Hintergrund Mai 1997: Der Ruhrpott wird zu Europas Fußball-Mittelpunkt

Der „Coup von München“: Der BVB holt den Landesmeister-Cup.
Der »Coup von München«: Der BVB holt den Landesmeister-Cup.

Im Mai 1997 schlug das Herz des europäischen Fußballs im Ruhrpott. Eine Woche nach dem Triumph des FC Schalke 04 im Uefa-Cup gewann Borussia Dortmund die Champions League. Das stärkte das Wir-Gefühl und den Stolz in der Region.

Erst das „Wunder von Mailand“, dann der „Coup von München“ – der Mai 1997 ging in die Geschichte des deutschen Fußballs ein. Mit Finalsiegen im Uefa-Cup und in der Champions League binnen einer Woche sorgten der FC Schalke 04 und Borussia Dortmund für internationales Aufsehen und verhalfen der vom Strukturwandel gebeutelten Region zu mehr Selbstwertgefühl. Zumindest für kurze Zeit wich die Konkurrenz der beiden Erzrivalen einem stolzen Wir-Gefühl. Befeuert vom damaligen Kampf der Bergleute um ihre Arbeitsplätze hallten „Ruhrpott“-Rufe durch die Stadien im Westen.

„Das war eine Aufwertung für die ganze Region, wir hatten ja eine unglaubliche Arbeitslosenzahl im Ruhrgebiet damals. Und dann kommen die wichtigsten Titel im europäischen Vereinsfußball in den Pott“, sagte der damalige BVB-Abwehrspieler Jürgen Kohler nun, „das kann man gar nicht hoch genug bewerten.“

Der Jahrhunderttreffer

Der Blick zurück versetzt alle Beteiligten auch 25 Jahre später in Hochstimmung. „Wann immer ich diese Szene sehe, kommt mir ein wohliger Schauer über den Rücken“, kommentierte Lars Ricken mit Bezug auf seinen inzwischen von den BVB-Fans zum Jahrhunderttreffer gekürten Heber zum 3:1 der Dortmunder am 28. Mai 1997 im Königsklassen-Finale von München über den hohen Favoriten Juventus Turin.

Der Showdown zwischen der Borussia und Juventus Turin versetzte die Fachwelt ins Staunen. Als die favorisierten Italiener im Münchner Olympiastadion nach frühen Toren des BVB-Angreifers Karl-Heinz Riedle und dem Anschlusstreffer durch Alessandro del Piero auf den Ausgleich drängten, sorgte der erst kurz zuvor eingewechselte Ricken für die Vorentscheidung.

Distanz wird immer größer

Seither genießt der heutige Direktor des BVB-Nachwuchsleistungszentrums bei den Dortmunder Fans Kultstatus. Die Glorifizierung seines Treffers hält unvermindert an. „Witzig, fast mit jedem Jahr kommt ein Meter hinzu“, kommentierte Ricken schmunzelnd. „Viele Leute sagen mir, wie du den Ball von kurz hinter der Mittellinie reingehauen hast, war klasse. Dabei waren es nur 25 Meter.“

Auf dem Weg zum Titel überstand der BVB zahlreiche Probleme. Rickens Teamkollege Kohler verwies auf die große Moral: „Wir hatten ja große Verletzungssorgen in dieser Saison, gerade einige Stammspieler hat es hart getroffen. Dass dann die anderen Spieler, gerade in der Champions League, sensationelle Leistungen gebracht haben, war herausragend.“

Ein Gegner voller Topstars

Für eine noch größere Überraschung hatte der FC Schalke sieben Tage zuvor gesorgt. Nicht nur für die Fans, sondern auch für den damaligen Coach Huub Stevens wurde ein Fußball-Märchen wahr: „Das war eine Sensation. Gerade im Finale waren wir die absoluten Außenseiter gegen Inter Mailand, diese Truppe mit lauter Topstars war eigentlich eine Nummer zu groß für uns.“

Die runden Jubiläen nach dem Happy End im Elfmeterdrama sind auf Schalke mittlerweile Feiertage. Dass die aktuelle Mannschaft ausgerechnet beim Wiedersehen des damaligen Teams zum 25. Jahrestag vor knapp zwei Wochen in Gelsenkirchen mit dem 3:2 über St. Pauli die Bundesliga-Rückkehr perfekt machte, gab der Party mächtig Schub. Zur Freude von Stevens bewiesen viele Ehemalige ähnliches Stehvermögen wie in der magischen Nacht von Mailand: „Das war ein superschöner Tag, und der Rahmen mit dem Aufstieg hätte nicht besser sein können.“

So viele Tränen

Der von unbändigem Einsatz getragene Siegeszug der Schalker durch den Wettbewerb brachte ihnen den Namen „Eurofighter“ ein. Selbst die damals hochgehandelten Mailänder scheiterten im Giuseppe-Meazza-Stadion am königsblauen Teamgeist und unterlagen im Finalrückspiel mit 1:4 im Elfmeterschießen. Olaf Thon erinnert sich vor allem an die anschließende Ekstase der Fans. „So viele Männer heulen zu sehen, das war wirklich atemberaubend“, sagte der damalige Kapitän.

Olaf Thon, der Kapitän der Schalker „Eurofighter“, mit dem Pott.
Olaf Thon, der Kapitän der Schalker »Eurofighter«, mit dem Pott.
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