Rheinpfalz „Andere Bundesländer stellen Lehrer ein“

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Angehende Berufsschullehrer haben es schon bei der Ausbildung schwerer als ihre künftigen Kollegen anderer Schulformen. Das sagt Harry Wunschel im RHEINPFALZ-Interview. Der 49-jährige Kaiserslauterer ist seit Anfang des Monats Landesvorsitzender des Verbands der Lehrerinnen und Lehrer an berufsbildenden Schulen (VLBS).

Die Berufsschulen sind nicht auf Rosen gebettet. 3,1 Prozent des Unterrichts fällt dort allein schon wegen fehlender Lehrerstellen aus. Das ist doppelt so viel wie in den anderen Schularten mit Oberstufe. Gibt es Aussicht auf Besserung?

Man muss wissen: Bei den allgemeinbildenden Schulen wird auch der Ausfall von Wahlunterricht mitgerechnet. In den Berufsschulen handelt es sich um den Ausfall allein von Pflichtunterricht. Das mindert natürlich die Qualität der Ausbildung. Zusätzlich fallen noch Stunden aus, weil Lehrkräfte zum Beispiel krank oder auf Fortbildung sind. Das verschärft das Problem. Es fehlen Lehrer vor allem in den sogenannten Mangelfächern, also zum Beispiel im Technik-Unterricht. Woran liegt das? Dafür gibt es verschiedene Gründe. Es fehlen zum Beispiel finanzielle Anreize schon im Referendariat. Unser Vorschlag, Interesse an den Mangelfächern mit einem Stipendium des Landes zu fördern, wurde abgelehnt. Zudem haben es die Anwärter auf ein Berufsschullehramt schon bei der Ausbildung schwerer als die Anwärter auf andere Lehrämter: Sie müssen ein zusätzliches Praktikumsjahr leisten. Und die Berufsschulen selbst, sind sie für Leute mit naturwissenschaftlicher oder technischer Ausbildung nicht attraktiv genug? Die technischen Fächer werden nicht gerade häufig gewählt. Und am Ende winken den Absolventen in der Wirtschaft meist bessere Bezahlung und mehr Aufstiegsmöglichkeiten. Handwerk und Industrie und inzwischen auch die Landesregierung sagen, der beruflichen Bildung müsse im Vergleich mit der schulischen und akademischen Bildung wieder mehr Beachtung geschenkt werden ... Das ist korrekt, aber leider ist die Praxis eine andere. In der jüngeren Vergangenheit wurden 27 zusätzliche Oberstufen in Gesamtschulen eingerichtet, und wir haben 32 Standorte von Fachoberschulen, die zum Fachabitur führen. Das hilft nicht, junge Leute in die klassische duale Berufsausbildung zu bekommen. Aber Eltern und Schüler wollen doch Schulausbildung möglichst bis zum Abitur ... Ja, der Stellenwert der Berufsausbildung ist kleiner geworden. Sie gilt als anstrengend, schmutzig und schlecht bezahlt. Erst in letzter Zeit hat das Land erkannt, dass mit einer besseren Berufsorientierung in den Schulen künftig vielleicht wieder mehr junge Leute für eine Ausbildung zu gewinnen sind. Ein Beruf ist immer ein gutes Fundament und hält den Weg auch zum Abitur offen. Das Land will bis zum Jahr 2020 rund 2000 Stellen streichen, um keine neuen Schulden mehr machen zu müssen. Auch die Berufsschulen sollen davon betroffen sein. Das Angebot der Höheren Berufsfachschulen wird gestrafft. Das ist auf heftige Kritik Ihres Verbands gestoßen. Was ist so schlimm an den Plänen? Andere Bundesländer stellen trotz der Schuldenbremse zusätzliche Lehrkräfte ein, Rheinland-Pfalz will 310 Stellen abbauen. Dies wird bei uns vor allem die Höhere Berufsfachschule treffen. Dort sind Jugendliche die trotz der sogenannten mittleren Reife keine Lehrstelle finden und das Abitur wegen zu geringer Leistungen nicht anstreben können. Sie haben in der höheren Berufsfachschule die Chance, einen sogenannten Assistenten-Beruf zu erlernen und den schulischen Teil des Fachabiturs zu machen. Wer an dieser Schulform herumdoktert, wird viele junge Leute in Übergangsmaßnahmen oder gar in die Arbeitslosigkeit schicken. Wie sehr wird die höhere Berufsfachschule nachgefragt? Der Bildungsgang wird von über 9000 Jugendlichen landesweit besucht. Das zeigt, wie groß der Bedarf ist. Schon in der Vergangenheit wurden durch Vergrößerung der Klassen etwa 30 Lehrerstellen eingespart. Auch beim sogenannten Berufsvorbereitungsjahr sehen Sie Handlungsbedarf. Wo liegen die Probleme? Dort sollen die jungen Leute an die Berufsreife herangeführt werden. Das wird in der Praxis immer schwieriger, weil zum Beispiel mehr außerschulische Probleme in die Klassen getragen werden. Bereits vor drei Jahren wurde uns eine Verbesserung der Rahmenbedingungen versprochen. Geändert hat sich bisher nichts. Wie viele Mitglieder hat der VLBS in Rheinland-Pfalz? Wir haben über 1800 Mitglieder und sind damit der mitgliederstärkste Berufsschullehrerverband. Sie sind schon einige Jahre im Landesvorstand des Verbands. Jetzt sind sie Vorsitzender? Was haben Sie sich vorgenommen? In den Berufsschulen wird es in den nächsten Jahren viel Umbruch geben, den wir begleiten wollen. Zum Beispiel wird in naher Zukunft auch bei uns die Hälfte der Lehrkräfte weiblich sein. Das bringt neue Fragestellungen auch für einen Berufsverband. | Interview: Arno Becker

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