Hintergrund Russland und der Weg zurück: Deutsche Sportler im moralischen Spagat

Die Solidarität mit der Ukraine ist im Sport groß. Spieler von Schachtar Donezk betreten das Spielfeld in ukrainische Fahnen geh
Die Solidarität mit der Ukraine ist im Sport groß. Spieler von Schachtar Donezk betreten das Spielfeld in ukrainische Fahnen gehüllt. Der Erstligaklub bestreitet gerade eine Reihe von Wohltätigkeitsspielen unter dem Slogan »Global Tour for Peace«.

Als Menschen sind sie vom Krieg bestürzt, als Athleten aber vom Ehrgeiz getrieben. Das Gros der deutschen Spitzensportler hält die Sanktionen gegen Russland und Belarus für richtig – und wünscht sich dennoch deren Rückkehr. Ein Stimmungsbild.

Elisabeth Seitz wühlt das Thema sichtlich auf. „Wahnsinn“ sei das, sagt die Topturnerin über die russische Invasion in die Ukraine. „Total erschreckend“ findet Biathlon-Olympiasiegerin Denise Herrmann die Bilder von Tod, Leid und Zerstörung, die sie Tag für Tag erreichen. Der russische Angriffskrieg hat die Welt verändert – auch die des Sports. Hier wurden Athleten und Verbände aus Russland und Belarus in weiten Teilen isoliert. Zu Recht, wie das Gros der deutschen Spitzensportler findet.

Sanktionen „genau richtig“

„Erstmal waren die Sanktionen, ob sportlich oder politisch, genau richtig“, sagt Rodel-Star Felix Loch mit Blick auf die vielen Ausschlüsse – etwa von den Paralympics im März oder der noch anstehenden Fußball-WM kommenden Winter in Katar. „Mit Sicherheit wird's und muss es aber irgendwann auch wieder einen Weg zurück geben.“

Das sieht auch der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Thomas Weikert, so. „Wir können ja nicht ohne russische Sportlerinnen und Sportler in den nächsten Jahren Sport betreiben“, sagt er. Zumal von dem Bann „sicher zum Teil auch die Falschen getroffen“ worden seien, wie der Dachverbandschef anmerkt.

Natürlich könne man „nicht einfach alles normal weiterlaufen lassen als wäre nichts“, betont Seitz. Auf lange Sicht wolle man sich aber eben auch immer mit den Besten messen, sagen die Turnerin und Biathletin Herrmann. Gerade in ihren Sportarten gehören die Teams aus Russland und Belarus zur Spitze.

Ohne Russland sinkt das Niveau

Oder im Eishockey: Die deutsche Mannschaft bestreitet diese Woche ihre ersten Testspiele für die WM in Finnland. Russland, gemeinsam mit Kanada Rekordweltmeister, wird bei dem Turnier im Mai fehlen. Auch auf die im Juni startende Schwimm-WM in Budapest dürfte sich die Abwesenheit der Russen auswirken. Bei der vorigen Ausgabe belegten sie Rang drei im disziplinübergreifenden Medaillenspiegel.

Die Ringer trugen gerade erst ihre EM in der ungarischen Hauptstadt aus. „In Summe hat sich ihr Fehlen beim Niveau schon bemerkbar gemacht“, sagt Bundestrainer Michael Carl über die Russen, die bei den Turnieren 2020 und 2021 jeweils 22 von 30 möglichen Medaillen geholt hatten. Es gibt noch viele Sportarten, in denen der Weg zum Sieg normalerweise über russische oder belarussische Athleten führt. Oder auch über Ukrainer – die oft ebenfalls fehlen.

Gerade in Randsportarten ist der Kontakt unter den Protagonisten oft besonders intensiv. Man kennt sich von zig Wettkämpfen und nicht selten seit Jahren. „Wir sind eigentlich eine Turnsportfamilie“, sagt Seitz. Durch den Krieg wurde auch diese zerrissen. Ob sie jemals wieder richtig zusammenfindet?

Die Ukrainer erfahren große Solidarität. Wie sie sich gegenüber ihren russischen Mitstreitern verhalten sollen oder wollen, wissen viele Sportler nicht. Normal finde viel Austausch über die sozialen Medien statt, berichtet Seitz. Aus denen hätten sich etliche russische Sportler vorerst aber zurückgezogen.

Rodler Loch bei Hilfsaktionen dabei

„Mit Ukrainern bin ich schon regelmäßig in Kontakt, man schreibt sich und fragt nach, wie es geht“, sagt Rodler Loch, der im Rahmen einer Hilfsaktion schon selbst an die ukrainische Grenze gereist ist. „Mit russischen Sportlern habe ich wenig Kontakt“, fügt er an.

Er befinde sich sowohl mit ukrainischen als auch russischen Trainerkollegen im Austausch, berichtet Ringer-Coach Carl. „Die sehen die Situation genau wie wir mit großer Sorge.“ Öffentlich jedoch positionieren sich bislang nur wenige Russen zu dem Thema. Manche appellieren an den Frieden, aber kaum einer verurteilt den Krieg.

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