Sport Olympia-Tagebuch: Einzigartig. Unglaublich.

Er hat die Arme über mir ausgebreitet – und ich habe seinen Segen bekommen. Ja, gestern Morgen. Wieder so ein stiller Sonntag. Wieder ein Bilderbuchtag. Blauer Himmel, Windstille. Der Wecker klingelte um 5.10 Uhr. Abfahrt mit dem Bus um 6 Uhr. Und um halb Neun standen wir an, unten an der Talstation der Zahnradbahn, die die Touristen hinauf bugsiert auf den Corcovado. Dort oben, in über 700 Meter, steht Christus, der Erlöser. Seit 1931. Eine monumentale Statue, das Wahrzeichen von Rio de Janeiro. 45 Minuten haben Ute Maag, meine ehemalige Nachbarin aus meinem Ludwigshafener Stadtteil Melm, und ich dort oben verbracht. Eigentlich wollten wir mehr sein. Aber Anne ist, soweit ich das mitbekommen habe, erst um vier Uhr ins Bett gekommen, und Bernhard meinte, er könne nicht mit, es gehe ihm nicht gut genug. Aber er war ja schon so oft auf dem Corcovado. Dumm gelaufen ist es für den Kollegen Hans Peter Lochmann, ein Techniker der Bildagentur der Deutschen Presse-Agentur. Er war fast schon mit uns am Ziel, als ich ihn fragte: „Weshalb hast du eigentlich zwei Akkreditierungen umhängen?“ Oh Gott, er hatte die seines Fotografen, mit dem er die Wohnung teilt, in der morgendlichen Hektik erwischt. Beide hingen an der Wohnungstür. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als ziemlich frustriert zurückzufahren. Schade, denn er war zum allerersten Mal raus gekommen aus dem Alltagsstress, den die Agenturleute haben. Ute hat ihm als Erinnerung eine Tasse vom Corcovado mitgebracht. Falls er nicht doch noch Zeit findet, es noch einmal zu probieren. Klar drängten sich dort oben die Touristen aus aller Welt, meistens in organisierten Gruppen, die vor allem ein Motiv knipsen ließen. Sich mit ausgebreiteten Armen und Cristo im Hintergrund. Geht natürlich nicht als Selfie. Die Aussicht? Einzigartig. Unglaublich. Aufregend. Ich nannte bisher immer drei Stellen, von denen ich besonders fasziniert war: Die Pyramiden von Gizeh, auf einer von denen ich im Sonnenaufgang stand, den Tafelberg in Kapstadt und vor allem Macchu Picchu, wo ich gleich zweimal war. Wahnsinn, wie der Zuckerhut dort drüben ganz zart im Morgennebel auftauchte und im Gegenlicht die Stellung hielt. Zum Glück sind wir einmal um die Statue herumgelaufen. Reiner Zufall, weil wir etwas Schatten suchten. Denn unter dem Cristo ist eine kleine Kapelle zur Andacht eingerichtet. Und dort haben wir tatsächlich für ein paar Minuten uns besinnen können. Nachdenken. Dankbar sein. Die Kapelle war ziemlich leer, unbeachtet. Ich bin überzeugt, dass nur ganz wenige den Weg dorthin finden und verweilen. Schade eigentlich. Ich weiß, es ist nicht jedermanns Sache, aber dort vor allem konnte man über die Bedeutung dieser Statue nachdenken – ein religiöses Monument zur 100-jährigen Unabhängigkeit Brasiliens . Unser Zeitplan jedenfalls hatte gepasst. Geringe Wartezeiten. Obwohl wir ein Ticket für 11.40 Uhr kauften, waren wir schon um halb neun oben. Man konnte fragen, ob man auch früher in die Bahn einsteigen darf. Es herrschte bei der Rückkehr kaum Sonntagsverkehr, nur ein bisschen Stau wegen des Marathonlaufs der Frauen. Und genau dorthin, ins Sambódromo, wollten wir ja anschließend. Wir schafften es. Wieder mal alles richtig gemacht.

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