Rheinpfalz Auf der Flucht im ICE und TGV

Wenn Fernzüge aus Paris – TGV und ICE – im Hauptbahnhof einfahren, ist oft die Kaiserslauterer Bundespolizei gefordert. Denn in den Zügen sitzen Flüchtlinge, meist aus Syrien und Eritrea. Und es werden immer mehr. Über 600 Flüchtlinge hat die Bundespolizei im Hauptbahnhof seit Januar aufgegriffen.

Exakt waren es seit Januar 643 Flüchtlinge, die von Beamten der Lauterer Bundespolizei mit ihren Dienststellen in Mainz, Bad Kreuznach, Neustadt und Bienwald aufgegriffen wurden. 80 bis 90 Prozent davon wurden in Kaiserslautern aus dem Zug geholt, erklärt Stefan Heina von der Bundespolizeiinspektion Kaiserslautern. Im Vergleich zum Vorjahr sei das eine Steigerung um über 500 Prozent. Das stelle die Lauterer Inspektion vor große Herausforderungen, sowohl räumlich als auch personell. Die Leute flüchten vor dem Krieg in Syrien, auch in Eritrea herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände, erklärt Heina. Während Nordafrikaner Frankreich als Asylland bevorzugen, ziehe es Syrer und Leute aus Eritrea vorwiegend nach Deutschland, auch weil sie hier oft Verwandte haben, oder in skandinavische Länder, die wegen ihres liberalen Asylrechts sehr gefragt seien. Es gebe mehrere Schleuserrouten, die in Lautern aufgegriffenen Syrer würden von organisierten Banden in der Regel über die Grenze in die Türkei gebracht, von dort per Fähre oder Flüchtlingsboot nach Italien und weiter nach Frankreich geleitet. In Paris würden sie dann mit einem Ticket bis Frankfurt in den Zug gesetzt, von wo aus sie versuchten, zu Verwandten oder nach Skandinavien weiterzureisen. Die Reise ist oft in Kaiserslautern zu Ende, weil saarländische Beamte der Bundespolizei in Forbach in die Züge aus Paris steigen und kontrollieren. Wenn die Kontrollen beendet sind, ist der Zug auf dem Weg nach Kaiserslautern, die saarländischen Bundespolizisten rufen aus dem Zug die Kollegen in Kaiserslautern an, die die Flüchtlinge am Hauptbahnhof übernehmen, erläutert Heina. Auf der Wache im Justizzentrum werden die Flüchtlinge erkennungsdienstlich behandelt. „Wir prüfen, ob Datensätze vorhanden sind, das schreibt das Asylverfahrensrecht vor“, so Heina. Die Flüchtlinge stellen nach seinen Worten in der Regel ein Asylbegehren und kommen in die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge nach Trier. Das geschieht fast immer noch am selben Tag. Morgens und mittags kommen die Fernzüge mit Flüchtlingen im Hauptbahnhof an, am Nachmittag oder Abend werden sie von der Bundespolizei in den Zug nach Trier gesetzt. „Wir gehen davon aus, dass keiner flüchtet, denn die Leute wollen ja nach Deutschland“, sagt der Bundespolizist, der weiter ausführt, dass jugendliche Flüchtlinge eine Ausnahme bilden, sie kämen nicht nach Trier, sondern würden den örtlichen Jugendämtern übergeben. So etwa ein 16-Jähriger aus Afghanistan, der unlängst aus dem Zug geholt und an das Jugendamt überstellt wurde. Obwohl die Flüchtlinge meist am selben Tag nach Trier weiterreisen, muss die Lauterer Bundespolizei für ihren mehrstündigen Aufenthalt hier Vorkehrungen treffen. Sie müssen verpflegt werden und brauchen einen Aufenthaltsraum, zumal viele Kinder darunter sind. So hat die Inspektion einen Umkleideraum zum Familienraum ungewandelt, in dem Kinder auch spielen können, sagt Heina. Kollegen aus der Kriposchiene der Bundespolizei seien zudem in die Spätschicht eingebunden, damit sie sich gegebenenfalls um Flüchtlinge kümmern können. Wie der Bundespolizist erklärt, vergeht keine Woche ohne Flüchtlinge in den Fernzügen aus Paris. Die Ströme seien ganz unterschiedlich, im Mai seien beispielsweise 182 Flüchtlinge am Hauptbahnhof übergeben worden, das sei bisher Rekord. Letzte Woche kümmerte sich die Bundespolizei um zwölf Syrer, darunter zwei Kinder, die in einem Zug aufgefallen waren. Über die Schleuserbanden erfahren die Beamten wenig. Zum einen seien viele Flüchtlinge zum ersten Mal außerhalb ihres Landes und wüssten nicht, wie die Fluchtroute verlief. Zum anderen seien sie von den Banden bedroht worden, nichts über die Fluchtroute zu verraten. Die Menschenschmuggler verdienten mit dem Elend der Flüchtlinge ein Heidengeld, sagt Heina. Schätzungsweise 7000 Dollar pro Kopf müssten sie an die Schleuser zahlen. (dür)

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