Rheinpfalz „Ein Ort, an dem viele Dinge passieren“

Mitarbeitertour zu einem neuen Zoar-Standort: Am alten Bahnhof in Kirchheimbolanden will das Evangelische Diakoniewerk mit Sitz
Mitarbeitertour zu einem neuen Zoar-Standort: Am alten Bahnhof in Kirchheimbolanden will das Evangelische Diakoniewerk mit Sitz in Rockenhausen das Großprojekt »Wohnen, Lernen und Arbeiten« umsetzen. Hier erläutert Architekt Walter Mizera (links) die Planungen.

Auch wenn es vermutlich noch bis Frühjahr 2020 dauern wird, bis die Bagger anrollen, so ist man beim Evangelischen Diakoniewerk Zoar schon mitten in der heißen Phase der Entwicklung eines Großprojektes, das am Bahndamm in Kirchheimbolanden geplant ist. Dort sollen ein Berufsbildungszentrum, eine Werkstatt und zwei Wohnhäuser entstehen. Der Startschuss für die Mitarbeiter zu diesem Projekt fiel jüngst am Hauptsitz Inkelthalerhof bei Rockenhausen.

Und dort soll, das betont Zoar-Direktor Peter Kaiser, weiterhin der Hauptsitz von Zoar bleiben – auch wenn ein weiterer Standort hinzukommen wird. Zusammen mit rund 50 Mitarbeitern blickte er bei einer „Kick-off-Veranstaltung“ in der Zoar-Caféteria zunächst einmal in die Vergangenheit, erzählte von Zielen, die man sich gesetzt habe – von einer Idee: „Der Inkelthalerhof soll in Zukunft ein attraktiver und inklusiver Stadtteil von Rockenhausen werden.“ Die Grobidee sah so aus, dass dort Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zusammen leben. Sie habe aber auch vorgesehen, dass einige Bewohner vom Inkelthalerhof in dezentrale Häuser umziehen – wieder in die Nähe ihrer Heimat. So seien in Ludwigshafen ein stationäres Wohnangebot für 24 Menschen mit Beeinträchtigung und dazu 17 Ein- und Zweizimmer-Appartements für den freien Wohnungsmarkt entstanden. „Dort gibt es ein inklusives Miteinander. Immer, wenn ich dort hinkomme, sitzen die Menschen zusammen.“ In diese Richtung denkt der Vorstand auch bei dem Projekt in Kirchheimbolanden. Und noch einen Schritt weiter. Dabei seien Mitarbeiter aus Alzey und Rockenhausen bei der Entwicklung eingebunden gewesen – und sie sollen es auch bei der weiteren Planung sein, betonte Kaiser. Wie Iris Frey-Gingel von der Zoar-Regionalleitung Rheinhessen erläuterte, sind auf dem rund 6000 Quadratmeter großen Gelände am alten Bahnhof in Kirchheimbolanden vier „Gebäudekonzepte“ vorgesehen. „Zwei davon sollen Wohnungen beherbergen.“ Eines ist für 20 Menschen mit Beeinträchtigung gedacht. Dort sind zudem vier Appartements für Menschen geplant, die ambulante Assistenzleistungen erhalten. Ein zweites Wohnhaus ist für 24 Menschen mit oder ohne Beeinträchtigung vorgesehen. Dort sollen nach den Regeln des inklusiven Wohnens diverse bedarfsorientierte Serviceleistungen in Anspruch genommen werden können. Zunächst sollen die Häuser aber als Ausweichquartiere für Bewohner des Inkelthalerhofs dienen, so Frey-Gingel. Dort ist nämlich bis 2023 der Rückbau und Neuaufbau der beiden Bodelschwingh-Häuser vorgesehen. „Im Erdgeschoss beider Häuser in Kirchheimbolanden sollen vorübergehend geschützte Wohneinheiten für zwölf Menschen mit besonderem Teilhabebedarf und besonderer Betreuung entstehen“, so Frey-Gingel. Prinzipiell könne sie sich einen schönen, abgeschlossenen Innenhof zwischen den beiden Gebäuden vorstellen. „Die Menschen sollen dort in familienähnlichen Strukturen leben.“ Das in Einzelappartements oder Zweierwohnungen. Eine Begleitung oder Unterstützung in Form von Serviceleistungen erfolge nach Bedarf durch Mitarbeiter. So könnten die Menschen dort mit Mitarbeitern gemeinsam kochen, waschen oder putzen. Ein weiterer Bestandteil des Projekts „Wohnen, Lernen und Arbeiten“ sind ein Bildungszentrum und Werkstätten, wie Claudia Mitulla, ebenfalls von der Regionalleitung Rheinhessen, sagte. Sie erinnerte daran, dass man sich seit geraumer Zeit Gedanken darüber mache, wie man das Problem der Platznot in den Werkstätten in Alzey lösen kann. „Verschiedene Objekte wurden angeschaut und wieder verworfen“, berichtete Mitulla. Nun habe man sich für das Projekt in Kirchheimbolanden entschieden, zu dem eine Werkstatt mit 60 Plätzen gehört für Menschen mit Beeinträchtigung, die bislang in Rockenhausen oder Alzey arbeiten oder ihre berufliche Bildung dort absolvieren. Auch 18 Plätze für die berufliche Bildung werden erwogen. Mitulla will in diesem Gebäude aber auch Synergieeffekte nutzen, wie sie erzählte. Morgens könnten so die Räumlichkeiten für den Berufsbildungsbereich, abends für Angebote der Jugendhilfe zur Verfügung stehen. Es sei aber auch denkbar, dass die Volkshochschule oder Vereine die Räume nutzen. „Es soll ein Ort werden, an dem ganz viele Dinge passieren können.“ Wie dies alles im Detail aussehen wird, das soll gemeinsam erarbeitet werden. „Wir werden möglichst viele Mitarbeiter mit ins Boot nehmen“, kündigte Mitulla an. Ähnlich sieht es auch für die Werkstätten aus. Dort könne man sich beispielsweise eine Gartenbaugruppe vorstellen. Grundsätzlich wolle man „was Interessantes, was andere Werkstätten nicht machen“. Mitulla will Ideen weiterentwickeln – in Workshops mit Kollegen. Das wiederum hat dann auch Auswirkungen auf die Struktur der Gebäude, wie Anne Rohmer vom Zoar-Bauwesen sagte. „Die Gebäude müssen für die Klienten und Nutzer funktionieren.“ Und Iris Frey-Gingel fügte an: „Wir müssen dem Planer und Architekt sagen, was wir in den Gebäuden machen möchten.“ Und auch wenn es bis zum Baustart im Frühjahr 2020 noch einige Zeit ist, so drängt genau diese. Die Verabschiedung der baulichen Bedarfsplanung sei Mitte September vorgesehen. Keine Frage also, dass im Evangelischen Diakoniewerk nun so manche Köpfe rauchen werden. Das weiß natürlich auch Direktor Peter Kaiser. Er sagte, dass sich so mancher Mitarbeiter in der Zukunft auf Veränderungen einstellen muss. So wie Zoar in einem Veränderungsprozess sei. „Wir müssen zeigen, was wir sind, ein agiles Unternehmen. Agil heißt beweglich, das müssen auch die Mitarbeiter sein. Es kommen völlig neue Aufgaben auf sie zu.“ Agil, das waren die Mitarbeiter an diesem Tag tatsächlich. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg nach Kirchheimbolanden und schauten sich mit Architekt Walter Mizera das Gelände an, auf dem das zehn bis zwölf Millionen Euro teure Projekt „Wohnen, Lernen und Arbeiten“ umgesetzt werden soll.

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