Rheinpfalz „Für kurzfristigen Profit der Aktionäre“

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„Dieses Werk ist seit 1203 Tagen unfallfrei“, verkündete gestern Morgen eine LED-Leuchtanzeige über dem Bexbacher Haupttor jener Firma, zu der sie hier alle nur Alstom sagen. Dabei trägt der Betrieb seit November den Namen GE Power – nach dem US-Konzern General Electric, der seinem französischen Mitbewerber Alstom Ende 2015 dessen Energie-Sparte abgekauft und sich damit im Bieter-Rennen gegen die deutsche Firma Siemens durchgesetzt hat. „Wir glauben, dass es den Amis schlicht und einfach darum gegangen ist, sich einen europäischen Konkurrenten vom Hals zu schaffen“, zeigte sich Betriebsratschef Kai Müller gestern Morgen fassungslos. Während des 18-monatigen Übernahmeprozesses hätten die Käufer des Bexbacher Werks stets betont, durch die Zusammenlegung zweier weltweit führender Industrie-Riesen eine „schlagkräftige neue Allianz am Markt“ schmieden zu wollen. Jetzt ist der Beschluss, die frühere Alstom-Fabrik Ende 2017 ersatzlos dichtzumachen, für Müller der letzte Beweis „für eine konsequente Strategie des Managements, die von Anfang unweigerlich auf das zugesteuert ist, was wir hier jetzt vor uns haben“. Einziger Antrieb für den Kauf sei offenkundig „der kurzfristige Profit der Aktionäre“ gewesen. Vor diesem Hintergrund sei es auch zu verstehen, dass bereits vor einigen Monaten erste Kündigungen ausgesprochen und die Bexbacher Belegschaft von 240 auf 162 Mitarbeiter zusammengestrichen worden sei: „Die Schließung unseres Werks war offensichtlich schon lange vor dem Abschluss des Deals beschlossene Sache“, schlussfolgert Müller. Nun sind die 162 in Bexbach verbliebenen Beschäftigten von dem unternehmerischen Federstrich jenseits des Großen Teichs unmittelbar betroffen. „Viele von ihnen sind Mitte 40“, erläutert der Betriebsratsvorsitzende auf Anfrage: „Obwohl sie alle hervorragend qualifizierte Metall-Facharbeiter sind, wird es für sie nicht leicht, einen neuen Job zu finden.“ Werden Auffang- oder Qualifizierungsgesellschaften gegründet? Sind Abfindungen geplant? „Keine Ahnung – das wissen wir alles noch nicht“, war für Müller die gestrige Schließungs-Ankündigung „noch zu frisch, um schon Näheres zu wissen“. Gestern Morgen wurde die Bexbacher Belegschaft zur Betriebsversammlung zitiert, in der es dem Vorstandsvertreter Detmar Kampmann oblag, dem saarpfälzischen Personal die Hiobsbotschaft zu übermitteln. Kampflos die Flinte ins Korn werfen wollen Kai Müller und seine Mitstreiter aber keineswegs. In zwei Bussen reisten am gestrigen Mittwoch 100 Bexbacher Mitarbeiter an den früheren Alstom-Hauptstandort Mannheim, an dem der Vorstand für die Kraftwerksparte residiert: Allein am dortigen Standort droht jetzt 1000 der 1700 Beschäftigten die Entlassung. „Zusammen mit Wirtschaftsberatern vom Info-Institut sind wir dabei, wirksame Konzepte für einen profitablen Weiterbetrieb unseres Werks auszuarbeiten“, sagt der 42-Jährige, der auch Vorsitzender des europäischen Gesamt-Betriebsrats seiner Firma ist. „Wir verlangen von der Konzernspitze einen kompetenten Ansprechpartner, der mit uns über diese Konzepte verhandelt. Bekommen wir den nicht, werden wir unseren Protest laut auf die Straße tragen.“ Den Vorstand rief er auf, „zu erklären, warum Bexbach zum Bauernopfer für eine milliardenschwere Marktbereinigung werden soll“. „Dabei wäre für uns hier in Bexbach genug Arbeit da“, ist Kai Müller überzeugt: Die wichtigsten Produktionsbereiche des Werks, das Turbinenschaufeln für Kraftwerke fertigt, seien erst auf Anweisung von General Electric geschlossen worden. Zurzeit würden dort „nur noch kleine Turbinenschaufeln für Gas- und Dampfkraftwerke produziert“, berichtet Werner Cappel von der IG Metall Homburg-Saarpfalz: „Komplette Bexbacher Produktionsbereiche“ seien „an einen Standort in der Schweiz ausgelagert“ worden. Erst zu Wochenbeginn seien in Bexbach die letzten Maschinen für die Fertigung größerer Schaufeln abmontiert worden. „Da ist es schon fast pervers“, klagt Kai Müller, „dass uns das Management von General Electric jetzt erklärt, dass der Konzern seine verbliebenen Produkte künftig nicht mehr selbst fertigen will. Geplant ist, die großen Schaufeln bei einem Fremd-Unternehmen aus China einzukaufen.“ Dass die Konzernführung unter anderem die deutsche Energiewende als Argument für ihren Kahlschlag ins Feld führe, mag Kai Müller nicht hinnehmen: „Das bedeutet doch nicht, dass auf dieser Welt keine Kraftwerke mehr gebaut werden.“ Wirtschaft

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