Sport Die Wochenend-Kolumne: Ich bin der Meinung, ...

Beim 4:1 der deutschen Fußball-Nationalelf in Aserbaidschan erzielte André Schürrle zwei Tore, eines legte er auf. Anlässlich des WM-Qualifikationsspiels zeigte Schürrle sein Löw-Gesicht und ließ als Begründung für den gelungenen Vortrag wissen, der Bundestrainer schenke ihm eben Vertrauen und sage das auch öffentlich. Man könnte den Satz als Seitenhieb gegen seinen Dortmunder Vereinsübungsleiter Thomas Tuchel verstehen. Immerhin war Schürrle so klug zu ergänzen, er müsse einfach auch bei der Borussia nur seine Leistung bringen, dann sei alles gut. Ich tue mir schwer, Schürrle zu bewerten. Weltklasse ist er sicher nicht, auch wenn er mal ein Tor mit globaler Wirkung vorbereitet hat (Rio, Götze, 1:0, Weltmeister, Sie erinnern sich). Ist er internationale Klasse? Bundesliga-Spitze? Etwa überbewertet und Durchschnitt? Ich habe mir noch kein Urteil gebildet. In Mainz schlug er als Mitglied der „Bruchweg-Boys“ ordentlich auf die Pauke, in Leverkusen spielte er gut, in Chelsea und Wolfsburg stagnierte er – wohlwollend ausgedrückt. Lag das immer nur am Vertrauen oder der Missgunst des jeweiligen Trainers? André Schürrle ist 26 Jahre alt. Will er einst in die Annalen des deutschen Fußballs nicht als einer unter vielen eingehen, muss er sich endlich und vor allem dauerhaft auch in der Bundesliga beweisen. „Tyron wer?“ Zeuge, sage ich. Mein Gesprächspartner weitet die Augen. „Tyron Zeuge? Du verscheißerst mich, so heißt doch niemand!“ Doch. Ich hatte nicht geflunkert. Tyron Zeuge firmiert aktuell als der letzte verbliebene deutsche Weltmeister im Berufsboxen. 24 ist er, Supermittelgewichtler. Ein Talent. Doch eines ohne Stahlkraft. Vorbei sind die ruhmreichen Zeiten der Maskes, Ottkes, Rocchigianis, Michalczewskis. Die deutsche Profifaustkämpferei hängt in den Seilen. Die TV-Quoten dümpeln meist auf unter zwei Millionen Zuschauer, es mangelt an Nachwuchs, und Debatten über das Boxen haben zu oft Skandale zum Inhalt und nicht den Sport selbst. Dazu kommt das Thema Doping. Felix Sturm (38) ist bei seinem Punktsieg gegen den Russen Fedor Tschudinow am 20. Februar 2016 positiv auf die anabole Substanz Hydroxy-Stanozolol getestet worden, das Ergebnis der B-Probe bestätigte den ersten Befund. Der Weltverband sperrte Sturm nicht: Er habe seinen Gürtel niedergelegt (offiziell wegen eines lädierten Ellenbogens). Schon vor Öffnung der B-Probe twitterte Sturm, sein nächster Kampf werde im Mai oder Juni 2017 in Sarajevo stattfinden ... Der Bund Deutscher Berufsboxer (BDB) rührte sich nicht. Präsident Thomas Pütz formulierte gegen Ende des vorigen Jahres die Hoffnung auf einen neuen „Rohdiamanten“. Ob er dabei an Leon Bauer dachte, ist nicht übermittelt. Doch der 18-jährige Hatzenbühler bringt einiges mit, was ihn nach entsprechendem Schliff funkeln lassen könnte. Bauer hat neben seiner sportlichen Gabe ordentlich Grips in der Birne. Das Abitur hat er bald in der Tasche, er wird seine Energie komplett dem Sport widmen können. Gesundheit vorausgesetzt, dürfte seine Leistung einen weiteren Schub erleben. Man möchte ihm sagen: Bleib’ auf dem Boden, werde nicht übermütig, reiße keine Sprüche, lass dich nicht blenden von den Verlockungen der Scheinwelt – und bleib’ sauber. Bauer ist ein großes Talent. Das deutsche Boxen braucht einen wie ihn. Dringend. Tyron Zeuge, der vor einer Woche als Champ aus dem Ring kletterte, kann heute übrigens Gesellschaft bekommen: Marco Huck kämpft um den WM-Titel im Cruisergewicht nach Version des World Boxing Council (WBC). Huck ist 32. Ein sinkender Stern eher, kein aufgehender – so wie Bauer hoffentlich einer ist.

x