Kultur Südpfalz Abend endet in rauschender Festlaune
Aven, das bedeutet kommt, lautet der Aufruf des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma und des Vereins Leben und Kultur alljährlich beim Kultursommer Rheinland-Pfalz, dessen Motto in diesem Jahr „Der Sommer unseres Vergnügens“ ist. Das Wetter trübte am Samstagnachmittag das offene Musikertreffen unter dem Motto Aven! im Garten des Hauses am Westbahnhof. Das Konzert der Koblenzer Familie Reinhardt am Abend indes ließ über weite Strecken die Sonne in den Herzen vieler Besucher scheinen, die den Sinti-Swing lieben.
Französicher Valse Musette, spanischer Flamenco, ungarischer Casrardas, sehnsuchtsvolle Balladen im Wechsel mit schwungvollen Tänzen berührten alle Gefühlsebenen der Gäste. Arabeske Melodien und Balkanrhythmen brachten die Zuhörer dazu mit den Füßen zu wippen, den Fingern zu schnippen und den Köpfen zu nicken. Die unbändige Spielfreude der Instrumentalisten gipfelte in tollen Soli und spaßigen Improvisationen, etwa wenn die Reinhardts zur Bonanza-Melodie auf ihren Instrumenten über die Ponderosa-Ranch ritten. Mike und Moro Reinhardt gelten als Ausnahmegitarristen. Am Samstag heizten sich die Brüder gegenseitig ein und steigerten sich in derart rasende Tempi, dass den Zuhörern schwindelig wurde beim Versuch, den fliegenden Fingern mit den Augen zu folgen. Während Mike Reinhardt auf einem Stuhl sitzend, in sich und sein Spiel versunken das Publikum gar nicht wahrzunehmen schien, flirtete Moro Reinhardt gern mit dem Publikum. Bruder Sascha Reinhardt war am Elektrobass für den Rhythmus zuständig. Als überraschend genialer Antreiber erwies sich Schlagzeuger Volker Sohny. Nach der Pause verstärkte sein Sohn Tobias Sohny die Band am Klavier. Der zweite Teil des Konzerts war der Interpretation von Liedern von Elvis Presley und großen Hits der 1970er-Jahre gewidmet. Gesungen von Django Reinhardt aus der Koblenzer Reinhardt-Dynastie. Nach den ersten Takten des Presley-Hits „My Way“ unterbrach Django Reinhardt die Darbietung, ließ mit den Worten „Ohne Mike kann ich dieses Lied nicht singen“ nach dem Bruder suchen und lobte derweilen Vater Daweli Reinhardt. Der war einst Mitbegründer des Schnuckenack Reinhardt Quintetts. Der Mann mit der „Schönen Nase“ - nichts anderes bedeutet „Schnuckenack“ -wiederum war ein Vetter des legendären belgischen Gitarristen Django Reinhardt. Das Talent für den Sinti-Jazz wurde von Generation zu Generation vererbt. Der Koblenzer Django Reinhardt ist für seine samtweiche Stimme bekannt und nutzt das Timbre als hervorragender Elvis Presley- Interpret. Da überraschte es das Publikum kaum, dass die bewegliche Stimme von Tochter Loraine Reinhardt im Duett mit dem Vater nicht nur bei dem Lied „Sag mir quando, sag mir wann“ locker mit dessen Interpretationskunst standhalten konnte. Die im zweiten Teil dargebotenen „Welthits“ gefielen offensichtlich einigen ausgeprägten Jazz-Freunden nicht und die Reihen lichteten sich. Vielleicht auch, weil Probleme mit der Technik den Genuss trübten. Wer aber die kleine Durststrecke mit 1970er-Jahre-Hits wie „Sweet Caroline“ überstand und auf Kommando dem Vorsänger mehr oder weniger motiviert „Delila“ entgegenrief, wurde mit einem gigantischen Ende belohnt: Als sich alle Musiker zum Abschluss mit hinreißenden Soli verabschiedet hatten, packte Jensi Winterstein-Reinhardt seine Geige aus und Stefan Risse tauschte das Keyboard mit dem Akkordeon. Was folgte, ließ den Abend in rauschender Festlaune enden. Der legendäre „Minor Swing“ ließ noch einmal die Herzen höher schlagen, der Puls des Czardas riss die Zuhörer von den Stühlen und die Frauen begannen in den engen Stuhlreihen ausgelassen zu tanzen. Frenetischer Beifall zollte den Musikern Dank für Sonne im Herzen und einen beschwingten Heimweg unter dem unaufhörlich tropfenden Himmel.