Rheinpfalz Die Luxussause

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Mainz. Die Älteren werden sich noch erinnern: Zeugnisübergabe in der Schul-Aula, eine Rede des Direktors, eine Rede des Schülersprechers, dazu vier Musikstücke des Schulorchesters. So sahen früher Abiturfeiern aus. Das hat sich längst gründlich geändert. Riesenhallen und Arenen werden gemietet, die Damen und Herren Abiturienten erscheinen im edlen Outfit, Cateringunternehmen stellen erlesene Buffets zusammen, professionelle Discjockeys führen durch den großen Abend mit Ball und Galadiner. Die Luxusfeten verschlingen inzwischen hohe fünfstellige Summen. Birgit Kroj aus Trier, Mutter von zwei Kindern, ist froh, dass dieses Jahr alles im Rahmen bleibt. Ihr Sohn Milan wird sein Abitur in einer Schulturnhalle feiern, ohne Pomp und Glamour. Hollywood bleibt draußen. Milans Schwester Vera dagegen hat im vergangenen Jahr mehr als einen Hauch von Hollywood erlebt. Der Abiturjahrgang 2015 am Trierer Humboldt-Gymnasium hatte sich entschlossen, den Schulabschluss auf die pompöse Art zu feiern, mit allem Drum und Dran. Der Organisationsausschuss mietete für die 90 Abiturienten die größte Halle, die in der Moselstadt zur Verfügung steht, die Trier-Arena. Die Jungs erschienen durchweg im feinen Anzug, „einer hatte sogar einen Smoking an“, erinnert sich Vera. Die Mädels hatten alle einen Extra-Friseurbesuch hinter sich gebracht, die meisten schicke, brandneue Abendkleider an, für die sie einige Hundert Euro investiert hatten. „Die waren teilweise aufgetakelt wie Filmstars“, amüsiert sich Mutter Birgit noch heute. Der Cateringservice der Trier-Arena, gut und teuer, hatte für eine perfekte Atmosphäre gesorgt. Die Tische waren festlich eingedeckt, Sekt, Wein und Buffet von exzellenter Qualität. Hinzu kamen Extraideen der Organisatoren, die ebenfalls gut und teuer waren und Extrageld kosteten. Eine spezielle Beleuchtung, ein Schokoladenbrunnen und als Höhepunkt eine Showtreppe, auf der die Abiturenten für die Erinnerungsfotos posierten. Die Nacht wurde lang, ein DJ legte auf, sorgte für beste Stimmung und kostete auch wieder Geld. Alles kostete Geld. Die rauschende Feier war nicht umsonst zu haben. Insgesamt haben die Schüler für das Fest in der Arena rund 23.000 Euro hingelegt. Drei Jahre lang, die ganze Oberstufe hindurch, wurde für den glanzvollen Abschluss gesammelt. Trotzdem mussten Schüler und Eltern für die Arena noch einmal Eintritt bezahlen, 25 Euro pro Person. „Wenn man dazu noch kleinere Posten rechnet wie die Abizeitung oder den Abipullover, kommt jede Familie mindestens auf ein paar Hundert Euro, die sie für die Sause rund ums Abitur investieren muss“, rechnet Vera vor. Und Mutter Birgit meint: „Ich halte das Ganze für übertrieben. Man sollte mal die Kirche im Dorf lassen.“ Unterstützung für ihren Standpunkt findet Birgit Kroj beim Leiter des Humboldt-Gymnasiums, Oberstudiendirektor Ralph Borschel. Die Megafete 2015 liegt ihm noch heute im Magen. „Wir haben uns wegen des hohen Aufwands Kritik von Eltern eingehandelt“, sagt er. „Und zwar völlig zu Recht. Da wurde zu sehr aufgedreht.“ Der Direktor weiß genau, dass es Familien gibt, die mit den Kosten für solche Galafeiern überfordert sind. Gewöhnlich dringt das aber nicht nach außen, weil niemand ausscheren und damit das eigene Kind zum Außenseiter stempeln will. Also halten auch sozial schwache Eltern auf Gedeih und Verderb mit, und die Luxusspirale dreht sich weiter. „Vor ein paar Jahren wollte die Abiturklasse sogar einen roten Teppich mieten“, erinnert sich Borschel. „Wie bei der Oscar-Verleihung.“ Als die Schüler erfuhren, dass das 500 Euro extra kostet, haben sie es dann doch gelassen. Aber der generelle Trend zur Prunk- und Prachtentfaltung ist ungebrochen. Bundesweit liegen die Schüler des Trierer Humboldt-Gymnasiums keineswegs an der Spitze. Abifeiern haben auch schon 50.000 oder 70.000 Euro gekostet. Viele Cateringunternehmen haben sich bereits auf die glanzvollen Abschlussfeiern spezialisiert und bieten ihre Dienste an. „Dein Abiball in Top-Locations“, wirbt die Firma Abitraum aus Berlin und fügt gleich hinzu, dass sie auch bei der Suche nach Sponsoren behilflich ist. Denn ohne großzügige Gönner sind manche der Riesenfeten nicht mehr zu finanzieren. Inzwischen formiert sich allerdings auch Widerstand gegen die Superfeten. So mahnte beispielsweise der Förderverein eines Gymnasiums seine Abiturienten: „Ihr müsst nicht die anderen Jahrgänge übertreffen“, und er hat auch ein kritisches Wort für die Unternehmen übrig, die den Abiturienten prunkvolle Galas mit vielen Extras aufdrängen wollen: „Die wollen nur Euer Geld und bauen auf Eure Unerfahrenheit.“ Auch immer mehr Schuldirektoren plädieren für eine Rückkehr zum Normalmaß, vor allem mit Rücksicht auf finanzschwache Familien. Unterstützung finden sie beim Vorsitzenden des Landeselternbeirats Rheinland-Pfalz, Thorsten Ralle (Ludwigshafen). „Wir sehen den Trend zu immer größeren, aufwendigeren, protzigeren Abiturfeiern mit Sorge“, sagt er. Man werde demnächst im Landeselternbeirat darüber reden. Und sein Vorstandskollege Werner Dörr ergänzt: „Wenn wir nicht aufpassen, bekommen wir eine Entwicklung wie in den USA, wo der Highschool-Abschluss zu wahren Exzessen führt. Das müssen wir unbedingt vermeiden.“ Da hat er Ralph Borschel ganz auf seiner Seite. Der Direktor des Trierer Humboldt-Gymnasiums hat es durchgesetzt, dass diesmal die Abiturfeier in der Schulturnhalle des befreundeten Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums stattfindet. Für 5000 Euro. Vergleichsweise bescheiden. „Und das kann auch ein schöner Abend werden“, sagt Borschel: „Das hängt nicht vom Geld ab.“ In Neustadt haben es die Abiturienten dagegen gerade mit einer Doppelstrategie versucht: Sie wollen weiter die beste Stube der Stadt, den Saalbau, für ihren Ball anmieten, hätten diesen Veranstaltungsort aber am liebsten kostenlos. Für ihren Vorstoß bekamen die Schüler jetzt sogar Unterstützung von der SPD-Stadtratsfraktion. Doch die Tourist-, Kongress- und Saalbau GmbH sieht keinen Handlungsbedarf. Zwischen 2500 und 3500 Euro koste die Saalbau-Miete für Neustadter Schulen. Das sei etwa halb so viel wie das, was auswärtige Schulen zahlten. Dennoch sei der Saalbau auch bei Gymnasien aus der Nachbarschaft für die Abschlussfeiern beliebt. Info Landeselternbeirat Rheinland-Pfalz: leb.bildung-rp.de

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