Fussball-WM Deutschland vor „Endspiel“ gegen Spanien: Wende oder Ende

Augen zu und durch: Bundestrainer Hansi Flick steht vor einer größten Bewährungsprobe. Er schwört auf die Qualität seines Kaders
Augen zu und durch: Bundestrainer Hansi Flick steht vor einer größten Bewährungsprobe. Er schwört auf die Qualität seines Kaders.

Der Mannschaft von Bundestrainer Hansi Flick droht erneut das Aus in einer WM-Vorrunde. Für die bestmögliche Vorbereitung riskiert der 57-Jährige einen Affront.

Hansi Flick fröstelte im gekühlten Pressekonferenzraum in Doha ein wenig, doch im bisher wichtigsten Spiel seiner Amtszeit will sich der Bundestrainer nicht kalt erwischen lassen. „Wir haben nicht die besten Voraussetzungen, aber die Qualität, das Spiel zu gewinnen“, sagte Flick bemüht optimistisch vor dem Alles-oder-nichts-Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Angstgegner Spanien am Sonntag (20 Uhr/ZDF und MagentaTV).

Auch der Bundestrainer weiß: „Die letzten Turniere waren nicht so.“ Nach dem WM-Triumph von Rio erreicht die DFB-Elf 2016 bei der Europameisterschaft noch das Halbfinale (0:2 gegen Frankreich), 2018 folgte das historische Vorrunden-Aus als Titelverteidiger bei der WM in Russland. Im vergangenen Jahr scheiterte die Mannschaft im Achtelfinale der EM an England (0:2). „Wir wollen verhindern, dass es genau so wieder kommt. Das ist das erste Finale für uns bei dieser WM“, sagte Flick. In der Ausbildung könne sich „der deutsche Fußball Spanien als Vorbild nehmen, was Technik und Taktik betrifft. Da kann man schon nochmal genau hinschauen“.

Überzeugt von eigener Idee

Eine weitere Niederlage würde für den selbst ernannten Titeljäger das nächste historische WM-Desaster bedeuten, sofern Japan zuvor gegen Costa Rica punktet. Doch Flick glaubt vor seiner größten Bewährungsprobe eher an die Wende als an ein Ende: „Ich bin von unserer Idee überzeugt. Wir gehen das Spiel mit Mut und Glaube an unsere Qualität an.“ Flick aber könnte vor dem Spiel eine unruhige Nacht im luxuriösen Zulal Wellness Resort verbracht haben. Er sei zwar mit Blick auf die Aufstellung „nicht unsicher“, sagte der 57-Jährige, noch seien allerdings „mehrere Positionen ein bisschen offen“. Eine endgültige Entscheidung will er erst am Sonntag treffen: „Da schlafe ich noch einmal eine Nacht drüber.“

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Sicher ist, dass Niklas Süle im Al-Bayt-Stadion von Al-Khor nicht noch einmal wie beim WM-Fehlstart gegen Japan (1:2) als Rechtsverteidiger auflaufen wird. Thilo Kehrer ist die wahrscheinlichste Option. Aber auch eine Rückversetzung von Mittelfeld-Chef Joshua Kimmich schloss Flick erneut nicht gänzlich aus. Offen blieb auch nach dem Abschlusstraining am Samstagabend, ob Leroy Sané, der beim 1:2 gegen Japan wegen Knieproblemen fehlte, gegen Spanien spielen wird. Für den 26-Jährigen wäre es der erste WM-Einsatz überhaupt. Beim Training am Samstag war der Offensivspieler vom FC Bayern München jedenfalls dabei und trug am rechten Knie ein auffälliges blaues Tape. Flick redete länger mit dem Angreifer, der fit immer ein Startelf-Kandidat ist. „Bei Leroy müssen wir abwarten. Erfreulich ist, dass er trainieren kann“, sagte Flick.

Fragezeichen:Ob Leroy Sané sein WM-Debüt feiert, entscheidet auch die medizinsiche Abteilung. Beim Abschlusstraining trug er ein
Fragezeichen:Ob Leroy Sané sein WM-Debüt feiert, entscheidet auch die medizinsiche Abteilung. Beim Abschlusstraining trug er ein Tape am Knie. Coach Flick ist jedenfalls guter Dinge für das Spiel gegen Spanien.

Eine Kombination mit Kimmich, Ilkay Gündogan und Leon Goretzka als Power-Puffer gegen spanische Filigrantechnik im Mittelfeld schloss Flick nicht generell aus, erscheint aber unwahrscheinlich. Vermutlich ändert Flick ganz seinem Naturell entsprechend wenig an Personal und taktischer Statik.

Für den maximalen Erfolg und die bestmögliche Vorbereitung für seine bislang schwerste Trainer-Prüfung riskierte Flick einen Affront und erschien entgegen der für alle 32 WM-Mannschaften festgelegten Regeln alleine zum „Date“ mit der versammelten Weltpresse. „Wir wollen einfach keinem Spieler zumuten, hier so lange zu fahren. Es sind insgesamt fast drei Stunden, die man im Auto sitzt. Wir haben morgen ein ganz wichtiges Spiel für uns. Und ich habe gesagt, ich mache es alleine, weil die Spieler – von 1 bis 26 – alle sind wichtig. Sie sollen sich in der wichtigen Phase auf das Training vorbereiten“, sagte Flick – 100 Kilometer Fahrt sind es ins Medienzentrum in Doha. Daher dürfte eine Geldstrafe des Weltverbandes Fifa fällig werden.

Viele Niederlagen gegen Spanien

Diese wird der DFB verkraften können – das zweite WM-Aus in der Gruppenphase hingegen würde ein mittleres Erdbeben auslösen. „Wir stehen extrem unter Druck“, sagte Ilkay Gündogan. „Die K.o.-Runde hat für uns schon früher begonnen“, ergänzte Thomas Müller. Die „rote Furie“ ist für die DFB-Elf dabei längst zur furchteinflößenden „schwarzen Bestie“ geworden. Die Spanier, sagte DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff schon vor Monaten, „sind nicht gerade unser Wunschgegner“. Nach dem furiosen 7:0 gegen Costa Rica dürfte sich an dieser Einschätzung nichts geändert haben – im Gegenteil. In fünf Pflichtspielduellen seit dem 2:0 bei der EM 1988 gelang der DFB-Elf kein Sieg. Von den jüngsten sieben Begegnungen wurde nur eine gewonnen, im EM-Finale 2008 und im WM-Halbfinale 2010 gab es schmerzhafte Niederlagen. Das demütigende 0:6 im November 2020 hätte Joachim Löw beinahe den Job gekostet.

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Daran verschwendet Flick aber keinen Gedanken. Für ihn ist die Chance größer als das Risiko. „Das blende ich aus. Ich bin von dem überzeugt, was wir machen“, sagte Flick und versprach: „Wir werden eine Mannschaft sehen, die weiß, um was es geht.“ Das war bei den großen Turnieren in der jüngeren Vergangenheit nicht immer der Fall. Von den vergangenen neun Spielen bei einer WM oder EM gewann die DFB-Auswahl nur zwei und kassierte sechs Niederlagen. Bei einem Turnierspiel blieb der viermalige Weltmeister zuletzt im EM-Achtelfinale 2016 ohne Gegentor.

Noch Weltspitze?

Die Abwehr-Patzer gegen Japan habe man „klar angesprochen“, sagte Flick. Es sei schließlich „entscheidend und wichtig zu wissen, was wir nicht so gut gemacht haben“. Das will er seinen Spielern auch noch einmal in vielen Einzelgesprächen erläutern. Es geht auch darum, sich dem eindrucksvollen spanischen Pressing zu entziehen.

Bei allen Schwächen, die die deutsche Elf gegen Japan offenbarte, ist der Respekt beim Gegner dennoch groß. „Du schaust auf ihr Trikot und siehst vier Sterne“, sagte Spaniens Coach Luis Enrique. Doch derzeit ist das DFB-Team von der Weltspitze ein gutes Stück entfernt. Oder, Hansi Flick? „Das wird das Spiel am Sonntag zeigen. Vielleicht haben wir dann eine andere, eine bessere, die richtige Antwort drauf.“

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