Rheinpfalz Überraschungen im Hinterhof

Mannheim. Mehrere Tausend Menschen haben am Wochenende die Neckarstadt-West erkundet. Die „Lichtmeile“ hat ihren festen Platz im Mannheimer Veranstaltungskalender. Von Freitag bis Sonntag gab es Kunst und Kultur, Verborgenes und Offensichtliches zu entdecken.

Rauchig ist es im „Woodstöckl“. Es riecht nach Bier. Die Live-Band spielt gerade „Locomotive Breath“ von Jethro Tull. Die Stimme des Sängers und Gitarristen von Bluesgarage ist rau, ein wenig nuschelig, aber es passt. In der Musikkneipe herrscht Neckarstadt-West-Feeling pur. Nicht umsonst ist sie eine schon altbekannte Station der „Lichtmeile“. Die Veranstaltung startet mit den „Neckarstädter Nächten“ – jede Menge Live-Bands spielen an den unterschiedlichsten Orten. Mal Kirche, mal Schülerladen, mal Café. Mal Klassik, mal Elektro, mal Jazz. Oder mal Blues und Rock wie im „Woodstöckl“ eben, das vor Kurzem erst auf die andere Straßenseite in die Langstraße 36 gezogen ist. So voll wie in den letzten Jahren scheint die Kneipe dieses Mal allerdings nicht zu sein. Trotzdem geht immer wieder die Türe auf und Menschen schauen rein, bleiben oder gehen wieder raus. Ein Dreiergrüppchen, dessen Mitglieder sich als Jens, Bettina und Felix vorstellen und ihren Nachnamen lieber nicht verraten wollen, bleibt. „Ich finde es super“, antwortet der Mittvierziger Jens auf die Frage, warum er sich an diesem Abend auf den Weg in die Neckarstadt-West gemacht hat. Das Besondere an der „Lichtmeile“ sei die Mischung. Eine Mischung wie der Stadtteil selbst: „Manchmal abgedroschen, viel Multikulti.“ Das Kulturfestival ist seiner Meinung nach sehr gut dazu geeignet, den oft verpönten Stadtteil kennenzulernen. Mit all seinen kulturellen Seiten. „Und es tut sich viel hier“, findet Jens, der im Ostteil der Neckarstadt wohnt. Als Beweis zählt er einige neu eröffnete Kneipen und Cafés auf. Am Freitag weht ein eisiger Wind durch die Straßen. Beim Schlendern durch die Gassen trifft man immer wieder auf kleinere Grüppchen, die entweder zielstrebig irgendwohin eilen oder, im Veranstaltungsplan vertieft, auf dem Gehweg verharren. Manche führt der Plan zum Neumarkt – dorthin, wo das Kulturkiosk extra für die „Lichtmeile“ geöffnet hat. Ein richtiger Verkaufskiosk ist das schon lange nicht mehr. Das charakteristische Häuschen stand lange leer. Nach seiner Wiederbelebung vor ein paar Jahren hat es sich zu einem vornehmlich sommerlichen Treffpunkt der Neckarstadt-West entwickelt. Am Freitag gibt es gleich zwei Bands dort: Schmusepoprockblues – so verrät der Veranstaltungsplan – mit Gringo Mayer, danach Elektro mit Nova & Moglii. Das kommt gut an. Eine Menschentraube trotzt dem Eiswind, viele mit Getränken in der Hand, die Stimmung ist locker. Nicht sehr weit entfernt platzt das Café Rost aus allen Nähten. Begleitet von The Cure’s „Boys Don’t Cry“ schwofen die Gäste im Takt mit, die meisten ebenfalls mit einem Bier in der Hand. Der DJ nennt sich „Dr. Fünke“. Julia, Lisa und Monique treten – anfangs leicht verfroren – zur Bar und bestellen ein Mixgetränk im Plastikbecher. „Wir sind heute wegen der Musik hier, aber auch, weil man auf der ,Lichtmeile’ an Orte kommt, die man so nicht kennt“, erzählt Julia. Die jungen Frauen seien im westlichen Teil der Neckarstadt nur gelegentlich unterwegs. So alleine wäre es nachts nicht immer so angenehm, sagen sie. An diesem Abend sind sie nicht alleine. Die „Lichtmeile“ scheint wieder gut besucht zu sein. Und sie ist abwechslungsreich, wie immer. Allein schon das musikalische Angebot der „Neckarstädter Nächte“ kann sich sehen lassen. Samstags, beim „Tag der offenen Ateliers“ haben Ausstellungen das Geschehen geprägt. Der Sonntag bot Kultur für Kinder und Lesungen an ungewöhnlichen Orten. Ungewöhnlich für einen Auftritt ist am Freitag ein Hinterhof in der Alphornstraße. Auf einer kleinen Bühne improvisiert Nujuice. Bass, Gitarre, Keyboard und Computer sind die Ausrüstung der jungen Männer. Aus den Boxen kommt aber kein Rock, sondern astreine Elektromusik, wie sie ein DJ mit Samplern nicht besser mixen könnte. Die Hinterhofgäste sind begeistert und die Band ein weiterer Beweis: Die „Lichtmeile“ überrascht jedes Mal aufs Neue.

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x