Rheinpfalz „Billig muss sein“

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Schreiende Blondinen mit Silikonbrüsten, Kulissen aus Pappmaschee und eine miese Story. Warum schauen sich Menschen Trashfilme an? Der Wissenschaftler Keyvan Sarkhosh hat nachgehakt. Und Erstaunliches herausgefunden. Ein Interview von Andreas Schlick

Herr Sarkhosh, Sie forschen über Trashfilme. Was fasziniert Sie an cineastischem Abfall?

Obwohl Trash ein abwertender Begriff ist, steckt ein Qualitätssiegel dahinter. Viele Leute, die von Trashfilmen erzählen, tun das mit funkelnden Augen. Für sie ist ein schlechter Film gleichzeitig ein guter. Und dieses Paradoxon hat mich interessiert. Sie haben bei einer Studie herausgefunden, dass die Billigstreifen besonders von Menschen mit überdurchschnittlichem Bildungsniveau geschaut werden. Was ist da schiefgegangen? Es sind Leute, die mit einer ironischen Distanz auf diese Filme blicken. Wenn man sich mit Filmen auskennt, fühlt man sich von dem, was man täglich angeboten bekommt, vermutlich genervt. Der Mainstream ist vorhersehbar und langweilig. Selbst wenn Trashfilme schlecht gemacht sind, können sie doch erfrischend sein. Will sich die Trashfilm-Gemeinde vom Konfektionskinobesucher abgrenzen? Ja, irgendwie schon. Jüngere Menschen schauen diese Filme wohl auch, um ein Gruppengefühl zu entwickeln. Auch weil der Mainstream teilweise als zu verweiblicht wahrgenommen wird. Vermutlich waren deswegen 90 Prozent der Teilnehmer meiner Umfrage Männer. Der Film braucht also wieder mehr Testosteron. Man kann zumindest sagen, dass Trashfilme viele Menschen auf einem basalen Niveau ansprechen. Ich habe die Studienteilnehmer zum Beispiel gefragt, ob sexuelle Komponenten ein Grund sind, warum sie diese Filme schauen. Die meisten haben das verneint. Aber man darf nicht vergessen, dass bei solchen Fragebögen Leute eine Intimitätsgrenze haben und deshalb ausweichend antworten. Die Zauberformel eines Trashfilms ist nicht selten Sex und Gewalt. Aber eben in gebrochener Form, weil die Filme so schlecht gemacht sind. Wie kamen Sie auf die Idee, sich wissenschaftlich mit solchen Produktionen zu beschäftigen? Schon vor einigen Jahren habe ich im Freundes- und Kollegenkreis gemerkt, dass Trashfilme in aller Munde sind. Und der Begriff oft positiv verwendet wird. Aber keiner konnte mir genau sagen, was Trash ist. Und das wollte ich herausfinden. „Sharknado“ ist der bisher erfolgreichste Trashfilm. Der Plot ist, welch’ Überraschung, schnell erzählt: Ein Tornado lässt Haie in die Luft steigen – und die knabbern sich durch die Fußgängerzone. Was begeistert die Leute an solchem Humbug? Es liegt vielleicht an der völlig übertriebenen Story. Sie ist anders. Und schnell erzählt. „Sharknado“ ist aber eine schwierige Kiste. Wenn man sich die Debatten darüber anschaut, stellt man eine erbitterte Ablehnung gegenüber diesem Film fest, weil er schon als Kommerz gilt. Diese Streifen arbeiten berechnend. Dabei werden die unfreiwillig schlechten Filme von vielen Fans als authentisch wahrgenommen. Was macht einen guten Trashfilm aus: Kreischende Blondinen mit gemachten Brüsten oder Kulissen, die aussehen, als seien sie von der Bühne einer Schultheateraufführung geklaut worden? Das ist immer subjektiv. Eindeutig war bei den Studienergebnissen aber, dass das wesentliche Merkmal eines Trashfilms billig ist. Dazu gibt es mehrere Lesarten: geringes Budget, stümperhafte Anmutung, geringe Umsätze. Alle Teilnehmer fanden aber, dass diese Filme nicht wertlos sind, weil sie anders sind als der Massengeschmack. Und der kommt nach wie vor aus Hollywood. Dort werden keine Risiken eingegangen. Es geht um guten Geschmack und Geld. Trashfilme sind hingegen immer mit Risiko verbunden. Man weiß nie, was man serviert bekommt, aber wenn man sich auf sie einlässt, können sie unterhaltend und interessant sein. Heute werden in Millionenproduktion schlechte Storys mit riesigem Aufwand erzählt. Ist der Trashfilm eine Gegenbewegung, eine Karikatur des Blockbuster-Gedöns? Der Trashfilm hat zumindest subversives Potenzial. Viele stört es, dass Hollywood sich nur noch selbst reproduziert. Es gibt zu viele Recycle-Filme. Die fünfte Neuverfilmung von Batman oder austauschbare Michael-Bay-Blockbuster. Deshalb versteckt sich hinter Trash eine kulturelle Haltung. Wenn Sie Regisseur wären: Was wäre Ihr Filmthema? Das ist kompliziert. Aber ich kann sagen, was ich am Kino vermisse: die großen, gut erzählten Geschichten. Das Kino liefert zu oft nur noch Spektakel.

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