Lokalsport Südpfalz Handball: TV Offenbach trainiert mit einem Mittelstrecken-Europameister

Patrick Zwicker mit Offenbacher Handballern. Rechts Neuzugang Max Jost.
Patrick Zwicker mit Offenbacher Handballern. Rechts Neuzugang Max Jost.

Patrick Zwicker trainiert den TV Offenbach! Das wäre eine Schlagzeile. Eine Einheit absolviert der frühere U20-Europameister über 800 Meter mit den Oberliga-Spielern im Stadion. Michael Übel hat das arrangiert, Offenbachs Trainer holt sich gerne einen „Input“ von Leichtathleten. Halten seine Spieler das durch? Zwei Neuzugänge sind dabei.

Peter Steuer und Mario Fuchs rennen scheinbar um ihr Leben. Samstag kurz vor Mittag, Teil eins des abschließenden Programms, die Sonne steht über dem Offenbacher Stadion. Nach diesem 400-Meter-Lauf kommt noch einer, wird es mit zwei 300-Meter-Läufen und zwei 200-Meter-Sprints weitergehen. Es sind die letzten Einheiten des Trainings mit Patrick Zwicker. „Ihr bleibt bis vor dem letzten 200-Meter-Lauf locker, ungefähr gleiches Tempo, dann all in“, hat er den Oberliga-Handballern des TV Offenbach mitgegeben. Steuer und Fuchs rennen den anderen gleichmäßig schnell weit voraus. Im Feld sind zwei, die sich vor Kurzem dem TVO angeschlossen haben: Maximilian Staats und Max Jost.

Präsent dabei

Trainer Michael Übel hat die Trainingseinheit arrangiert. Seine Meinung: „Die besten Handballer waren in ihrer Jugend Leichtathleten.“ Bis Oktober wird er seine Mannschaft, die auch schon nebenan in der Halle trainierte, auf die dann beginnende Meisterschaft vorbereiten. In Kürze sollen die Tribünenplätze nach Corona-Abstandsregeln gekennzeichnet werden. Statt Plätze für 500 Leute Plätze für 80. Immerhin. Beim für den 1. August beim SV Zweibrücken vereinbarten Testspiel „spielen wir vielleicht zehn gegen zehn“.

Ein Anruf mit Zwicker, ein Blick in den Kalender, schon war die Trainingseinheit mit dem U20-Europameister von 2013 über 800 Meter gebongt. Übel legte das Training auf den Samstag, an dem der Personalmanager bei Grüner Fisher, Vermögensverwalter mit einer Niederlassung in Frankfurt, im Elternhaus in Offenbach vorbeischauen wollte. Ein Präsent hatte Übel dann auch dabei. Zwicker hatte vor ein paar Tagen seinen 26. Geburtstag.

Narbe am Oberschenkel

Übel holt sich gerne „Inputs“ von anderen Sportlern. Felix Schulze war schon zum Sprint- und Techniktraining da. Zehenspitzen anziehen, Knie hoch: „Handball besteht ja aus vielen Sprints“, sagt Übel über die Einheit mit dem Hürdensprinter und Mehrkämpfer des 1. FC Kaiserslautern, der seine sportlichen Wurzeln in Offenbach hat. Schulze habe ein super Training gemacht.

Zwicker ist nun der Mann für die Mittelstrecke. Wüsste man nichts von seinem schweren Skiunfall im Dezember 2017, man könnte meinen, er steht voll im Saft für das nächste große Titelrennen. Eine Narbe markiert den Bereich, wo der vordere Oberschenkel oberhalb der Kniescheibe durchgerissen war. Sein Karriereende hatte er wegen anderer Verletzungen da gerade verkündet gehabt.

Zweites Standbein geschaffen

Was für eine Karriere! Das Jahr vor dem Abi war sein Jahr gewesen nach dem deutschen Titelgewinn 2011 in der U18 und der Auszeichnung bester Europäer bei der U18-WM in Lille. Rieti 2013, EM-Finale über 800 Meter: Zu Beginn der zweiten Runde setzt er sich mit seinen langen Schritten an die Spitze, verteidigt den Platz, siegt mit Steherqualitäten in 1:49,58 Minuten und macht seinen Trainer Edmund Hamburger glücklich. Im Mai 2016 erreichte er 1:48,69. Die 1500 Meter konnten kommen. Verletzungen am Knöchel, ein Ermüdungsbruch, einmal Hepatitis warfen ihn immer wieder zurück. Zwicker tat gut daran, an einem zweiten Standbein zu arbeiten. Er ging den Bachelor in BWL an, bekam im August 2017 eine Stelle beim Vermögensverwalter Grüner Fisher in Frankfurt, im Frühjahr hat er ein Masterstudium Personalmanagement abgeschlossen. Nach seinem Skiunfall konnte er erst im April 2019 wieder normal Laufsport betreiben. Im Anzug macht er auch eine gute Figur. Wie viele Anzüge im Schrank hängen? „Sechs, sieben. Und das Vier- bis Fünffache an Hemden.“ Mit seiner Freundin wohnt er im Europaviertel, dem jungen Stadtviertel auf dem Gelände des ehemaligen Hauptgüterbahnhofs.

„Vier, fünf Kilometer, ist das okay?“

In Offenbach kehrt er nun kurz zu seiner ersten Karriere zurück. Die Handballer hören ihm zu. „Patrick, brauchen wir was?“, fragt Übel. „Was glaubst du, vom Trainingsumfang vier, fünf Kilometer, ist das okay“, entgegnet Zwicker. Er ist für Intervalltraining: „Für Dauerlauf braucht ihr mich nicht. Ist es euch zu lasch, können wir auch andere Sachen durchziehen, ich habe mehrere Pläne in petto.“ „Mir täte das Lauf-Abc gut passen“, sagt Übel. Techniken, mit denen jeder seinen Laufstil schult.

„Wir starten mit kleiner Aufwärmeinheit.“ Zwicker will vermitteln, was einen schneller macht, will einen kleinen Reiz für ein Training geben, bei dem man sich ein wenig wehtut. „Es ist relativ still. Vielleicht liegt es auch an der Uhrzeit“, macht Übel sich lustig, als Zwicker mit den Spielern Stabilisationsübungen durchgeht. Der 26-Jährige macht Ansagen, korrigiert Körperhaltungen.

Die beiden Neuen

Seit Frühjahr 2015 wohnt Maximilian Staats in Landau, jetzt wechselt der gebürtige Frankenthaler von der HSG Eckbachtal. „Zwölf Minuten Fahrt zum Training nach Offenbach, 45 Minuten nach Dirmstein“, nennt der 27-Jährige, der sich im Vorausblick auf seinen Lebensmittelpunkt verändert, einen Vorteil. Der angehende Lehrer hofft auf einen Platz am Studienseminar in Rohrbach und ein Referendariat in Landau. Vor drei Jahren war er schon mal zum Probetraining beim TVO gewesen, hat sich damals aber doch nicht getraut, sich von Freunden bei Eckbachtal zu trennen. Übel schätzt ihn als Spieler, den er sowohl rechts außen als auch links außen einsetzen kann.

Max Jost spielte bei der HSG Menden-Lendringsen Jugend-Bundesliga und gehörte zur Aufstiegsmannschaft in die 3. Liga. Aus beruflichen Gründen verpasste er den Anschluss. Sein Beruf hat ihn in die Südpfalz geführt, er wohnt in Birkenhördt und fand in der Nähe nur einen Oberligisten, den TVO.

„Ich wollte wieder angreifen und: Man darf harzen“, begründet der 25-Jährige aus Westfalen seine Wahl. „Ich finde es in der Pfalz ganz schön. Ich muss mich noch an den Wein gewöhnen und an den Akzent.“ Jost ist Kreisspieler, der in der Abwehr im Innenblock eingesetzt wurde.

Trainerkarriere? Vielleicht

100 Meter - 200 - 400 - 200 - 100 Meter ist ein Pyramidenlauf. Zwicker will den Handballern wohl auf den Zahn fühlen: 400 - 400 - 300 - 300 - 200 - 200 schlägt er zum Abschluss vor. „Wir sind in 20 Minuten durch, mehr oder weniger“, sagt er an. Und los.

Ob er mal Trainer wird? „In ferner Zukunft ist das vielleicht vorstellbar, im Moment bin ich noch zu nahe an der Karriere“, sagt Zwicker. Beruflich sei das auch nicht zu vereinbaren. Er geht oft laufen, in den Park, an den Main, auch mal in der Mittagspause. Training für den Kopf, als Ausgleich.

Auch beim letzten 200-Meter-Sprint macht keiner der Handballer schlapp. Die letzte Trinkpause, Schweißgeruch. Knapp zwei Stunden bleiben ihnen, um sich schick zu machen für den nächsten Auftritt an diesem Samstag: Marco Gensheimer, Sportlicher Leiter des TVO, heirat standesamtlich.

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