Fussball-WM Katar vor dem zweiten Spiel: Die Sache mit der Stadionflucht

Weil es nicht so lief: Zuschauer aus Katar verlassen das Eröffnungsspiel frühzeitig. Aber das ist nicht außergewöhnlich, sagen d
Weil es nicht so lief: Zuschauer aus Katar verlassen das Eröffnungsspiel frühzeitig. Aber das ist nicht außergewöhnlich, sagen die Menschen in Doha.

Viele Zuschauer verließen die Arena schon während des Eröffnungsspiels von Katar. Das scheint dort nicht ungewöhnlich zu sein. Dem Gastgeber droht trotzdem das WM-Aus.

Es ist nicht ganz einfach, hinter die Fassaden zu blicken und einen Einblick zu bekommen in die Empfindungen, die die Menschen in Katar gegenüber ihrem Fußball-Nationalteam haben, jetzt wo am Freitag im Duell mit Senegal (14 Uhr, ARD) bereits das frühe Aus bei der Heim-WM droht.

Während des Eröffnungsspiels haben sich ja viele Tausend Zuschauer bereits in der Halbzeit auf den Heimweg begeben, weil die Mannschaft bei der 0:2-Niederlage gegen Ecuador chancenlos wirkte. In Europa wurde das hart und auch ein wenig hämisch kritisiert, mitunter sogar als Respektlosigkeit gegenüber dem eigenen Team und dem Gegner beschrieben. Und mancher Kommentator, der in der Werteumgebung des europäischen Klubfußballs aufgewachsen ist, war empört, weil die armen, total nervösen Spieler für jeden erkennbar Unterstützung gebraucht hätten, die sie nicht bekommen haben. „Es gibt viele emotionale Faktoren, die schwierig sind“, sagte Nationaltrainer Felix Sanchez am Tag vor der zweiten Partie seiner Mannschaft, meint damit aber explizit nicht die Unzufriedenheit der Zuschauer.

„Exzellente Stimmung, großartige WM“

Wer sich aber ein wenig umhört in Doha, erfährt nämlich, dass es völlig „normal“ sei, lange vor dem Abpfiff nach Hause zu fahren, wenn ein Fußballspiel nicht den gewünschten Verlauf nimmt. Viele Menschen sind gekränkt von der Kritik aus Europa an diesem Verhalten, dessen Außenwirkung niemandem bewusst war. Noch einmal werde das nicht passieren, kündigt ein katarischer Journalist an, der sich offenkundig angegriffen fühlt bei Fragen in diese Richtung. Auch Deutsche seien beim 1:2 ihres Teams gegen Japan gegangen, behauptet er. Und Sanchez erwidert auf die Frage nach dem emotionalen Befinden der Gastgebernation: „Ich glaube, die Atmosphäre ist exzellent. Wir haben eine großartige WM. Unglücklicherweise konnten wir den Fans nicht das Glück geben.“

Nach allem was wahrnehmbar ist, sind die meisten Katarer zwar etwas traurig und enttäuscht, aber keinesfalls verärgert oder empört, wie die Stadionflucht vom Eröffnungstag zu signalisieren schien. „Im Namen Gottes, ich denke, dass das letzte Spiel Geschichte ist“, sagt der Rechtsaußen Ismail Mohammad und formuliert einen Aufruf an seine Landsleute: „Die Mannschaft braucht die Unterstützung mehr als je zuvor. Wir wollen alle stolz machen.“ Das klingt, als hätte die Zuschauerfluch schon eine gewisse Wirkung gehabt, aber von den meisten Informationen, die sie unter Druck setzen könnten, werden die Nationalspieler abgeschirmt. „Wir versuchen, uns von Kritik zu isolieren und meiden externe Stimmen“, sagt Trainer Sanchez. Wobei in den Zeitungen sehr nüchtern, zugewandt und frei von Emotionen berichtet wird. Selbst das drohende Szenario, schneller als jeder WM-Gastgeber zuvor auszuscheiden, schreckt Sanchez nicht, der glaubt, dass seine Mannschaft erheblich mehr kann, als sie in der ersten Partie gezeigt hat.

Überrumpelt von Ecuador

Noch ist jedoch unklar, ob die Turnierplanung für das Team ein Fehler war. Die Mannschaft wurde zwar akribischer vorbereitet als alle anderen WM-Teilnehmer, monatelang wurde in Spanien und Österreich geübt und getestet, oftmals mit guten Ergebnissen. Neben dem Eröffnungsspiel haben al-Anabbi („Die Weinroten“) 2022 in Länderspielen unter anderem gegen Bulgarien, Chile, Slowenien und Albanien nur einmal verloren: mit 0:2 gegen Kanada. Sie schossen auch ein paar großartige Tore, aber das waren eben Testspiele.

In ihrer ersten WM-Partie wirkten die Katarer ein wenig überrumpelt von der körperlichen Wucht ihre Gegner aus Ecuador. „Das Resultat und die Leistung waren nicht wie erwartet“, sagt Sanchez, aber Ähnliches sei auch anderen noch viel größeren Nationen wie den Argentinien und den Deutschen passiert. Ein Hauch von Zweifel an der sportlichen Seite des katarischen WM-Projektes schimmert dennoch hervor, wenn der Trainer schon jetzt über das Turnier hinausblickt: „Wir sind ein kleines Land mit einer kleinen Bevölkerung, wir müssen all diese Faktoren berücksichtigen, ich bin überzeugt, dass Katar sich auch nach der WM weiter verbessern wird“, sagte er.

 Enttäuscht nach der Auftaktniederlage: Almoez Ali, Karim Boudiaf und Hassan Al-Haydos (von links). Hinten: Ecuadors Pervis Estu
Enttäuscht nach der Auftaktniederlage: Almoez Ali, Karim Boudiaf und Hassan Al-Haydos (von links). Hinten: Ecuadors Pervis Estupinan.
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