Rheinpfalz Anerkannter Experte am Spielfeldrand und am Zapfhahn

Homburg. Unter Anhängern des Fußballclubs Homburg und Kneipengängern in der saarpfälzischen Kreisstadt ist er bekannt wie ein bunter Hund: Bernhard Müller, ehemaliger Wirt im „Storchen“ und der Stadionklause, gilt als lebendes Fußball-Lexikon.

„Hallo, Bernhard!“ schallt es ihm aus allen Richtungen entgegen, wenn er mit seinem Rollstuhl ins Waldstadion einbiegt. Eben noch klopfte ihm der zahnlückige Fan-Veteran mit Tränen-Tattoo unterm Auge kumpelhaft auf die Schulter. Jetzt naht Herbert Eder, Vorsitzender des FC Homburg, und schüttelt ihm die Hand. In Homburger Fan-Kreisen gilt Müller als Experte für Daten, Fakten und Historien rund um den Fußball – besonders, wenn es um den FCH geht. Und Kneipengänger kamen zwischen 1981 und 2010 kaum an ihm vorbei: Damals führte er anfangs die „Schlangenhöhle“ in Schwarzenacker und die „Hofschenke“ auf dem Lappentascherhof – dann 15 Jahre lang bis 2004 den „Storchen“ am Marktplatz. Zuletzt war Müller Wirt der Stadionklause direkt im Epizentrum seines FC. Den Zapfhahn gab er im März 2010 aus der Hand: Eine chronische Verkrümmung der Wirbelsäule, die immer schlimmer wurde, zwang ihn in den Rollstuhl. Doch der ist für ihn zu einer Art Markenzeichen geworden. Auf der Tartanbahn am Spielfeldrand, vor der Haupttribüne, verfolgt der Edelfan regelmäßig die Heimspiele des FCH in sitzender Position. Ganz nah am Geschehen. „Mit zehn oder elf haben mich meine Eltern zum ersten Mal ins Waldstadion mitgenommen“, erzählt er. Auch Vater und Mutter waren Fußballfans, auch sie waren Wirte. 1954, im Jahr des „Wunders von Bern“, übernahmen sie die Gaststätte „Zollbahnhof“ zwischen Beeden und Limbach. Sohn Bernhard packte früh mit an. Bis zum Ruhestand der Eltern anno 1980 blieb er im „Zollbahnhof“ an Bord. „In all den Jahren war ich Stammgast im Stadion“, erzählt der 67-Jährige. Als Augenzeuge zahlloser Fußballdramen. „Mitte der 1960er Jahre gab’s spannende Duelle mit dem TSC Zweibrücken. 1966 schaffte der FCH den Aufstieg in die Regionalliga – das war damals die zweithöchste Spielklasse.“ Packend seien sie gewesen, die Relegations-Duelle gegen Koblenz-Metternich und den VfR Kaiserslautern. 1974 fieberte Müller beim Einstieg in die Zweite Liga Süd mit, und am 15. Oktober 1977 („dieses Datum vergess’ ich nie“) jubelte er beim 3:1 im DFB-Pokal über Bayern München. „Sepp Maier machte Scherze, balancierte stehend auf dem Ball – das hat ihm aber auch nichts genützt.“ Glorreiche Zeiten wie die Bundesliga-Zugehörigkeit um 1990 erlebte er ebenso wie schwarze Tage: 1981 versemmelte der FCH mit einer 1:2-Heimniederlage gegen den FSV Frankfurt die Rückkehr in die Zweite Liga. Sein Quartier hat Müller inzwischen in einem Limbacher Seniorenzentrum aufgeschlagen. Dort bricht bei ihm samstags, wenn ein FCH-Heimspiel ansteht, spätestens ab 10 Uhr das große Kribbeln aus: Denn bald wird sein Sohn Peter mit grünweißem Schal anrücken, um den Papa zum Fußballgucken abzuholen. „Ich weiß gar nicht“, sinniert der langgediente Fan, „was in den 70er und 80er Jahren mit den Leuten los war. Da wurde im Waldstadion konstant Spitzenfußball in der Zweiten Bundesliga geboten – und trotzdem kamen höchstens 4000 Zuschauer. Ich glaube, die Leute wussten das gar nicht zu schätzen.“ Immerhin sei das Publikum früher aus weiterem Umkreis angereist. „Viele Besucher kamen aus der Westpfalz, dem Raum Neunkirchen und aus dem Bliesgau.“ Und noch etwas fällt ihm auf: „Heute haben die Fans viel größeren Einfluss auf ihre Mannschaften als früher. Die Medien geben die Forderungen der Anhänger sofort weiter. Das gab’s vor 20 Jahren so nicht.“ Beeindruckt war er während des Frauen-Länderspiels Deutschland gegen China (0:1) vom 1. März 2006 vor 20.000 Zuschauern. „Da konnte man mal sehen, was alles klappen kann, wenn’s sein muss“, bewundert Müller die Organisatoren an jenem winterlichen Tag. „Großartig, was die vielen freiwilligen Helfer ab morgens, 9 Uhr, da so alles an Schnee und Eis weggeschafft haben. Ich glaube, jedes andere Fußballspiel wäre an so einem Tag abgesagt worden.“ Befasst er sich mal nicht mit dem Leder, widmet sich Müller der saarpfälzischen Heimatgeschichte. Einige schwarz-weiße Fotos mit alten Homburger Straßenszenen schmücken sein Zimmer im Seniorenzentrum. 2004 bis 2010, als Wirt der Stadionklause, fand er es verwunderlich, dass sich die FCH-Kicker so wenig in der Vereinsgaststätte blicken lassen: „Das ist kein Vergleich zu kleineren Vereinen auf dem Dorf, wo die Spieler ständig ins Sportheim marschieren.“ Und im „Storchen“? Da zählte er („Rosenmontag war immer der allertollste Tag“) 1991 zu den ersten Homburger Gastwirten, die die Bundesliga per Großbildschirm übertrugen. „Damals war das Bezahlfernsehen ganz neu und hieß Premiere.“

x