Rheinpfalz Fremdwörter kein Grund zur Panik

«MANNHEIM.» Genauso alt wie das Institut für Deutsche Sprache (IDS), nämlich 54 Jahre, ist der Mann, der es in Zukunft leiten wird: Der Gießener Sprachwissenschaftler Henning Lobin ist zum neuen Direktor des IDS bestimmt worden. Als Forscher interessiert ihn in erster Linie die Frage, wie sich die deutsche Sprache durch die digitale Kommunikation verändert.

Schon beim ersten Kontakt mit Henning Lobin wird klar: Ein Dogmatiker ist dieser Mann nicht. Ob ein Treffen „face to face“ möglich sei, um über seine neue Aufgabe zu sprechen, fragt der in Frankfurt lebende Germanistikprofessor per E-Mail. „Es gibt keinen Anlass, die deutsche Sprache bedroht zu sehen“, sagt er dazu. „Die Verwendung englischer Ausdrücke ist kein so umfassendes Problem, wie es in der Öffentlichkeit dargestellt wird.“ Schon immer seien in die deutsche Sprache Fremdwörter aus dem Lateinischen, dem Griechischen oder dem Französischen eingeflossen. „Und ein Wort, das rein aus Image- oder Modegründen verwendet wird, hält sich ohnehin nicht.“ Wie sich mit den Veränderungen in der Gesellschaft die Sprache entwickelt – das ist ein Thema, das Lobin sehr interessiert. Er ist seit 1999 Professor für Angewandte Sprachwissenschaft und Computerlinguistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Zuvor hat er nach dem Abitur in seiner Heimatstadt Celle an den Universitäten Saarbrücken und Bonn Germanistik, Philosophie und Informatik studiert, in Bonn promoviert und sich in Bielefeld habilitiert. Für ihn schließt sich gewissermaßen ein Kreis. Ulrich Engel, der Professor, der seine Promotion betreut hat, war zuvor Direktor des IDS in Mannheim. „Ende des Jahres wird er 90 Jahre alt, und dann möchte ich mich gerne über seine Erfahrungen mit ihm austauschen“, sagt Lobin. Zum 1. August folgt der 54-Jährige als Direktor des Instituts für Deutsche Sprache auf Ludwig M. Eichinger, der in den Ruhestand geht. Von seiner Eignung musste Lobin gleich zwei Kommissionen überzeugen, eine des Instituts und eine der Universität Mannheim. Denn formal ist er dort Professor für Germanistische Linguistik – ein Amt, von dem er allerdings umgehend wieder beurlaubt ist, um das außeruniversitäre IDS zu leiten. Ein Konstrukt, das schon bei seinem Vorgänger zum Tragen kam. „Mit Professor Henning Lobin begrüßen wir einen exzellenten Forscher in Baden-Württemberg“, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne). „Mit seiner Expertise wird er die Forschungslandschaft in Baden-Württemberg und innerhalb der Leibniz-Gemeinschaft bereichern.“ Denn dieser Organisation ist das Forschungsinstitut angegliedert. „Ich kenne das Institut und seine Bedeutung schon sehr lange“, sagt Lobin, der in jüngster Zeit mehrere Gelegenheiten hatte, nach Mannheim zu kommen: 2016 wurde er in den Wissenschaftlichen Beirat des IDS berufen. Beim 50. Jubiläum des Instituts im Jahr 2014 sei deutlich geworden, welchen Wert die hier geleistete Forschungsarbeit für die Germanistik habe. So besitze das IDS einige der größten digital erfassten Textsammlungen der Welt, bestehend aus Milliarden Wörtern: Zeitungstexte, historische Texte, Verwaltungstexte, Literatur. Das seien allerdings allesamt lektorierte und redigierte Werke. Für die Zukunft sei interessant, auch die digitale Kommunikation wissenschaftlich zu analysieren. Eine Kommunikation, die sich dadurch auszeichne, ungefiltert und direkt zu sein. E-Mails, Whats-App-Nachrichten, Blogtexte, Kommentare, Einträge in sozialen Netzwerken: Sämtliche Facetten der computergemittelten Kommunikation findet Lobin in linguistischer Hinsicht „unglaublich spannend“. Seine Aufgaben als Direktor des IDS sieht er zudem darin, seinen Professorenkollegen, die am Institut verschiedene Abteilungen leiten, weiterhin ein hohes Maß an Autonomie zu ermöglichen, Kontakte und Netzwerke zu pflegen und der Öffentlichkeit zu vermitteln, was hinter den Türen in R 5 eigentlich genau passiert. Ins öffentliche Bewusstsein kam das IDS – das die größte auf die deutsche Sprache bezogene Institution ist – zuletzt vor allem in seiner Funktion als Geschäftsstelle des 2004 gegründeten Rats für deutsche Rechtschreibung. Das Gremium macht Vorschläge in Bezug auf Orthografie und Zeichensetzung und hat sich zuletzt zum Beispiel mit der Idee durchgesetzt, das Versal-Eszett als eigenen Buchstaben einzuführen. Für Henning Lobin ist die Sprache ein faszinierender und sich stets weiterentwickelnder Forschungsgegenstand. Über den er sich auch nach Feierabend noch austauschen kann: Seine Frau arbeitet als Professorin für italienische und französische Sprachwissenschaft an der Universität Mainz.

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