Angelika Glöckner (SPD) wertete die soziale Absicherung nach dem Arbeitsleben als politische Kernforderung und „Teil der Würde des Menschen“. Der Weg dahin sei frühzeitig zu ebnen durch Chancengleichheit von Anfang an und durch gerechte Löhne im Laufe des Erwerbslebens. Hier ordnete sie auch den Mindestlohn ein. Die Grundsatzrede hielt der aus Merzalben stammende Willi Jäger, der Landesverbandsvorsitzende des VdK. Er erwarte ein weiterhin sinkendes Rentenniveau, das derzeit bei 48 Prozent liegt, bei steigenden Beitragssätzen. „Die Rente wird teurer, die Leistungen werden geringer“, sie genüge nicht mehr dem Anspruch, den Lebensstandard zu sichern. Zwar ging Jäger davon aus, dass die gesetzliche Rente auch künftig „den Löwenanteil in der Altersversorgung ausmacht“. Darüber hinaus aber müsse „jeder für sich selbst sorgen“. Diesen Ansatz lehnte der Referent ab, weil dabei Mindest- oder Niedriglohnempfänger „auf der Strecke“ blieben. „Die Stärke des Volkes misst sich an dem Wohl des Schwachen“, zitierte er aus der Schweizer Verfassung und forderte auf, „die Errungenschaft des Sozialsystems nicht aufzugeben“. Not führe zu Unruhen, und ohne Rente „hätten wir eine hoch explosive Gesellschaft“. Den „Zwang zur privaten Vorsorge“ lehne der VdK ab, so Jäger. Im Einzelnen erläuterte der Rentenexperte Martin Varga die rentenpolitischen Forderungen des Sozialverbands VdK. Das Rentenniveau, ehedem bei mehr als 50 Prozent angesiedelt, sinke, liege aktuell bei 48 Prozent und gehe bis 2040 zurück auf 41,6 Prozent. Das bedeute konkret, dass bei einer Eckrente von jetzt 1160 Euro Einbußen von mehr als 100 Euro zu erwarten seien. Varga plädierte deshalb für einen Kurswechsel. Um Altersarmut innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung zu vermeiden, müssten Elemente des sozialen Ausgleichs wie die Rente nach Mindesteinkommen, die Bewertung von Zeiten der Arbeitslosigkeit und Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung oder Pflege überprüft und ausgebaut werden. Die Erwerbsminderungsrenten seien anzuheben („Krankheit darf kein Armutsrisiko sein“) und die gesetzliche Rentenversicherung sei langfristig zu einer Erwerbstätigenversicherung zu verändern. Dies erfordere, schrittweise alle Berufsgruppen in die Versicherungspflicht einzubeziehen. Auch Lohnsteigerungen hielt Varga für ein taugliches Mittel, denn höhere Löhne ermöglichten höhere Beitragssätze, was wegen des höheren Arbeitgeberanteils letztendlich entlastend für die Arbeitnehmer wäre. Hans Georg Arnold von der Deutschen Rentenversicherung erachtete die gesetzliche Rente „seit 125 Jahren als unverzichtbaren Eckpfeiler des Sozialsystems“. Den Begriff „Rentenniveau“ bezeichnete er als „schwammig“, wenig aussagekräftig, weil das Ergebnis stets abhängig sei von individuellen Umständen. Bei dem Standard-Rentenniveau handele es sich lediglich um ein Modell. Am Ende gelangte Arnold zu der zuversichtlichen Feststellung: „Auch wenn das Rentenniveau weiter sinkt, werden die Renten steigen, wenngleich nicht in dem Maße wie die Löhne.“ Dienlich sei der Altersversorgung am ehesten Bildung. Auch für die Altersversorgung gelte der Spruch: „Gute Bildung trägt ein ganzes Leben“. In der Diskussion wollten Teilnehmer zum Beispiel wissen, ob die Rentenbeiträge tatsächlich nur in die Rentenversicherung fließen oder warum die Deutsche Rentenversicherung für Reha-Leistungen aufkomme. Nur ein „minimaler Teil“ der Beiträge werde für die Verwaltung oder für Reha-Kosten aufgewendet, erwiderte Arnold. Reha-Leistungen übernehme die Rentenversicherung meist bei chronischen Fällen. Die Behandlungen seien überaus erfolgreich, denn „sie tragen maßgeblich zum Verbleib im Arbeitsleben bei“. |ns