Rheinpfalz Datenschutz und Informationsfreiheit
„Darf man eigentlich die Namen ehemaliger NSDAP-Mitglieder einfach veröffentlichen, obwohl die Betroffenen oder ihre Nachkommen das gar nicht wollen?“ Das war eine der Fragen, die anlässlich eines „Chronik-Treffs“ in den Vereinsräumen des Heimat- und Kulturvereins Ostertal in Niederkirchen debattiert wurden.
Acht Interessierte hatten sich zu der Gesprächsrunde zusammengefunden, zwei weitere hatten Einzeltreffen mit dem Mitautor des Chronik-Bandes, Hans Kirsch, vereinbart. Dieser ging in seinen Ausführungen zunächst auf das Spannungsverhältnis von Datenschutz (für den Betroffenen) und Informationsfreiheit (für den Autor) ein. Grundrechtlich geschützt seien zunächst nur die Daten von lebenden Personen. Die Daten Verstorbener seien allerdings ebenfalls nicht schutzlos. Das könnte einerseits – mit Blick auf die Nachkommen – bei Krankheiten oder psychiatrischen Behandlungen Berücksichtigung verlangen, andererseits habe das Bundesverfassungsgericht einen sogenannten postmortalen Persönlichkeitsschutz eingeführt. Dieser resultiere aus der Verpflichtung zum Schutz und zur Achtung der Menschenwürde, die nicht mit dem Tod ende. Allerdings, so Kirsch, seien bei Verstorbenen – im Gegensatz zu Lebenden – nicht mehr sämtliche Informationen geschützt. Geschützt seien jetzt nur noch solche Informationen, die den Betreffenden in seiner Menschenwürde verletzen könnten, besonders unwahre, entstellende und verleumderische Aussagen. Tatsächliche, wahre Angaben über den Verstorbenen seien dagegen, unabhängig davon, ob sie ihm zur Ehre gereichen, nun nicht mehr geschützt. Deshalb seien, so Kirsch, Mitgliedschaften in der NSDAP, SED, KPD oder die Mitarbeit in SS, SA, Gestapo oder Stasi, soweit sie zutreffen, nicht vom „postmortalen Persönlichkeitsschutz“ erfasst und dürften deshalb veröffentlicht werden. Die „Chronik“-Autoren hätten bislang im Bundesarchiv Berlin 285 Namen ehemaliger NSDAP-Mitglieder aus den sieben Gemeinden der ehemaligen Bürgermeisterei Niederkirchen festgestellt; von diesen lebten derzeit noch zwei. Weitere 15 Parteimitglieder – hauptsächlich Lehrer – hätten hier gelebt, ohne sich in die NSDAP-Ortsgruppe Niederkirchen umzumelden. Insbesondere bei den Themen Euthanasie und Zwangssterilisation habe man, so berichtete Kirsch weiter, auf Seiten der Opfer eine strenge Anonymisierung vorgenommen. Hier gehe es regelmäßig um psychische und körperliche Erkrankungen und Behandlungen, so dass eine Veröffentlichung von Namen die Betroffenen ein zweites Mal zu Opfern machen würden. Zwar seien die Vorgänge genau geschildert, aber alle Möglichkeiten zur Identifizierung seien getilgt. In dem Buch, so Kirsch, würden vier Euthanasie-Fälle dargelegt. Mindestens 16 Personen aus der Bürgermeisterei – vermutlich aber noch mehr – seien zwangssterilisiert worden. Info Zu einem weiteren „Chronik-Treff“ will Kirsch am Montag, 9. Januar, 18 Uhr, nach Hoof in den Dorfladen „Bistro“ kommen. Er werde dort zunächst etwas über das Thema „Tödliche Messerstiche am 7. Juli 1930 in Hoof“ sagen. Anschließend können alle Fragen, die das Buch aufwirft, behandelt werden. |rhp