Rheinpfalz „Ich schäme mich für diesen Rechtspopulismus“
Aus Anlass des 200. Kreisjubiläums durften dieses Mal nicht nur geladene, sondern alle interessierten Bürger am Neujahrsempfang des Landkreises Südwestpfalz teilnehmen. 350 von ihnen waren gestern ins Bürgerhaus „Schuhfabrik“ gekommen, wo Landrätin Susanne Ganster ein flammendes Plädoyer für den Erhalt der Demokratie hielt. Sie forderte dazu auf, sich an den Europa- und Kommunalwahlen am 26. Mai zu beteiligen, aktiv und passiv: also selbst zu wählen und sich als Kandidat wählen zu lassen.
Gegenüber früheren Empfängen leistete sich der Kreis dieses Mal den Luxus einer professionellen Moderation, die Markus Appelmann aus Clausen souverän bewältigte. Gute Musik steuerten die Flöten in Jeans und die Grenadeapples der Kreismusikschule bei. Ganster betonte, dass sich der Kreis auch deshalb gut entwickelt habe, weil den Bürgern ihre Gemeinde oder Verbandsgemeinde nicht gleichgültig gewesen sei. Für die Zukunft sei es ebenso wichtig, dass sich Bürger bereiterklären, zu kandidieren, sich in Gemeinderäte einzubringen und besondere Verantwortung als Bürgermeister zu übernehmen, trotz der ernüchternden Gestaltungsmöglichkeiten aufgrund der knappen Kassen. Ganster appellierte an die Bürger, das aktive und passive Wahlrecht wahrzunehmen. Mit Blick auf die Wahl von US-Präsident Trump und den Brexit warnte sie vor einem Rückfall ins Nationalstaatentum, einer Überhöhung von Vaterlandsideologien und Abwendung vom vereinten Europa. Dies gefährde die Demokratie und damit den Frieden. Auch in Deutschland gebe es rechtspopulistische Parteien, die für den Austritt aus der EU, einem Garant für Frieden, seien. „Es gibt Momente, da schäme ich mich für diesen Rechtspopulismus. Ich schäme mich gegenüber unseren französischen Freunden, die nicht nur heute Abend durch ihren Besuch ihre Freundschaft mit uns dokumentieren, sondern die dies auch eindrucksvoll in Lembach und auf dem Soldatenfriedhof getan haben“, sagte Ganster. Sie habe für nationalistische Parolen kein Verständnis, „sie machen mich wütend“. Begonnen hatte die Landrätin ihre Rede mit einem Blick in die Geschichte des Kreises. Im Amtsblatt vom 18. Februar 1818 wurden durch die Königlich-Bayrische Regierung des Rheinkreises die Landkommissariate und damit die Vorläufer der späteren Landkreise gebildet. Dies war die Geburtsstunde des heutigen Kreises Südwestpfalz. Die beiden Vorläufer, die Kreise Pirmasens und Zweibrücken, aus denen wiederum 1972 der Kreis Pirmasens entstand, wurden so beschrieben: „Hauptort Zweibrücken mit den Kantonen Zweibrücken, Blieskastel und Neuhornbach“ sowie „Hauptort Pirmasens mit den Kantonen Pirmasens, Dahn und Waldfischbach“. Aus dem Landkommissariaten gingen 1862 die Bezirksämter Pirmasens und Zweibrücken hervor. 1920 wurden Pirmasens und Zweibrücken zu kreisfreien Städten und schieden aus dem jeweiligen Bezirksamt aus. 1939 wurden alle bayrischen Bezirksämter umbenannt in Landkreise. So entstanden aus den Landkommissariaten über die Bezirksämter die Kreise Pirmasens und Zweibrücken. Infolge der Gebietsreform 1969 wurde 1972 der Kreis Zweibrücken aufgelöst und die größten Teile wurden in den Kreis Pirmasens eingegliedert. Seinen Namen Landkreis Südwestpfalz trägt er aber erst seit 1997, auf Initiative des damaligen Landrats Hans Jörg Duppré. „Wer sich mit der Entstehung und Geschichte des Landkreises beschäftigt, dem wird schnell klar, dass Frieden, Freiheit und Wohlstand keine Selbstverständlichkeit sind, sondern dass dies Erfolge unserer Demokratie sind“, resümierte Ganster. 100 Jahre nach Ende des Ersten und über 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs müssen man sich dies immer wieder ins Gedächtnis rufen. Der territoriale Zuschnitt des Kreises Südwestpfalz habe sich immer wieder verändert, und deshalb sei es „nicht verwunderlich“, dass eine weitere Stufe der Kommunal- und Verwaltungsreform gerade in den letzten Wochen wieder für Schlagzeilen gesorgt habe. Es werde dauern, bis der Landtag konkrete Gebietsveränderungen beschließe. Ob die bisher kreisfreien Städte Pirmasens und Zweibrücken dann wirklich dem Kreis zugeschlagen werden, „kann heute seriös niemand sagen“. Drei Dinge seien entscheidend, so Ganster. Nur wenn nachweislich Einsparungen und Synergieeffekte erzielt werden können, lohne es sich darüber nachzudenken. Zweitens erwarte sie vom Parlament und der Landesregierung, dass bis Ende 2019 Klarheit über angestrebte Änderungen besteht „und dass wir direkt und nicht wieder über die Presse informiert werden“. Drittens: Der Landkreis habe sich mit den beiden Städten bereits auf den Weg der Zusammenarbeit gemacht, etwa bei der hausärztliche Versorgung und der Vorbereitung eines gemeinsamen Schulentwicklungsplans. „Weitere Bereiche sollen in diesem Jahr folgen“, kündigte Ganster an. Die Möglichkeiten der interkommunalen Kooperation sollten ihrer Ansicht nach erst mal ausgeschöpft werden, bevor nur anhand der Einwohnerzahlen Gebietsveränderungen diskutiert würden.