Rheinpfalz Das Kunstwerk im Baum

„Vom Baumstamm bis zum fertigen Kunstwerk“ heißt die Führung, die der Künstler Erwin Würth anbietet. Sie beginnt in seiner 120 Jahre alten Sägewerkstatt, in der er sich Baumstämme selbst zurecht schneiden kann. Er zeigt zunächst ein „krummes Brett“, das „für Schreiner unbrauchbar ist“. Als sich herausstellt, dass dieses eine Sauna-Liege werden soll, verstehen die Besucher, worauf es ankommt. Man muss einen „Blick für die Natur haben und das Kunstwerk sehen, bevor es unter die Säge kommt“, erklärt Würth.

„Ich kann dreidimensional durch den Baum sehen und erkenne ein Kunstwerk sofort“, ja sogar beim Vorbeifahren habe er schon einen geeigneten Baum entdeckt, sagt Würth. Danach fordert er weiter die Kreativität der Gäste und präsentiert Baumstämme, in denen eine Martinsgans, ein Hase, ein Herz, ein Musikinstrument und vieles mehr versteckt sind. Der 50-Jährige entdeckte sein Talent für Holzkunstwerke 1991 bei einem Urlaub in Dänemark. Erwin Würth sammelte angespültes Strandgut und fertigte aus den Hölzern ein Bild für seine Familie, dass er dann zu Hause aufhing. Freunde aus Mannheim waren begeistert von seinem Kunstwerk und organisierten bereits ein Jahr später eine Ausstellung für ihn. So erkannte der Schreiner eher zufällig seine Begabung – „wie die Jungfrau zum Kind“ kam er zur Kunst. Sein erstes Kunstwerk aus Strandgut kann man heute in seinem Atelier bewundern. Mittlerweile hat er bereits 168 Ausstellungen gemacht, führte weit über 1000 Besucher durch sein Atelier und schreibt gemeinsam mit seiner Frau Petra Bücher. Würth hat eine sonderpädagogische Zusatzausbildung und arbeitet als Betreuer in einer Werkstatt für psychisch kranke Menschen. In seiner Freizeit widmet er sich der Kunst und macht Führungen, Ausstellungen, Vorträge und Waldspaziergänge für Interessierte. Die Kunstwerke aus Strandgut werden „nicht geschnitten und nicht bearbeitet“, sie bleiben im ursprünglichen Zustand und werden nur auf unterschiedliche Weise zu einem Kunstwerk zusammengefügt. Inzwischen arbeitet er auch mit einheimischen Hölzern und Baumgeschwüren. Die Anwesenden stellen beim Halten der verschiedenen Holzplatten erstaunt fest, dass es trotz gleicher Größe deutliche Gewichtsunterschiede gibt. Dies erleben die Besucher auch bei den 52 Büchern aus 52 heimischen Holzarten und sind begeistert von der Idee, Kindern und Erwachsenen die Bäume so näher zu bringen. Würth erklärt, dass „Geschwüre sehr hart und dicht gewachsen“ sind und deshalb auch schwerer sind. „Jedes Holz hat sein eigenes Gewicht und sogar seinen eigenen Klang“ ergänzt der Schreiner. Außerdem steckt in Holz eine enorme Kraft und Energie, so sprengten die Römer mit drehwüchsigen Bäumen sogar ganze Felsen. „Ein Stück Holz kann bis zu zehn Prozent aufquellen, also kann ein Stamm von einem Metern Länge bis zu 10 Zentimeter wachsen“, macht Würth bewusst und die Teilnehmer nicken – überrascht von dieser „Wahnsinns Energie“. „Ja, ein Baum ist ein Lebewesen wie Sie und ich auch“, ergänzt Würth und erklärt, dass genetische Merkmale oder Verletzungen zu Geschwüren führen können. Diese können wie beim Menschen gutartig sein und heißen dann Maserknollen. Es gibt aber auch bösartige Krebsgeschwüre, an denen der Baum stirbt. Würth greift die Geschwüre auf und macht nach seinem Motto „aus Altem Neues“. Eine zentrale Frage im Leben des „engagierten und überzeugten Christen“ ist: „Wie gehe ich mit der Schöpfung um?“. Deshalb ist Würth sehr auf Nachhaltigkeit bedacht und verwendet in seinen Kunstwerken nur Strandgut oder Totholz. Außerdem stellt er seinen eigenen Apfelsaft her, verwendet Holzabfälle für neue Kunstwerke, hält Schafe zum Rasenmähen und heizt sein Haus mit Holz. Die Problematik wird den Teilnehmer sehr deutlich, als er einen Baumstamm, der 36 Jahre als Blumentopf dient, präsentiert und die Frage stellt, wie viele Plastik-Blumentöpfe derweil wohl verschließen wären. Würth möchte seinen „Glauben leben und authentisch sein“ und macht deshalb viele Projekte auch für die Kirche oder mit christlichem Hintergrund, so wie seine Franziskus von Assisi- Ausstellung, die er vorstellt. Die Führung geht weiter, an seinem Lager vorbei, wo die Hölzer je nach Beschaffenheit einige Jahre lagern, bevor sie in der Werkstatt mehrmals geschliffen, geölt, gewachst und poliert werden. Im Atelier kann man unzählige Werke bestaunen, von Eulen, Hasen und Vögeln über Kerzen, Lampen, Tische, Spiegel und vieles mehr. „Es gibt nichts, was man aus Holz nicht machen kann“, meint Würth. „Unheimlich beeindruckt“ sind die Gäste etwa vom Kunstwerk „Bruder Tod“, bei dessen Anblick man „den Schrecken vor dem Tod verliert“, oder von der Sonne, aus 48 verschiedenen heimischen Hölzern. Würth fertigt sogar individuelle Holzurnen an, stattete 18 Zimmer eines Hotels aus und baut zurzeit seine eigenen HolzArt-Appartements. Außerdem veranstaltet er am ersten Advent eine Ausstellung im Atelier, mit Live-Musik und Künstlern.

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