Kultur Südpfalz Im barocken Serail

Nicht das Verdi-Requiem – wie man angesichts des vielköpfigen Choraufgebots hätte mutmaßen können –, sondern die Perle der frühbarocken Oratorienliteratur, Claudio Monteverdis Marienvesper von 1610, wurde gegeben. Mit den Kantoreien Bad Bergzabern und Pirmasens sowie dem Madrigalchor Hockenheim hatte Bezirkskantor Maurice Antoine Croissant eine mehr als stattliche sängerische Streitmacht jenseits des Dirigentenpult versammelt und das stilistisch eingenordete innere „Barock-Ohr“ witterte bereits vorab Verrat.

Zumal das fabelhafte, komplett auf Nachbauten historischer Original-Instrumente konzertierende Ensemble „Musiche Varie“ um den Violone-Spieler Robert Sagasser (auch Leiter des Hockenheimer Chors) mit eben mal 14 (quasi) Solisten besetzt war. Aber wie wunderbar leichtfüßig und fast durchweg akkurat wusste Croissants tänzerischer Körpereinsatz diesen kompakten Stimmenapparat im Fluss zu halten! Mit bemerkenswert straffen Tempi, auf- und abwogender Dynamik, die sich jeglichen Forcierens enthielt, und gestochen klarer Deklamation verschaffte er den theatralischen Parlandi des „Dixit Dominus“ jene aufreibende, fast atemlose Geschwätzigkeit, die ja einzig ihren Reiz, ihre Faszination ausmacht. Und selbst in Momenten überbordender Klangentfaltung wie etwa beim doppelchörigen „Nisi Dominus“ oder dem grandiosen zehnstimmigen „Lauda Jerusalem“ geriet die Balance zwischen Chorapparat und Instrumentalisten nie ins Wanken, blieben Transparenz und Diktion gewahrt und damit kostbare figurale Details hörbar. Stellvertretend für all die köstlichen Soloaktionen des großartigen „Musiche Varie“-Ensembles sei der im Verlauf vielbeschäftigte Chitarrone-Virtuose und kongenial Begleiter Axel Wolf genannt. Einen besonders liebenswerten Akzent setzte die Singklasse (6d) des Emmanuel-Kant-Gymnasiums Pirmasens unter Leitung von Volker Christ mit ihrer charismatischen Darstellung des rhythmisch raffinierten „Ora pro nobis“ sowie einzelner Sätze im „Ave maris stella“ und „Magnificat“. Schließlich: Von einem Solisten-Sextett wie diesem kann man eigentlich nur träumen: die Soprane Heike Heilmann und Simone Schwark, Andreas Post (für den erkrankten Johannes Kaleschke) und Georg Poplutz, Tenor, Jens Hamann, Bariton, sowie Ekkehard Abele, Bass, agierten ausnahmslos auf hohem stimmlichem Niveau, stilistisch lupenrein, in profunder Vertrautheit mit dem Raffinement der barocken Auszierungstechniken und zudem – was keine Selbstverständlichkeit ist – auch dezidiert ensembleorientiert. Man fühlte sich entrückt: beim Ohrenschmaus des schmeichelnd anmutig und innig zelebrierten „Pulchra es“ der beiden perfekt harmonierenden Soprane beispielsweise; und auch beim selten so makellos kongruent und spannungsvoll austarierten Dia- oder Trialog des „Duo Seraphim“, ebenso wie bei den perfekt inszenierten Echo-Effekten des „Audi coelum“. Eine Visite im barocken Serail! (gp)

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