Rheinpfalz Druckfrisch

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Alle fünf Jahre gibt es in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Diez eine Menge zu tun. Dann konstituiert sich in Mainz nämlich ein neues Parlament, das wiederum die Regierung bestimmt. Und diese Regierung sah bisher immer mal mehr oder mal weniger anders aus als die Vorgängerregierung. Was das mit dem Gefängnis in Diez zu tun hat, in dem die besonders harten Jungs einsitzen? Ganz einfach: Die JVA hat eine hauseigene Druckerei und nimmt Aufträge für Visitenkarten, Briefbögen oder andere Druckerzeugnisse entgegen. Die Landesregierung gehört zu den Stammkunden, daneben lassen aber auch Behörden, öffentliche Einrichtungen und selbst Privatfirmen den einen oder anderen Papierbogen in Diez bedrucken. Gibt es genug zu tun, arbeiten dort täglich 70 Inhaftierte, sagt Anstaltsleiter Josef Maldener. Wenn die neue Integrationsministerin Anne Spiegel (Grüne), der neue Wissenschaftsminister Konrad Wolf (parteilos), Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP), Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) oder Justizminister Herbert Mertin (FDP) demnächst ihre druckfrischen Visitenkarten verteilen, dann kommen diese geradewegs aus dem Knast. Bei den genannten Neulingen in der Regierung ist es nicht verwunderlich, dass sie neue Karten brauchen. Doch auch Innenminister Roger Lewentz (SPD) oder Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) müssen sich mit neuen Karten und persönlichen Briefbögen eindecken, weil sich ihre Zuständigkeiten in der Regierung geändert haben, was sich auch im Namen ihrer Ministerien widerspiegelt. Das Innenministerium ist wieder das Ministerium des Inneren und für Sport, wie es vor 2011 auch hieß. Der Infrastrukturbereich ist an das Wirtschaftsministerium abgewandert. Das Umweltministerium musste den Bereich Landwirtschaft abgeben, hat aber die Energie gewonnen. Also heißt es nun Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten, abgekürzt MUEEF. Vielleicht ließ Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) schon alleine deshalb bei den Koalitionsverhandlungen nicht an ihrem Ministeriumszuschnitt herumschnippeln, um Kosten für neue Druckerzeugnisse, Stellwände, Türschilder und, und, und zu sparen. Neben ihr kann nur Sozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler nahtlos ihre alten Visitenkarten weiterverteilen. Apropos Kosten: Wer bei der JVA oder in dem einen oder anderen Ministerium fragt, was diese Umstellung denn in Euro und Cent ausmacht, hört allenthalben nur ein: „Das kann ich wirklich nicht sagen.“ Naja, die rot-gelb-grüne Landesregierung beziffert ja auch nicht, wie viel es kostet, dass es nun ein Ministerium mehr gibt als zu rot-grünen Zeiten. Einer Sprecherin entfährt beim Blick auf ihren dicken Reststapel an Visitenkarten der Satz: „Mein Freund, der Baum ist tot.“ Der Sprecher eines anderen Hauses sagt, er brauche die restlichen Visitenkarten auf. Erst dann lasse er neue drucken. So lernen die Inhaftierten in der JVA Diez nach und nach alle Mitglieder und Mitarbeiter der Landesregierung kennen. Bis zur Wahl 2021 darf der eine oder andere sicher schon aus Fenstern mit weniger Gittern davor auf das politische Mainz schauen.

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