Rheinpfalz Als der frühe Vogel im Radio sang
„This is the Canadian Forces Network, CFN Zweibrücken.“ Jeden Dienstagabend fünf Minuten nach sieben wartete ich auf diese Ansage. Bei den Worten „CFN Zweibrücken“ setzte die Erkennungsmelodie ein, ein Squaredance mit Fiedel und Gitarre. Irgendwann im Sommer 1956 war ich auf den Sender gestoßen mit seiner Musik für junge Ohren, so ganz anders als alles, was Radio Saarbrücken bot. Und dann auch noch ein Sender, der den Namen unserer Stadt trug: CFN Zweibrücken, kurz CFNZ.
Zunächst hatte sich das neue Militär auf andere Weise Gehör verschafft. Seit 1953 die erste Sabre-Staffel der Royal Canadian Air Force im Direktflug über den Großen Teich in Zweibrücken eingetroffen und über die Stadt gefegt war, gehörte der Lärm der Kampfjets zu unserem Alltag. Die Kanadier verstärkten das alliierte Kontingent der Vereinigten Staaten und Frankreichs zur „kleinen Nato“, zu der drei Jahre später die Bundeswehr stieß. Zweibrücken wurde zur einzigen Viergarnisonenstadt der Bundesrepublik. Von Anfang an verschanzten sich die Kanadier nicht auf ihrer Air Base, sondern bemühten sich um gute Nachbarschaft mit den Deutschen „unten im Tal“. Und wie konnte man die besser erreichen als über die Radioapparate, die im fernseharmen Zeitalter in jeder Küche standen. So gab es ab Mitte 1956 eine kleine Sendeecke auch für deutsche Ohren: Am Dienstagabend meldete sich um punkt acht Uhr ein junger Lehrer namens Werner von Blon und moderierte eine Wunschsendung. (Anmerkung der Redaktion: Von 1980 bis 1993 war von Blon Oberbürgermeister von Zweibrücken.) Da war sie wieder, die Musik unserer Eltern, die „Caprifischer“ und das „Mariandl“ – für uns, die junge Generation eher zum Davonlaufen. Wir mussten den CFN jedoch bloß ein Stückchen vor Werners Schnulzensendung einschalten: Eine halbe Stunde früher erklang die Hitparade mit den Songs von Elvis, Paul Anka, den Everly Brothers, Pat Boone. Und die Reise ging weiter, wir erforschten den CFNZ wie einen unbekannten Kontinent, entdeckten eine Musikoase nach der anderen. Schon früh am Morgen ging es los: Die Early Bird Show stimmte uns beim Frühstück mit den neuesten Hits, aber auch schon mit Countrysongs von Johnny Cash auf die Schule ein. Und spät in der Nacht klang die Woche aus mit der Saturday Night Request Show, die schon bald auch unsere Wünsche spielte: „From Wolf to Sonny: All I have to do is dream“. Unsere Musik spielte sich nicht von selbst, jemand musste die Platten aussuchen, sie auf die Plattenteller, die „Turntables“, legen oder die Bänder abspielen, die Titel nennen und die Songs kommentieren, die Fanpost lesen, den Strom ein und das Licht ausschalten. Das waren in vorderster Linie die Diskjockeys, zu einem geringen Teil Profis, die Broadcasters, überwiegend dagegen junge Airmen in Uniform, die ihre Freizeit für den Rundfunk und die Hörer opferten. Die Idole unserer Sendungen hießen Ron Kitson, Rob Wilson und vor allem Hank Siemens. Anfang Juni diesen Jahres erreichte uns aus Barrie in Kanada die Nachricht, dass unser Airman Hank im Alter von 88 Jahren gestorben ist. Der CFNZ begleitete uns durch den ganzen Tag. Der Morgen begann um sechs Uhr (später bereits um fünf) mit der Nationalhymne „O Canada“ und dem Gruß: „Good morning, this is CFN Zweibrücken in Germany beginning a new day of broadcasting“. Es folgte eine Stunde Musik und News mit Ron Kitson, den Hank Siemens um sieben Uhr mit der zweistündigen Early Bird Show ablöste. Die Zeit bis Lunchtime füllten die Ladys von der Base mit einem abwechslungsreichen Musik- und Informationsprogramm, das mit der Prime Time Noon Show abschloss. Der Nachmittag gehörte freiwilligen Helfern, die ihre Rock ’n’ Roll- und Rockabilly Platten auflegten. Ab fünf Uhr nachmittags übernahm dann die Stammbesetzung das Programm, das erst um Mitternacht „off the air“ ging. Alle ein bis zwei volle Stunden gab es Nachrichten und Wetterberichte. Die Wettervorhersagen lieferte die eigene meteorologische Station auf der Base, deren Wetterfrösche oft selbst das Studio besuchten. Informationssendungen lieferte Canadian Broadcasting (CB) per Kurzwelle von Barrie aus über den Atlantik. Längere Aufnahmen wie CBS-Sportreportagen von wichtigen Eishockey- oder Footballspielen wurden per Flugzeug gebracht. An Sonntagen wechselten sich die Gottesdienste der katholischen und protestantischen Kirche ab. Im Oktober 1956 hatte die Air Base eine Premiere: Zum ersten Mal wurde ein Eishockeymatch aus der Peter Cunningham Memorial Arena, die im Jahr zuvor eröffnet worden war, direkt übertragen: Die RCAF Flyers, ein Auswahlteam der Royal Air Force, spielten gegen den SC Riessersee. In den folgenden Jahren waren die erfolgreichsten Mannschaften aus Deutschland und darüber hinaus auf dem Zweibrücker Eis mit dem Ahornblatt zu Gast, und bald gab es eine deutsche Kommentierung der Spiele über den Äther. Manchmal hatte ich in meiner Radioecke Dusel und erwischte das Live-Gastspiel einer Country Band im CFN-Studio. Dann war meistens Slim McDunna am Mikrofon, zugleich Leader und Sänger der Rainbow Ranch Boys, die oft auf der anderen Seite des Tales droben auf dem Kreuzberg im EM-Club der US-Army auftraten. Und eines Tages war uns das alles dann nicht mehr genug: Ich gründete gemeinsam mit Freunden einen CFN-Fan-Club! Den Namen dafür hatten wir uns schnell ausgedacht: Hillbilly Saloon Zweibrücken. Wir luden alle ein, die wir mit Namen kannten, und sie kamen tatsächlich: Hank, Slim, Ron und Rob und wie sie alle hießen. Echte Country Boys zieht es hinaus auf die Prärie. Für uns lag die droben auf dem Gelände eines gesprengten Westwallbunkers in der Nähe des Flugplatzes. Dort saßen wir an schönen Abenden ums Lagerfeuer, grillten Würstchen, tranken deutsches Bier und kanadischen Whisky, wie sich das für Cowboys gehört. Und dann griff sich einer von uns die Gitarre, und die Klänge stiegen hinauf in den „Western Sky“ bis zum „Blue Moon of Kentucky“. Ein paar Jahre hielt die Western-Freundschaft, dann verlor man sich aus den Augen und aus den Ohren. 1969 wurde das Mikrofon im CFN-Studio endgültig abgeschaltet, die Royal Canadian Air Base geschlossen. Es bleibt die Erinnerung an unvergessliche Radiotage: „This is the Canadian Forces Network Zweibrücken“. Die Freundschaft Die Wurzeln der Freundschaft zwischen Zweibrücken und Kanada reichen bis in die 50er Jahre zurück, als Kanadier in der Rosenstadt stationiert waren. Der Partnerschaftsvertrag mit Barrie in der Provinz Ontario wurde vor 20 Jahren – am 7. Mai 1997 – in Barrie unterzeichnet.