Sportpolitik Fragen und Antworten zur Russen-Rückkehr im Weltsport

IOC-Präsident Thomas Bach steht in der Kritik, weil er russischen und belarussischen Athleten die Rückkehr in den Weltsport ermö
IOC-Präsident Thomas Bach steht in der Kritik, weil er russischen und belarussischen Athleten die Rückkehr in den Weltsport ermöglicht.

Das Internationale Olympische Komitee spricht sich für eine Rückkehr russischer und belarussischer Athleten in den Weltsport aus. Dafür erntet es massive Kritik, die Kontroverse spitzt sich zu. Wie geht es nun weiter?

Für wen gilt die Empfehlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Athleten aus Russland und Belarus trotz des fortwährenden Kriegs in der Ukraine wieder zu internationalen Sportveranstaltungen zuzulassen?
Die Weltverbände müssen als Ausrichter der Wettkämpfe entscheiden, ob und wie sie die Vorgaben des IOC nun umsetzen. Zwar sagte Präsident Thomas Bach am Montag in Lausanne, der Beschluss gelte nicht automatisch für die Olympischen Sommerspiele 2024. Doch der Blick geht natürlich Richtung Paris, auch weil nun die ersten Qualifikationswettbewerbe anstehen. Dementsprechend sind zunächst vor allem 32 Verbände betroffen.

Wie sehen diese Leitlinien aus?
Russische und belarussische Sportler sollen als neutrale Einzelstarter unter der französischen Abkürzung AIN geführt werden. Ihre Wettkampfkleidung soll entweder komplett weiß oder in einer anderen einzelnen Farbe gestaltet sein. Verboten sind nationale Symbole, Teamlogos und die Flaggen beider Länder ebenso wie die Nationalhymnen. Den zugelassenen Athleten soll es verboten sein, sich in Interviews oder in sozialen Netzwerken positiv zum russischen Krieg in der Ukraine zu äußern. Wer es doch tut, soll vom jeweiligen Weltverband bestraft werden. Militärangehörige bleiben ausgeschlossen. Das IOC empfiehlt den Weltverbänden die Einrichtung eines unabhängigen Gremiums. Damit solle eine einheitliche Auslegung der Richtlinien gesichert werden.

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Was ist mit Mannschaften?
Grundsätzlich bleiben sie international ausgeschlossen. Eine neutrale Mannschaft aus Russland oder Belarus wäre immer als Russland oder Belarus erkennbar, sagt Andreas Michelmann, Präsident des deutschen Handballbundes - „und das widerspricht dem Geist der weiter geltenden Sanktionen.“ Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio hat Russland 21 Medaillen in Teamsportarten gewonnen, darunter sieben aus Gold. Für Paris 2024 greift der Ausschluss für die Qualifikationen im Fußball, Handball, Volleyball, Basketball, Hockey und Rugby. Belarus aber nimmt etwa aktuell an der Qualifikation zur Fußball-EM 2024 in Deutschland teil.

Wie handeln die Weltverbände?
Unterschiedlich. Im Tennis waren Russen nie ausgeschlossen. Boxer und Fechter hatten Russen und Belarussen als erste wieder zugelassen. 300 Athleten aus vielen Nationen hatten in einem offenen Brief an den Welt-Fechtverband FIE gefordert, diese Entscheidung rückgängig zu machen. Der Turn-Weltverband FIG hält derweil am Ausschluss von Sportlern aus Russland und Belarus fest – zumindest vorerst. Man werde das Thema bei der nächsten Sitzung des Exekutivkomitees beraten, hieß es. Einen Zeitpunkt nannte der Verband jedoch nicht. „Wie das IOC gesagt hat, liegt die Entscheidung der Zulassung in der Verantwortung der internationalen Verbände“, heißt es vom Leichtathletik-Weltverband – und dessen Haltung ist weiter eindeutig: Russen und Belarussen sind bei Meetings und Titelkämpfen unter seiner Regie außen vor. Präsident Sebastian Coe, selbst Mitglied im IOC, nannte vor Kurzem eine Bedingung, damit sich das ändert: Russland müsse sich vollständig aus der Ukraine zurückziehen.

Wie wirkte IOC-Präsident Thomas Bach bei dem Beschluss seines Verbands?
Unter Druck. Immer wieder betonte er, dass kein Athlet nur wegen seines Passes und seiner Nationalität ausgeschlossen werden dürfe. Dabei bezog er sich auf die Ausführungen von Alexandra Xanthaki, Menschenrechtsexpertin der Vereinten Nationen. Sie sagt, dass die Ungleichbehandlung eine Diskriminierung sei. Interessant: Alexandra Xanthaki sagte auch, dass es eine diskriminierend sei, Militärangehörige weiterhin auszuschließen. Es sei sinnvoll, diese Sportler ebenfalls wieder zuzulassen. Genau in diesem Punkt handelte Bach aber anders.

Wie reagiert die europäische Politik?
Die Empfehlung des IOC sei ein „Verrat am wahren Geist des Sports“, schrieb Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki auf Twitter. „Wir werden alles tun, was wir können, um sicherzustellen, dass der Sport frei von russischem Einfluss bleibt.“ Die in Litauen für den Sport zuständige Bildungsministerin Jurgita Siugzdiniene sprach von einer „weiteren großen Enttäuschung mit dem Internationalen Olympischen Komitee“. Es müsse nun weiter daran gearbeitet werden, dass kein internationaler Verband russische oder belarussische Sportler zulasse.

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Wie fallen die Reaktionen in Deutschland aus?
Wer Russland internationale Wettbewerbe für seine Propaganda nutzen lasse, „schadet der olympischen Idee von Frieden und Völkerverständigung“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Renata Alt, hält die Russen-Rückkehr für grundfalsch: „Das IOC beweist damit wieder einmal ein mangelndes Verständnis der Menschenrechte.“

Was ist aus der Ukraine zu hören?
„Diese Entscheidung verseucht den olympischen Geist und ist wie dieser Krieg: ein Unsinn“, schrieb der frühere Box-Weltmeister Wladimir Klitschko auf Twitter. Er warf IOC-Präsident Bach vor, den „Farben und Interessen Russlands zu dienen“. Laut dem ukrainischen Sportminister Wadym Hutzajt will das Land weiter verhindern, dass russische und belarussische Athleten an internationalen Wettkämpfen teilnehmen. Die Ukraine sieht es auch als unzumutbar an, dass ihre eigenen Sportler denen aus Russland im sportlichen Wettstreit gegenübertreten.

Wie verhalten sich die russischen Sportfunktionäre?
Sportminister Oleg Matyzin kritisierte die IOC-Entscheidung als „inhuman“. Das russische Nationale Olympische Komitee sprach von Diskriminierung und Ausgrenzung, das Angehörige des Militärs und von Sicherheitsdiensten weiterhin ausgeschlossen blieben. Dass sich Athleten nicht positiv über den Krieg in der Ukraine äußern dürfen, prangerte das NOK als politische Bevormundung an.

Militärangehörige bleiben weiterhin ausgeschlossen. Wie viele russische Athleten sind das?
Viele, bis zu 75 Prozent der Athleten, gehören wohl dem russischen Militär an – direkt oder indirekt. Vereine wie ZSKA Moskau oder Dynamo Moskau haben Verbindungen zum Militär oder Geheimdienst und bilden Kaderathleten aus. Laut russischem Verteidigungsministerium hatten mehr als 20 der Medaillengewinner von Tokio 2021 einen militärischen Dienstgrad.

Könnte Russland einen Ausweg finden, damit auch Militärangehörige zugelassen werden könnten?
Es gibt Stimmen, die befürchten, dass Russland kurzerhand sein Sportsystem umbaut. Dann würden die Athleten für normale Klubs starten, aus Sportsoldaten könnten auf die Schnelle Zivilisten werden. Wie das IOC damit umgeht, ist offen. Ebenso fehlt ein Hinweis, wie die Distanzierung „sauberer“ Athleten vom Krieg in der Ukraine aussehen könnte. Eine Art Gesinnungstest dürfte schwierig werden.

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Droht eine Boykott-Welle für Olympia?
Abwarten. Die Ukraine hat bereits gedroht, die Olympischen Spiele 2024 zu boykottieren. Für den Deutschen Olympischen Sportbund steht ein Boykott aber nicht zu Debatte. Der Dachverband kritisiert den IOC-Kurs zwar, akzeptiert ihn aber. Es dürfte daraus hinauslaufen, dass jeder Sportler individuell entscheiden muss, ob er bei Olympischen Spielen mit russischen und belarussischer Beteiligung startet.

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