Rheinpfalz Hausarzt-Situation in Kusel: Landesregierung kommt zu überraschender Einschätzung
Geht es um die ärztliche Versorgung im Landkreis Kusel, dann sind die Verantwortlichen im Land immer mal wieder für eine Überraschung gut. Die neueste liefert die Landesregierung. In einer Antwort von Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler auf eine Kleine Anfrage des hiesigen Grünen-Abgeordneten Andreas Hartenfels steht der Satz: „Nach Einschätzung der Landesregierung ist die hausärztliche Versorgung im Mittelbereich Kusel derzeit als gut zu bezeichnen.“ Mit Mittelbereich ist hier der gesamte Landkreis gemeint. Politiker und Patienten vor Ort werden zu diesem Schluss nicht kommen.
Laut Gesundheitsministerium werde diese Einschätzung durch eine Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) bestätigt: „Trotz der dispersen (auf Deutsch: fein verteilt, zerstreut – Anmerkung der Redaktion) Siedlungsstruktur im Kreis Kusel (ist) der Zugang zur hausärztlichen Versorgung auf sehr hohem Niveau flächendeckend gegeben.“ Laut Arztregister der Kassenärztlichen Vereinigung gebe es im Kreis Kusel momentan 45 hausärztliche Versorgungsaufträge in 21 Gemeinden. Die durchschnittliche Entfernung zur nächsten Hausarztpraxis betrage 2,1 Kilometer und liege damit deutlich unter der Entfernung zu vielen anderen Infrastruktureinrichtungen. Nur 7,3 Prozent der Bevölkerung müssten theoretisch mehr als fünf Kilometer zur nächsten Praxis zurücklegen. Dass inzwischen viele Patienten große Schwierigkeiten haben, einen neuen Hausarzt zu finden, darauf geht die Landesregierung nicht ein. Der frühere SPD-Landtagsabgeordnete Detlef Bojak, für den der Kampf um eine bessere ärztliche Versorgung zu einer Herzensangelegenheit geworden ist, berichtet gar von einem regelrechten Patienten-Casting, das in Einzelfällen stattgefunden habe. Ein Arzt habe mehrere Patienten zum gemeinsamen Gespräch eingeladen, um dann anschließend zu entscheiden, wer bei ihm Patient werden darf und wer nicht. Wären wir bei „Germany’s next Topmodel“, müsste es für die abgelehnten Bewerber heißen: „Für dich habe ich heute leider kein Foto.“ Bojak empfindet ein solches Prozedere als entwürdigend.
„Überdurchschnittlicher Nachbesetzungsbedarf.“
Zurück zur Landesregierung. Wenig Erhellendes trägt sie auch auf die Frage bei, wie sie die Altersstruktur der Hausärzte im Kreis Kusel beurteilt, von denen die Hälfte über 60 Jahre alt ist. Antwort: Dem Bericht der Kassenärztlichen Vereinigung sei zu entnehmen, dass der Altersschnitt der Hausärzte im Kreis Kusel über dem Landesschnitt liege. Erkenntnisgewinn der Landesregierung: „Somit ergibt sich für die Hausärzteschaft im Landkreis Kusel ein überdurchschnittlicher Nachbesetzungsbedarf.“ Zu den aktuellen Praxisschließungen im Landkreis Kusel schreibt die Landesregierung, zuständig für die Sicherstellung der Versorgung sei die Kassenärztliche Vereinigung. Eine Berichtspflicht über Praxisschließungen an die Landesregierung gebe es nicht. Wenn die Landesregierung auf anderen Wegen von Schließungen erfahre, bitte sie um Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung.
„Die Antwort darauf wurde vermieden“
Sehr breiten Raum nimmt die Antwort der Landesregierung auf die Frage ein, wie die Ansiedlung von Hausärzten im ländlichen Raum gefördert und wie Hausärzte zur Ansiedlung motiviert werden könnten. Das Ministerium verweist auf diverse Förderprogramme und Initiativen sowohl der Politik als auch der Kassenärztlichen Vereinigung. Im gesamten Landkreis Kusel könnten Hausärzte das Förderprogramm des Landes in Anspruch nehmen, das das KV-Niederlassungsförderprogramm mit Namen „Strukturfonds“ ergänze. Von diesem „Strukturfonds“ könnten im Raum Kusel Augen- und Hautärzte profitieren, ebenso Orthopäden. Hier gibt es bis zu 60.000 Euro. Zudem gebe die Investitions- und Strukturbank (ISB) Fördermittel für Existenzgründer – das könnten auch Ärzte sein, die eine Praxis übernehmen oder neu gründen. Bojak ist derweil in seinem Kampf um eine bessere Ärzteversorgung schon ein wenig frustriert. Auch er hat Bätzing-Lichtenthäler im November angeschrieben und in diesen Tagen, nach einer Nachfrage, Antwort erhalten. Diese gleicht der Antwort auf die Kleine Anfrage der Grünen, die gestern veröffentlicht wurde. Was Bojak dabei besonders verärgert: Er hatte nach einem Notfallplan des Landes für den Fall gefragt, dass alle verkündeten Maßnahmen bis 2020 nicht greifen und der Kreis Kusel dann einen erheblichen Ärztemangel haben werde. „Die Antwort darauf wurde vermieden“, stellt er enttäuscht fest und erinnert in diesem Zusammenhang an eine Aussage des früheren Landrats aus dem Jahr 2013. Der hatte im Kreistag gesagt, wenn sich nicht genug Nachfolger für freiwerdende Hausarztpraxen fänden, sei das Westpfalz-Klinikum durchaus bereit, hier auszuhelfen. Bojak: „Dieses Versprechen ist nie konkretisiert worden, obwohl er doch vier Jahre lang Zeit hatte.“