Rheinpfalz „Alles, nur nicht praxistauglich“

Anita Schäfer (vierte von links) und Anette Mauz-Widmann im Gespräch mit den Medizinern Manfred Wachter, Horst Brenneis (von lin
Anita Schäfer (vierte von links) und Anette Mauz-Widmann im Gespräch mit den Medizinern Manfred Wachter, Horst Brenneis (von links) und Axel Motzenbäcker, Geschäftsführer von Medi Südwest.

«WALDFISCHBACH-BURGALBEN.»„Bei diesem Thema brennt vieles auf den Nägeln.“ Mit diesen Worten begrüßte die CDU-Bundestagsabgeordnete Anita Schäfer am Montag in Waldfischbach-Burgalben zahlreiche Ärzte aus der Region zum Fachdialog. Die ärztliche Versorgung in einer strukturschwachen Region in Zeiten des demografischen Wandels war das Thema, über das Schäfer und auf Einladung Schäfers die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz, mit den Ärzten diskutierte.

Pflegeausbildung verbessern, Bürokratie abbauen, im Medizinstudium stärker patienten- und praxisgerecht lehren, in strukturschwachen Regionen attraktive Anreize für ansiedlungswillige Hausärzte schaffen – das waren Punkte, die Schäfer anstoßen wollte. Problematisch sei, dass die Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die die Ansiedlung von Ärzten reguliert, nicht immer der gefühlten Wirklichkeit entsprechen, sagte Widmann-Mauz. Laut KV ist die Südwestpfalz überversorgt. Noch sei die Versorgung gegeben, konstatierten die Ärzte. Aber in wenigen Jahren könnte altersbedingt eine große Lücke klaffen in puncto ärztlicher Versorgung. Die Menschen würden älter, weil sie medizinisch gut versorgt seien. Auch auf dem Land. Aber die jungen Menschen ziehe es in die Ballungszentren – und dort, wo altersbedingt der größte medizinische Bedarf entstehe, im ländlichen Raum, stünde nicht genügend medizinisches Personal zur Verfügung, skizzierte die Staatssekretärin. Dazu veränderten sich die Ansprüche junger Menschen. „Der Arzt als Einzelkämpfer in der Praxis ist nicht das Modell, das junge Ärzte anstreben“, sagte Widmann-Mauz. Der hohe Numerus clausus, um zum Medizinstudium zugelassen zu werden (1,0), verschärfe das Problem. Viele dieser sehr guten Medizinstudenten wollten nicht aufs Land. Ein Förderprogramm in Bayern zeige, dass Ärzte auch aufs Land gehen, wenn die Voraussetzungen passen. Grundsätzlich brauche es aber mehr Studienplätze, stellte die Staatssekretärin fest. Zu all dem geselle sich die Digitalisierung als Herausforderung. Die bringe Vorteile mit sich, setze aber Offenheit dafür voraus. Dass die Praxis in dem Bereich höchst problematisch ist, veranschaulichte ein Arzt am Thema Telematik. Durch eine Telematikinfrastruktur sollen alle Akteure im Gesundheitswesen (zum Beispiel Ärzte, Apotheken, Krankenkassen) vernetzt werden. Die Realität dieser Geräte sehe momentan so aus, dass man vier Karten, von der Patienten- bis zur Gerätekarte, in vier Schlitze stecken müsse, um arbeiten zu können. Alles, nur nicht praxistauglich, kritisierte der Mediziner. Was den Ärzten auf den Nägeln brennt, ist das Thema Antikorruptionsgesetz im Gesundheitswesen, das seit 2016 gilt. Unter Generalverdacht gestellt, gefühlt mit einem Bein im Knast – so fühlen sich die meisten Ärzte. Da würden Kooperationen gefordert, um Probleme der medizinischen Versorgung im strukturschwachen Raum zu lösen, aber durch dieses „Sch…gesetz“ werde bei Kooperation der Staatsanwalt auf den Plan gerufen, kritisierten sie. Staatsanwälte stünden Ärzten nicht wohl gesonnen gegenüber, seien schnell beim Thema Hausdurchsuchung. Einig waren sich alle, dass es im Gesundheitssystem an Transparenz und Vertrauen fehle. Gesetze seien nicht willkürlich beschlossen worden, sagte Widmann-Mauz. Das habe Ursachen, gründe auf Vorfällen. Aufgabe der Politik sei es, die Interessen aller im Gesundheitswesen zu berücksichtigen, für die Patienten eine bezahlbare, gute medizinische Versorgung sicherzustellen. Die Ärzte nannten weitere Beispiele für Fehler im System, die eine Niederlassung, besonders im strukturschwachen Raum, ihrer Meinung nach unattraktiv machen: drohende Regresszahlungen, finanzielle Bestrafung dafür, dass man Notdienste leiste oder die Kostendämpfung, die haarsträubende Folgen wie ständig wechselnde zu verordnende Medikamente in der Patientenversorgung mit sich bringe. Die fehlende Lobby des ländlichen Raums in der KV erschwere vieles, räumten sie ein, als Widmann-Mauz darauf hinwies, dass die KV manches Problem jetzt schon lösen könne.

x