Landau Gefühle von Freiheit und Heimat

Die neue CD des Trios Reinig, Braun und Böhm.
Die neue CD des Trios Reinig, Braun und Böhm.

Der in der Nähe von Bielefeld geborene Liedermacher Hannes Wader eroberte 1972 mit seinem „7 Lieder“-Longplayer die Welt der deutschen Folkmusik. Das pfälzische Trio Reinig, Braun und Böhm nimmt sich die Freiheit, für das gleiche Anliegen zwei Songs mehr zu verbrauchen.

„Neun Lieder“ heißt darum das aktuelle, fünfte Album des Ludwigshafener Sängers und Gitarristen Peter Braun und seiner Landauer Mitstreiter Paul Reinig an Gitarre, diatonischem Knopfakkordeon und Irish Bouzouki, sowie Rüdiger Böhm als Tastenmann, Flötist und Krummhornspieler.

Gastmusiker sind diesmal der syrische Oud-Virtuose und Sänger Samer Alhalabi und der Perkussionist Julian Losigkeit. Letzterer ist der Sohn von Jürgen Losigkeit, der in seinem Atlas Tonstudio in Oberotterbach für Aufnahme, Mix und Mastering zuständig war.

Neu: Nur Hochdeutsch

Soweit zu den Fakten, nun zur Musik: „Neun Lieder“ ist deutlich anders konzipiert als alles andere was Reinig Braun und Böhm in der Vergangenheit zu Gehör gebracht haben. Darauf enthalten sind Interpretationen von Werken so bekannter Künstler wie Reinhard Mey („Frei“), Franz-Joseph Degenhardt („Winterlied“), oder „Zupfgeigenhansel“ Erich Schmeckenbecher („Andre, die das Land so sehr nicht liebten“). Die neuzeitlichen Singer/Songwriter werden von Philipp Poisel („Halt mich“) repräsentiert. Ein ganz besonderes Highlight des Albums stellt eine gelungene Version von Georg Danzers „Die Freiheit“ dar. Selten ist eine Hommage an einen Musiker so gelungen wie hier.

Reinig, Braun und Böhm zeigen sich dabei von ihrer Schokoladenseite. Der wichtigste Unterschied zwischen „Neun Lieder“ und den früheren Veröffentlichungen ist jedoch, dass Peter Braun erstmals keinen einzigen auf der Scheibe vertretenen Song im Pfälzer Dialekt vorträgt. Gesungen wird vorwiegend Hochdeutsch, das Bob Dylan-Cover „Girl From The North Country“ mit Originaltext in Englisch übernommen.

Musikalisches Neuland

Samer Alhalabi hat bei „Mahla Nourha“ den Leadgesang inne. Natürlich stellt er das bei uns weitgehend unbekannte Stück, das aus der Feder des Ägypters Sayed Darwisch stammt, ganz authentisch in Arabisch vor. Mit dieser speziellen Nummer betreten Reinig, Braun und Böhm auch für sie völlig fremdes musikalisches Neuland, schaffen es aber den weltmusikalischen Geist der dem Titel innewohnt aufzufassen und auf eigene Art und Weise umzusetzen. Das Experiment, orientalische Rhythmen auf einer CD mit ansonsten lauter westlichen Liedern zu vereinen kann durchaus als geglückt bezeichnet und auch Zweiflern ohne Abstriche empfohlen werden. Die beteiligten Musiker wollen damit ein Zeichen setzen und verdeutlichen wofür sie stehen: Freiheit und Heimat.

Sehr gut passt in diesem Zusammenhang die Geschichte von Alhalabi, der 2015 als Flüchtling nach Leimersheim kam, wo er sich seither über ein neues Zuhause und ein Leben ohne Krieg und diktatorische Zwänge freuen darf. Die Punkte Freiheit und Heimat nahmen aber auch schon auf den beiden vorherigen Reinig, Braun und Böhm-Veröffentlichungen „Hiwwe und Driwwe“ und „Winzerhänd“ einen gewichtigen Platz ein. „Hiwwe und Driwwe“ befasst sich weitestgehend mit pfälzischen Auswanderern, die im 18. Jahrhundert Freiheit in der Neuen Welt suchten, während „Winzerhänd“ mit Liedern über Weinfeste und das pfälzische Rebenmeer der Pfalz als Mittelpunkt des hiesigen Lebens huldigt.

So gesehen ist „Neun Lieder“ eine logische Fortsetzung geworden, die – nicht zuletzt durch das Abstreifen der sprachlichen Fesseln – Reinig, Braun und Böhm durchaus in die Lage versetzen könnte auch überregionale Erfolge zu erzielen. Verschiedene Radiostationen haben jedenfalls schon Interesse an Interviews und Liedvorstellungen gezeigt, eine echte Promotionreise zu den Sendern konnte aber leider wegen Corona nicht stattfinden. Auch die offizielle CD-Release-Party des im Januar veröffentlichten Albums musste wegen der Krise vorläufig nach hinten geschoben werden. Stattdessen stellen Reinig, Braun und Böhm Songs der Langspielplatte erstmals beim Livestreaming am Dienstag, 21. April, um 19 Uhr aus der Landauer Jugendstil-Festhalle vor.

Info

Abzurufen ist das Konzert unter http://reinig-braun-boehm.de/landaulivestream-neun-lieder-live/ Die Übertragung dauert nicht ganz eine Stunde, gespielt werden neben Stücken aus der aktuellen Langspielplatte auch einige Reinig, Braun und Böhm-Klassiker. Die CD „Neun Lieder“ ist erhältlich unter shop@pfalzrecords.de, Bestellnummer PRCD2019-09

x