Karlsruhe Avatare, Raver und klassisches Ballett: Das Festival Tanz Karlsruhe
Wenn in Baden-Baden das Tanzfestival „World of John Neumeier“ vergangen ist, legt Karlsruhe los. Die Spielorte sind über die Stadt verteilt, etliche Häuser wie Tempel, Tollhaus Staatstheater und ZKM sind beteiligt. Sogar eine Welturaufführung ist dabei, die dank digitaler Technik zeitgleich in Karlsruhe und in London stattfindet.
Mit dieser spannenden Idee kommt die britische Alexander Whitley Dance Company am 16. November ins ZKM. Der „Tanz in digitalen Welten zwischen Karlsruhe und dem Digital Body Festival London“ verspricht ein bildmächtiges Erlebnis zu werden. Durch den Einsatz von Motion-Capture-Streaming-Technologie können Tänzerinnen und Tänzer über große Entfernungen hinweg in Echtzeit miteinander agieren. Es geht hier nicht um eine getanzte Videokonferenz. Die Tänzer werden in digitale Avatare verwandelt, die in sich in einer virtuellen Welt bewegen. Eine spezielle Software generiert aus dem Tanz Muster und Formationen. Und das Schönste an der spannenden Schnittstelle aus Tanz und Technologie: In interaktiven Workshops kann man diese Software selbst ausprobieren und eigene Choreografien erschaffen.
„Leuchtfeuer“ im Staatstheater
Analoger Tanz hat seinen eigenen Zauber. „Contemporary Dance 2.0“, der Titel der Festivaleröffnung im Tollhaus am 7. und 8. November, steht im Grunde als Überschrift über dem ganzen Festival. Gauthier Dance, beheimatet am Theaterhaus Stuttgart, hat mit dem Choreografen Hofesh Shechter das Stück „Contemporary Dance 2.0“ erarbeitet. Eine temporeiche Performance mit Rave und ausgefeilter Choreografie zu elektronischem Soundtrack, wie gemacht für ein junges Publikum.
Das Badische Staatsballett beteiligt sich mit einer Premiere am 16. November im Großen Haus des Staatstheaters am Festival. In dem dreiteiligen Tanzabend „Leuchtfeuer“ setzt sich der neue Leiter Raimondo Rebeck in „A Journey of a Memory“ mit Abschied und Verlust auseinander. Hauschoreografin Kristina Paulin hat Franz Kafkas Romanfragment „Das Schloss“ als Vorlage ihrer gleichnamigen Choreografie gewählt, um zeitlos aktuelle Themen wie Bürokratie, Macht sowie die Suche nach Zugehörigkeit und Identität in den Focus zu rücken. Zu sehen war das Stück bereits gerade erst beim Abend unter dem Titel „Tanzkraftwerk“. In „Cantata“, einem modernen Klassiker von Mauro Bigonzetti, wird die Schönheit und Lebensfreude Italiens gefeiert.
Ins Tollhaus kommt das Xiexin Dance Theatre aus Shanghai am 17. November mit einem abendfüllenden Stück voller Poesie und Gefühl. „From IN“ geht vom chinesischen Schriftzeichen für „Mensch“ aus, das aus zwei Strichen besteht. Choreografin Xie Xin spielt mit diesen zwei Linien, die sich begegnen, so wie sich Tradition und Modernität im Tanz begegnen können. Bei der Aufführung Tanz pur an, nichts lenkt von den Tänzerinnen und Tänzern ab.
Das Festival Tanz Karlsruhe bietet auch der regionalen Szene ein Forum. Der Klassiker ist am 9. und 10. November die „Lange Nacht der kurzen Stücke“, wie immer im Tempel – die Karten sind schnell ausverkauft. In der Reihe „Starke Stücke aus Baden-Württemberg“ ist „cie.los – under construction“ am 21. und 22. November im P8 zu sehen. Hier erkunden acht Tänzerinnen und Tänzer, wie die Zukunft aussehen könnte. Verschiedene Möglichkeiten werden durchgespielt beziehungsweise durchgetanzt, hinterher gibt es ein Nachgespräch mit dem Publikum und am 22. November auch eine Party.
Mitmachen im Bewegungschor
Zum Festivalfinale am 30. November und 1. Dezember lädt das Dagada Dance Team aus Freiburg dazu ein, als Bewegungschor mitzumachen bei „How Soon Is Now? Performing Cities“. Bewerben kann man sich jetzt über die Homepage kulturzentrum-tempel.de. Dann steht man auf der Bühne des Tollhauses inmitten von Nebel- und Lichtkompositionen und erschafft zusammen mit drei Profis Bilder zu Überforderung, Verdrängung, Schuld, aber auch zu Hoffnung.
Infos im Netz: kulturzentrum-tempel.de