Rheinpfalz Birkenfeld:Landrat hält Kreis-Fusion für Hirngespinst

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Wichtiger Faktor: Die Bundeswehr ist mit 1500 Zivilbeschäftigten größter Arbeitgeber im Landkreis Birkenfeld. Das Bild oben zeigt die Klotzberg-Kaserne in Idar-Oberstein.

Trotz aufgeregter Diskussionen über die weitere Kommunalreform im Land ist Landrat Matthias Schneider zuversichtlich, was den Fortbestand des Kreises Birkenfeld angeht. „Die Gebietsreform ist momentan noch keine Baustelle“, sagt er im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Darin erteilt Schneider Fusionen mit anderen Landkreisen eine Absage und befürwortet stattdessen eine Vergrößerung des Kreises Birkenfeld um angrenzende Gebiete.

Die in dem Gutachten zur zweiten Stufe der Kommunal- und Verwaltungsreform ins Gespräch gebrachte Fusion von Birkenfeld mit den Nachbarkreisen Bad Kreuznach und Rhein-Hunsrück sei keine Option, sondern ein „Hirngespinst“, sagt Schneider, dessen zweite Amtszeit als Landrat am 20. Februar beginnt. Mit den Landratskollegen aus Kreuznach und Simmern hatte Schneider im September einen Zusammenschluss der drei Landkreise verworfen. Generell kritisiert er, das Gutachten sei zu technokratisch, Bürgernähe, kommunale Selbstverwaltung und interkommunale Zusammenarbeit würden darin zu wenig mitbedacht. Eine Zusammenlegung mit dem Nachbarkreis Kusel scheidet für ihn als Fusionsvariante ebenfalls aus. Dann müssten zwei „Todkranke“ in ein Bett, argumentiert er mit Hinweis auf die hohe Pro-Kopf-Verschuldung der beiden Gebietskörperschaften. Dabei wies laut Statistischem Landesamt Ende 2016 unter den 24 rheinland-pfälzischen Landkreisen Kusel mit 7360 Euro den höchsten Wert auf, gefolgt von Birkenfeld mit 5340 Euro je Einwohner.

Preußische Berge seien Trennlinie

Neben der Schuldenlast und der schwachen Wirtschaftskraft des Kreises Kusel führt Schneider noch ein geografisches Argument gegen ein Zusammengehen mit dem pfälzischen Nachbarn an. Die Preußischen Berge seien durchaus eine Trennlinie im Hinblick auf die regionale Identität. Erklärtes Ziel der Birkenfelder Kommunalpolitiker sei es, den Landkreis durch Arrondierung lebensfähig zu erhalten, sagt Schneider. In dieser Perspektive hält er eine Vergrößerung des Kreises Birkenfeld mit derzeit rund 80.000 Einwohnern um das Kirner Land, das zum Kreis Bad Kreuznach gehört, sowie um das ehemalige Amt Grumbach, das 1969 von Birkenfeld in den Kreis Kusel wechselte, für denkbar. Auch eine Gebietsergänzung im Zusammenhang mit der Nationalparkregion Hunsrück-Hochwald könnte zum Erhalt des Landkreises beitragen. Seit 2015 führt Birkenfeld den Titel „Nationalparklandkreis“.

Druck nötig, um "Hunsrückspange" zu realisieren

Handlungsbedarf sieht Schneider für die länderübergreifende Regionalplanung. Birkenfeld sei für die Planungsgemeinschaft Rheinhessen-Nahe Peripherie, registriert er. Für wünschenswert hielte er es, wenn etwa die Landkreise Birkenfeld, Kusel und St. Wendel bei der regionalen Planung enger zusammenrücken könnten. Für die ländlichen Gebiete erwarte er generell eine Renaissance, ergänzt der Kreischef. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung sieht der Landrat für den Kreis Birkenfeld durchaus Chancen. Mit dem Hochmoselübergang, der Ende 2019 fertig sein soll, verbessere sich die Verbindung zwischen Eifel und Hunsrück. Deshalb sei weiter Druck nötig, um die „Hunsrückspange“ als Anschluss an die B50 zu realisieren. Denn eine gute Anbindung an diese Nord-Süd-Verbindung sei ein wichtiger Standortfaktor. Für die Wirtschaft im Landkreis komme den 250 chinesischen Firmen eine wichtige Rolle zu, erläutert Schneider. Zehn Prozent der Gewerbesteuereinnahmen im Kreis zahlten die hier lebenden 650 Chinesen. In dem neuen Gewerbegebiet in Birkenfeld plane eine chinesische Firma den Bau eines Logistikzentrums.

150 chinesische Firmen im "Oak Garden"

Ein wirtschaftlicher Entwicklungskern ist Schneider zufolge Hoppstädten-Weiersbach. Im ehemaligen Wohnbereich der US-Armee und in direkter Nachbarschaft zum Umwelt-Campus Birkenfeld haben sich rund 150 chinesische Firmen im „Oak Garden“ angesiedelt. In Hoppstädten-Weiersbach will der Kochgeschirrhersteller Fissler ab 2020 seine komplette Produktion bündeln, die zum Teil noch am Stammsitz in Idar-Oberstein erfolgt. Dazu wird derzeit mit rund 14 Millionen Euro der Standort Neubrücke erweitert und modernisiert. Aus Sicht von Schneider kann der Landkreis auch damit punkten, dass hier „Eltern ihre Kinder in der Kita abgeben und später mit Hochschul-Abschluss am Umwelt-Campus Birkenfeld“ abholen könnten. Am Umwelt-Campus, der zur Hochschule Trier gehört, gibt es rund 2500 Studierende. Zwischen Campus und Bahnhof Neubrücke soll zudem für sechs Millionen Euro das neue Nationalparkamt entstehen, derzeit hat die Behörde provisorisch ihren Sitz in Birkenfeld. Für die Wirtschaftsförderung im Landkreis gibt es laut Schneider die Wirtschaftsförderungs- und Projektentwicklungsgesellschaft Birkenfeld mbH, die über drei Stellen verfügt. Größter Arbeitgeber im Landkreis ist unverändert die Bundeswehr mit rund 1500 Zivilbeschäftigten, gefolgt von Fissler und der Elisabeth-Stiftung Birkenfeld mit Krankenhaus, Berufsbildungswerk und Seniorenheim.

"Touristisches Entwicklungsland"

Dringliche Handlungsfelder für die Verwaltung sieht er in der betriebswirtschaftlichen Bewertung der Ausgaben im Sozial- und Jugendbereich. Im Frühjahr werde dafür ein Controller eingestellt. Dies sei auch nötig, weil bei sinkenden Einnahmen der Kirchen die Forderungen von Caritas und Diakonie an die Kommunen lauter würden, argumentiert er. Auf dem Prüfstand befänden sich ebenfalls die kommunalen Aktivitäten im Tourismus. „Wir sind touristisch ein Entwicklungsland“, sagt der Landrat. Die lokalen Tourismusbüros ähnelten nicht selten „Reisebüros aus dem letzten Jahrhundert“. Wie sich eine bessere Vermarktung der touristischen Anziehungspunkte, wie Nahetal, Erbeskopf, oder Nationalpark erreichen lasse, werde derzeit von einem Experten untersucht. „Wir müssen uns neu aufstellen“, folgert Landrat Schneider.

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»Wirtschaftlicher Entwicklungskern«: So nennt Landrat Matthias Schneider den Gewerbepark »Oak Garden« bei Hoppstädten-Weiersbach, in dem sich rund 150 chinesische Firmen angesiedelt haben.
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