NACHRUF DFB-Ehrenpräsident Egidius Braun: Ein Weichensteller

Elegant gekleidet und ausgestattet mit einem sozialen Gewissen: der frühere DFB-Präsident Egidius Braun.
Elegant gekleidet und ausgestattet mit einem sozialen Gewissen: der frühere DFB-Präsident Egidius Braun.

Im Alter von 97 Jahren ist DFB-Ehrenpräsident Egidius Braun gestorben. Der frühere Präsident hinterlässt vor allem ein soziales Denken, das er einst im Verband verankert hat. Die aktuellen Größen in Deutschland adeln den „Pater“ verbal.

Einer seiner letzten öffentlichen Auftritte bleibt unvergessen. Beim Training der Fußball-Nationalmannschaft saß der 94-jährige Egidius Braun zunächst auf der Trainerbank. Wie immer elegant gekleidet: dunkles Sakko, weißes Hemd. Von zwei Schlaganfällen geschwächt betrat er schließlich an diesem Sommertag im Juni 2019 den Platz für ein Mannschaftsfoto mit dem Team um Kapitän Manuel Neuer.

Braun wurde gestützt, er ging am Stock. Die Zuschauer und auch die Profis waren tief bewegt. In der Nacht auf Mittwoch ist Egidius Braun im Alter von 97 Jahren gestorben.

„Pater Braun“

„Heute ist ein trauriger Tag für alle Fußballerinnen und Fußballer in Deutschland und Europa. Mit Egidius Braun verlieren wir einen besonderen Menschen, der sich mit den Möglichkeiten des Fußballs gerade für diejenigen eingesetzt hat, die Unterstützung und Zuwendung brauchen. Dabei trieb ihn insbesondere die Sorge um in Not geratene Kinder und Jugendliche“, sagte der heutige DFB-Boss Bernd Neuendorf.

Als Braun 1992 Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wurde, hatte er schnell den Namen „Pater Braun“ weg. Was sich zunächst auf seine Strenge bezog, wurde zur respektvollen Bezeichnung für einen sozialen Menschen. Für Wolfgang Niersbach, einen seiner Nachfolger, war Egidius Braun sogar „das soziale Gewissen des deutschen Fußballs“.

Drei-Säulen-Theorie

Eigentlich habe er nie DFB-Präsident werden wollen, sagte Braun einmal. Aber man habe ihn bekniet, es zu tun. Also kniete sich der Kartoffelgroßhändler rein. Während der WM 1986 in Mexiko besuchte der damalige DFB-Schatzmeister und Delegationschef das Waisenhaus „Casa de Cuna“ in Queretaro und gründete kurz darauf tief beeindruckt von den schwierigen Lebensverhältnissen der Kinder die Mexiko-Hilfe. „Fußball – Mehr als ein 1:0“, lautete sein Leit-Motto.

Den DFB wollte er nach einer „Drei-Säulen-Theorie“ führen: „Die Spitze fordern, die Breite fördern und die Gesellschaftspolitik forcieren.“ Das gelang ihm eindrucksvoll. „Egidius Braun hat uns im derzeitigen Präsidium dazu verpflichtet, über die vier Eckfahnen des Fußballfeldes hinaus zu denken“, sagte Niersbach auf einem Festakt zum 90. Geburtstag 2015 in Hennef. Seit 2001 gibt es die Egidius-Braun-Stiftung.

„Grandseigneur des deutschen Fußballs“

Er sei „der Grandseigneur des deutschen Fußballs“ gewesen, so Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke: „Ein national wie international respektierter, weltgewandter Mann, der sich immer für die Schwächeren eingesetzt und sich über viele Jahre den Ruf erworben hat, dass auf sein Wort Verlass ist.“

In seiner Amtszeit erlebte Braun einen Titel, den EM-Sieg 1996. Die Weltmeisterschaften seiner Amtszeit sind jedoch von Schatten getrübt. 1994 schickte Braun Stefan Effenberg nach dessen Stinkefinger gegen die Fans nach Hause. Effenbergs Mannschaftskollegen versuchten, ihn umzustimmen. „Doch mit mir war nicht zu reden“, sagte Braun.

Schelmisches Funkeln in den Augen

Noch viel schwerer bedrückten ihn die Geschehnisse 1998, als deutsche Hooligans in Lens randalierten und den französischen Polizisten Daniel Nivel schwer verletzten. Der DFB-Präsident konnte damals nur mit einigen Mühen davon abgehalten werden, zurückzutreten oder die Mannschaft vom Turnier zurückzuziehen. An der Schulter des im Juni 2019 verstorbenen Uefa-Präsidenten Lennart Johansson, der Braun als „meinen besten Freund im Fußball“ bezeichnete, schämte dieser sich auch seiner Tränen der Wut und Scham nicht.

2006 hatte Braun einen Schlaganfall erlitten. Doch Braun hatte immer noch das schelmische Funkeln in den Augen, mit dem er einst stolz sagte: „Als Kind wollte ich Lokomotivführer werden. Letztlich bin ich Weichensteller geworden.“

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