Rheinpfalz Fehlerhafte Implantate: Der inszenierte Skandal

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Grob gerechnet musste in 2,6 Prozent der dokumentierten Fälle nachgebessert werden – 40 Prozent dieser Probleme verursachen aber nicht defekte Geräte, so das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Das Mediengeschrei um verpfuschte Implantate ist heillos überzogen. Es sind weniger Fallzahlen, als es scheint. Und viele Probleme haben nichts mit Medizintechnik zu tun.

Fehlerhafte Implantate machen Patienten immer mehr zu schaffen, behauptete ein investigatives Journalistenteam diese Woche. Aber: Sind die Pauschalvorwürfe gegen die Medizintechnik-Hersteller und die mangelhafte staatliche Kontrolle seriös? 14.034 gemeldete Fälle stehen im Raum, Tendenz steigend. Nimmt man nur die 2017 in Deutschland eingesetzten Hüft- und Kniegelenke, Schrittmacher und Defibrillatoren, wurde insgesamt 532.000-mal operiert. Nachgebessert werden musste demnach in 2,6 Prozent der Fälle. Auch wenn jeder Einzelfall schlimm ist und schwarze Schafe keine Chance haben dürfen: Rechtfertigen 2,6 Prozent eine Skandalisierung nach dem Motto „Massiver Pfusch am Implantat“? Zumal vor dem Hintergrund, dass nicht nur die Anzahl der Operationen steigt, sondern Komplikationen inzwischen auch disziplinierter gemeldet werden.

Probleme mit Unverträglichkeiten

Viele der registrierten Probleme gehen nicht vom defekten Implantat aus, sondern sind Unverträglichkeiten, die etwa in chronische Entzündungen münden. Beispiel: Den Recherchen des Journalistenteams zufolge wurden im vergangenen Jahr 3170 Brustimplantate herausoperiert, weil das Gewebe um die Silikonkissen schmerzhaft vernarbt war; gemeldet worden seien nur 141 dieser Fälle. Solche Vernarbungen, Kapselfibrosen genannt, haben aber meist nichts mit defekten Implantaten zu tun, sondern sind eine Fremdkörperreaktion oder treten gehäuft nach Bestrahlungen oder Komplikationen wie Nachblutungen auf. Einen echten Skandal mit minderwertigen Brustimplantaten gab es zuletzt 2010. Die Politik hat wieder einmal ganz schnell reagiert und Abhilfe versprochen. Die es nicht geben kann. Wie auch? Testpersonen etwas einbauen und zehn Jahre warten, um zu schauen, ob es hält, das geht nicht, auch weil die Kosten explodieren würden. Da hilft kein Geschrei nach mehr klinischen Studien. Es ist nun einmal so, dass vieles in der Medizin einfach ein groß angelegter Freilandversuch ist, allen Zulassungsverfahren zum Trotz. Langzeiteffekte sind unkalkulierbar. Den allermeisten Menschen wird trotzdem erst einmal geholfen.

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