Kultur Südpfalz Ein unermüdlicher Mahner
Weißbier auf der Bühne (alkoholfrei!). Sonst gähnende Leere – bis auf einmal ein kleines Männchen mit explodierten Haaren und einem scheußlichen Hemdengeschmack am Freitag in der Jugendstilhalle in Landau erschien. Urban Priol gab sich die Ehre und hielt sein Publikum fast drei Stunden (!) in Atem.
In seinem neuen Bühnenprogramm „Tilt!“-Jahresrückblick 2014 wetterte der Kabarettist zwischen Clownerie und brutaler Schärfe über alles was sich auf der politischen Schaubühne in diesem unserem Lande bewegt. Intelligent und heimsuchend legt er alles frei und bohrt darin rum. Ohne mit der Wimper zu zucken. Eigentlich hätte er die Rückblicke zwischen 2008 und 2012 nehmen können, meinte er, da hatte die FDP wenigstens noch ein Röllchen, sonst ist aber fast alles gleichgeblieben. Doch halt! Angefangen hat dieses Jahr mit einem Unfall der Bundeskanzlerin im Langlauf. Dieses Loipenluder, nicht mal Langlauf kann sie. Was soll’s, sie regiert ja sowieso schon mit „Krücken“. Klimaschutz, Sterbehilfe, Buffalo und Hannovers „Brunsprinz“ wurden scharf analysiert. Nebenbei bemerkt er, das aus dieser Gegend auch einige andere „Gestalten“ kommen, wie Schröder, Gabriel, Rössler, Von der Leyen – oder die „Scorpions“. 25 Jahre Mauerfall. Die Kerzen von Leipzig brachte die Mauer zum Schmelzen, toll! Jetzt Silberhochzeit gefeiert – und auseinandergelebt. Noch schlimmer allerdings, merkt der Satiriker an, ist das neue Buch von Altbundeskanzler Helmut Kohl. Blödsinn gegen Revolution, mit Messer und Gabel. Die Heiligsprechung von Johannes Paul II. erfolgte nach Priols Auffassung im Verhältnis zu der Schnelligkeit des Vatikans ziemlich rasch, da dieser Pontifex so menschlich und ungewöhnlich war. Beim „Wundercasting“ für J. P., den Zweiten, sprang sogar eine gelähmte Nonne aus ihrem Rollstuhl und schrie: Ich kann wieder sehen. Ja, Priol hat alles gesehen. Wurde nämlich auf „Sky“ übertragen. Zu Seehofers Aussage: „Bayern darf nicht Vorhölle des Balkans werden“, fügt er nur trocken an: Wenn zu viele Rumänen in Deutschland sind, schließen sogar die Polen eine Hausratsversicherung ab. Der Maut-Dobrindt will Gebühren nur für Ausländer. Hat dieser mentale Einzeller noch nicht gemerkt, dass alle dafür bezahlen müssen? Ach ja, unsere schönen Reichs-Autobahnen. Auch „ Loddar“ Matthäus, die Sommerzeit und Depardieu kamen nicht zu kurz. Genauso Hans-Peter Friedrich, ehemalige Agrar- und Innenminister, wurde zum Baueropfer im Falle Edathy. Dieser fiese Typ wiederum warf dem Bundeskriminalamt Versagen vor. Wenn das nix ist! Bundeskanzlerin Merkel hat darüber nichts gewusst und erst in der „Bäckerblume“ davon Wind bekommen – oder war’s die „Apotheken-Rundschau“? Krieg an der Krim – wie geht es weiter? Ursula von der Leyen mit Bomberjäckchen an der Front, au weia! Diese trägt sie von Bush auf. Zwei Ministerien habe sie ja schon mit aasigem Lächeln in die Verendung geschickt. Dafür werden die Panzer in Zukunft mit Maxi-Cosis ausgerüstet und Kasernen zu Kindergrippen umfunktioniert. Miss-Management und Miss-Erfolge sind für Urban Priol gleich von der Leyen und Merkel: das unglaubliche Dream-Team. Ach ja, die Deutschen erwägen, das Russland wegen den Kriegswirren nicht zum Song-Contest zugelassen wird. Strafe muss sein. Auch über Gauck, den Gralshüter der Freiheit, Amazon, ein raffgieriger Konzern, der uns für dumm hält, und dieses unvorstellbare „Fracking“ wurde gelästert. Urban Priol ist ein unermüdlicher Mahner, der nichts unversucht lässt, den Lauf der Dinge zu hinterfragen und den Finger in die Wunde zu legen. Es sollte mehr Kabarettisten dieser Sorte geben. Übrigens, dieses eigenartige Hemd, das er in der Festhalle trug, war an ihm schon 2013 auf der Bühne in Landau zu sehen. (alve)