Rheinpfalz I will survive

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Bye-bye Bach, hello Helene: Auf Trauerfeiern geben heute Pop und Schlager den Ton an – und verdrängen damit die Kirchenmusik. Das zeigen Hitlisten. Einige wollen die Abschiedsmusik nicht anderen überlassen – und stellen Spiel-mir-das-Lied-zum-Tod-Wunschlisten ins Netz. Halleluja.

Die Luft ist trocken, das Thermometer steht bei knapp über null. Der Friedhof bietet vom Berg aus einen trostlosen Blick auf die Kleinstadt darunter. Wind frischt auf, der Reißverschluss der Jacke wird noch ein bisschen höher gezogen. Bundeswehrsoldaten tragen den Sarg zu seinem Bestimmungsort. Als der Holzkasten hinuntergelassen wird, springt die Musik an: Harte E-Gitarren, der Bass ist blass, weil der Lautsprecher sehr klein ist. Dann pressen die zerstörten Stimmbänder von Kevin Russell, Sänger der Böhsen Onkelz, aus der Box: „Nur die Besten sterben jung“. Es war eines der Lieblingslieder des Verstorbenen, der mit Ende 20 aus dem Leben scheiden musste. Es hätte ihm gefallen, dass die Onkelz auf seiner Beerdigung aus den Boxen dröhnen. Dass andere bei einer derartigen Wahl die Nase rümpfen – ihn hätte es umso mehr gefreut. Die Hinterbliebenen werden das Lied nie mehr hören können, ohne nicht sofort wieder die Bilder der Beerdigung im Kopf zu haben.

Lieder auf Beerdigungen bleiben im Gedächtnis

Das sollte beim Wunsch, die Lieblingsmusik auf der eigenen Trauerfeier zu spielen, berücksichtigt werden. Besonders wenn es sich um Stücke handelt, die oft im Radio oder auf Veranstaltungen zu hören sind. Ein Fan des Fußballvereins Hamburger SV wünschte sich vor ein paar Jahren die Vereinshymne „Hamburg, meine Perle“. Ein zukünftiger Stadion-Besuch wird für die Hinterbliebenen dann nicht mehr nur aus sportlicher Sicht zum Trauerspiel. Egal ob es die Titelmelodie eines Märchenfilms ist, ein Volkslied aus der Vertriebenenheimat oder ein rührseliges Schlager-Stück aus dem Hause FischerBergGabalier – die Lieblingsmusik des Verstorbenen, etwas sehr Privates, wird auf einer Trauerfeier plötzlich öffentlich. Wer vor seinem Ableben keine Wünsche äußert, muss damit rechnen, dass Angehörige oder Bestatter etwas für ihn aussuchen.

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