FCK Deutscher Meister vor 30 Jahren: „King Kalli“ – Rasenschach und Emotion

Sowas hat man lange nicht geseh’n ...: Der 1. FC Kaiserslautern wird am 15. Juni 1991 in Köln deutscher Fußballmeister.
Sowas hat man lange nicht geseh’n ...: Der 1. FC Kaiserslautern wird am 15. Juni 1991 in Köln deutscher Fußballmeister.

Kalli Feldkamp (87) hat den 1. FC Kaiserslautern 1991 als Trainer sensationell zur deutschen Meisterschaft geführt. Mit Sorge verfolgt der Meistermacher den tiefen Fall der Roten Teufel und erzählt im RHEINPFALZ-Gespräch, warum er und seine Frau die geliebte Pfalz verlassen haben.

Herr Feldkamp, wie war das möglich? Sie lösen Gerd Roggensack nach 22 Spieltagen und dem 0:4-Debakel beim SV Waldhof als Trainer ab, der FCK ist mit 16:28-Punkten Vorletzter, am 34. Spieltag gerettet und mit 31:37-Punkten Zwölfter, eine Woche später DFB-Pokalsieger und mit fast identischem Kader ein Jahr später deutscher Meister?
Es wurde möglich, weil die Qualität der Spieler da war. Ich musste einfach sehen, wer ist belastbar? Da war auch das Torwartproblem: Michael Serr und Ehrmann. Ich habe Gerry Ehrmann wieder reingenommen. Links fehlte Frank Lelle verletzt. Wir haben dann ein Trainingsspiel gegen die Amateure gemacht – da hat sich Markus Kranz angeboten, der dann im Meisterjahr eine überragende Entwicklung genommen hat. Wir haben eine Serie gestartet, nachdem wir das erste Spiel, als ich kam, gegen den HSV verloren haben. Ein ganz entscheidendes Spiel auf dem Weg zum Klassenverbleib war ein 1:0 in Stuttgart. Das letzte Saisonspiel gegen Nürnberg haben wir nach einem 1:1 in Dortmund, als „Kalle“ Emig Rot sah, nur 0:2 verloren, weil wir das Pokal-Endspiel eine Woche später gegen Bremen unbedingt gewinnen wollten und keinen Platzverweis oder eine Verletzung riskieren wollten. Da war eine gewisse Hemmung in der Mannschaft. Durch die Siegesserie, dazu den Pokalsieg, gingen wir 1990 mit Selbstvertrauen in die neue Saison. Die Mannschaft hatte auch intern an Qualität gewonnen, rechts mit Uwe Scherr und Markus Schupp, links mit Markus Kranz und Guido Hoffmann. Die größte Leistung von Reiner Geye war, dass er mich überredet hat, Miroslav Kadlec zu holen. Im ersten Training habe ich gesehen, wie langsam der ist, aber er war im Spiel immer an der richtigen Stelle.

Deutscher Meister statt Zweitliga-Meister … Wie geht das denn? Sie hatten ja unheimliches Verletzungspech, als mit dem alle überragenden Miroslav Kadlec und dem kompromisslosen Abräumer Reinhard Stumpf am 31. Spieltag gegen den VfL Bochum praktisch die halbe Abwehr ausgefallen ist, Stefan Kuntz auf einmal Libero spielte und die Partie mit 4:1 gewonnen wurde?
Im Januar 1991 im Trainingslager habe ich zu Stefan Kuntz gesagt: Du, ich glaube wir können deutscher Meister werden. Stefan hat mich ungläubig angeschaut. In der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen Bochum, als Kadlec und Stumpf verletzt ausgefallen sind, kamen mir Zweifel. Ich sagte damals: Ich glaube nicht, dass wir es jetzt noch schaffen können. Stefan Kuntz war damals ja ein hervorragender Mittelstürmer. Ich hätte nie gedacht, dass er das macht, freiwillig in die Abwehr geht. Stefan hat damals gesagt, Trainer, wenn sie mich als Libero brauchen, dann mache ich das. Wir haben dann ja Kay Friedmann und Tom Dooley mit Kuntz in die engere Deckung genommen. Dass das gut geht, konnte ich im Vorfeld nicht wissen …

Der Tiefpunkt

Am 33. Spieltag kann der FCK deutscher Meister werden. Aber es geht schief – 2:3 gegen Borussia Mönchengladbach. 0:2 nach 20 Minuten. Als Peter Wynhoff acht Minuten vor Schluss das dritte Tor für die Gladbacher schießt, flüchten Tausende aus dem Stadion, als Markus Kranz und Bruno Labbadia noch einmal verkürzen ist wohl die Hälfte zurück. Was dachten Sie? Zwei Punkte Vorsprung? Konnte ja niemand erwarten, dass die Bayern 2:2 gegen Absteiger Uerdingen spielen würden und der FCK 6:2 in Köln gewinnt?
Das Spiel gegen Gladbach war der Tiefpunkt! Die ganze Stadt war rot-weiß, für die Meisterfeier war alles gerichtet. Als wir in dieser Atmosphäre vom Hotel zum Stadion gefahren sind, die Menschen uns zugejubelt haben, da dachten die Spieler innerlich, dass sie an diesem Tag gar nicht verlieren können. Und dann bekommt Gerry Ehrmann den Ball beim 0:1 durch die Beine … Das ist ihm sonst nicht einmal im Training passiert. Wir waren am Boden. Unsere Tochter Miriam feierte an dem Tag 16. Geburtstag, wir hatten versprochen, wir sind präsent, wir sind da. Wir wären auch nicht in die Stadt, wenn wir es an dem Tag geschafft hätten. Miriam hat mit ihren Freunden gefeiert, wir haben nur auf der Terrasse gesessen. Ich war für kurze Zeit ratlos, sprachlos. Ich hätte nicht gewusst, was ich zu der Mannschaft hätte sagen sollen, einer Mannschaft, die Antworten brauchte, auf Lösungen wartete. Das Ganze musste verdaut werden. Montags hatten wir dann unsere erste Sitzung nach zwei Stunden im Wald. Das war kein Training mehr, es ging nur darum, was können wir tun, um unseren Vorsprung auf Bayern zu verteidigen. Wir haben uns ab Mittwoch zurückgezogen, um das Spiel in Köln, die noch Fünfter werden konnten, zu gewinnen. Udo Lattek war damals als Sportdirektor in Köln tätig. Dass er über die Presse verkündete „Kalli hat die Hosen voll“ hat mich nicht weiter beeindruckt.

Sie haben an jenem 15. Juni vor 30 Jahren in Köln mit ihrer Aufstellung überrascht, zwei Stammspieler rausgenommen: Bruno Labbadia, lange ein kongenialer Sturmpartner von Stefan Kuntz, und Demir Hotic waren raus. Bernhard Winkler und Marco Haber spielten und waren beim 6:2-Triumph in Köln herausragend. Winkler traf zweimal, Haber traf zweimal. War das Bauchgefühl? Glück? Intuition?
Man sagt ja oft – Bauchgefühl. Aber es gab ja eine Woche vorher das Spiel gegen Gladbach, die Niederlage. Und bei Bruno Labbadia lief es nicht mehr so gut, seit bekannt war, dass er zu Bayern München wechseln wird. Demir war ein guter, ein unberechenbarer Spieler, unheimlich explosiv. Aber seine Nervosität war im Training spürbar. In den letzten Trainingseinheiten habe ich ja aber auch gesehen, dass Bernhard Winkler und Marco Haber sehr gut drauf waren. Winkler war ein sehr guter Strafraumspieler, unberechenbar für die Kölner. Die Mannschaft in der sie standen, hat jedes Trainingsspiel gewonnen. Es waren viele kleine Beobachtungen beim Training, die meine Entscheidung reifen ließen. Ich habe keinen informiert. Ich habe auch mit Reiner Hollmann, meinem Co-Trainer, nicht darüber gesprochen, auch nicht mit Stefan Kuntz, meinem Kapitän. Ich habe auch meiner Frau nichts zur Aufstellung gesagt, als ich sie wie immer vor den Spielen abends aus dem Hotel angerufen habe. Ich wollte nicht, dass ich durch mögliche Bedenken und die Argumente der anderen meine Entscheidung wieder anzweifele, infrage stelle, unsicher werde. Als es dann in der Halbzeit in Köln 4:1 stand, habe ich zu Reiner Hollmann gesagt, „mach du hier weiter, ich fahr’ nach Hause“. Was ich natürlich nicht getan habe. Kurz vor Schluss bin ich dann in die Kabine und habe die Meisterschaft da ganz allein für mich genossen. Bis unsere Tochter Miriam zu mir kam! Als wir dann am Abend mit dem Schiff von Köln nach Koblenz an den beleuchtenden Ufern vorbei gefahren sind, wo Tausende standen, warteten, uns feierten – das war für meine Frau und für mich ein großartiges Geschenk.

Kapitän Kuntz musste man auch mal bremsen

Stichwort Kapitän, wie haben Sie Stefan Kuntz als Kapitän erlebt?
Stefan war ein belastbarer Spielführer. Er hat Dinge in Bewegung gesetzt, er war der Mann mit dem ich mich sehr oft und sehr gerne ausgetauscht habe. Man musste ihn aber auch mal bremsen, wenn er zu sehr die Rolle des Trainers angenommen hat. Die zwei-, dreimal, als wir beide aneinander geraten sind, haben uns beiden letzten Endes gut getan.

Stichwort Trainer. Wie sehen Sie Stefan Kuntz jetzt als Trainer der deutschen U21?
Die Arbeit von Stefan für den DFB mit seiner U21 ist sehr erfolgreich. Löw hätte sofort abtreten können und Stefan hätte die Nationalmannschaft übernehmen können. Ich habe mich schon gefragt, seit wann holt der DFB den Bundestrainer nicht aus den eigenen Reihen? Stefan hat das Zeug dazu! Andererseits: Hansi Flick, der es nun wird, hat eine wunderbare Karriere erlebt, er kennt den DFB aus seinen früheren Tätigkeit als Co-Trainer und als Sportdirektor. Was sonst beim DFB seit Jahren geschieht, aber ist unüberschaubar. Früher haben sie Leute wie Rehhagel und mich, die an der Seitenlinie ein bisschen Theater gemacht haben, im Sportgericht auf die Anklagebank gesetzt. Da müssten heute viele der DFB-Funktionäre sitzen! Wo ist da die Seriosität geblieben? Wer hat sich da bedient, wo ist das viele Geld hingeflossen? Das Geld wird auf dem Rasen verdient. Es ist an der Zeit, dass die Fans, die Zuschauer, sich wieder an der Nationalmannschaft erfreuen können, sich auf die Nationalmannschaft freuen können.

Schon ab 1992 ging es bergab

Wie sehen Sie den aktuellen Trainermarkt? Bayern zahlt 25, 30 Millionen für Nagelsmann, Dortmund x-Millionen für Rose, Gladbach holt für fünf Millionen Hütter aus Frankfurt. Die Bundesliga hat 2020/21 Corona bedingt eine Milliarde Minus gemacht und trotzdem fließen Millionen Ablöse für Trainer …
Ich verstehe die Aufregung nicht. Auch ein Trainer muss das Recht haben, seinen Vertrag aufzulösen. Das tun umgekehrt die Vereine ja auch, indem sie Trainer entlassen. Was ich nicht verstehe, sind Ablösesummen für Trainer.

Sie haben den FCK in den vier Jahren ab 1978 zu einer deutschen Spitzenmannschaft geformt, den FCK 1990 zum Pokalsieg, 1991 zur deutschen Meisterschaft geführt. Jetzt hat der Verein mit Müh’ und Not den Klassenverbleib in der Dritten Liga geschafft. Blutet Ihr Herz, wenn Sie das sehen? Wie sehen Sie, wie erleben Sie den FCK 30 Jahre nach “ihrer„ Meisterschaft, 23 Jahre nach der vierten deutschen Meisterschaft?
Das ist schon blamabel! Ich denke, es ging schon ab 1992 bergab! Wir haben am letzten Spieltag in Schalke verloren, wurden Fünfter. Auf dem Weg zur Pressekonferenz hat mir ein Reporter des Südwestfunks gesagt, dass Günter Klingkowski, der Schatzmeister, im Interview gerade gesagt habe, Fünfter ein Jahr nach der deutschen Meisterschaft ist schon enttäuschend. Das mich schon getroffen, ich war aufgewühlt. Ich habe dann in der Pressekonferenz gesagt, ich weiß nicht, was ich dem FCK im nächsten Jahr noch geben kann. Am nächsten Tag habe ich gekündigt. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn sie mich unter Druck gesetzt hätten. Ich hatte dann ja zwei wunderbare Jahre bei Galatasaray Istanbul, vier schöne Jahre beim Fernsehen. Was dann beim FCK kam, war kaum zu ertragen! Es war Harakiri, das Stadion zu einem WM-Stadion auszubauen. Da haben alle Funktionsträger im Verein, die Politiker in Stadt und Land, die das wollten, die das durchsetzen, unverzeihliche Fehler gemacht – auch der damalige Ministerpräsident, der die WM unbedingt wollte! Ich weiß nicht, ob ich, wenn ich noch im Aufsichtsrat gewesen wäre, in der Lage gewesen wäre, das zu verhindern. Ich weiß nicht, wie das alles passieren konnte, nachdem der FCK 1997 mit Rehhagel wieder aufgestiegen ist und sofort Meister geworden ist. Ich weiß nicht, was die handelnden Personen gemacht haben. Das tut weh, damit habe ich nie und nimmer gerechnet. Es ging viel zu vielen Leuten in der Führung darum, sich selbst darzustellen. Da war ja auch Jäggi … Es war uferlos. Ich bin den Menschen, die jetzt die Führung beim FCK übernommen haben, um zu retten, was noch zu retten ist, sehr dankbar. Ich bin froh, dass es diese Idealisten noch gibt. Viele Menschen haben meine Frau und mich schon gefragt, warum wir nach Braunschweig gezogen sind, obwohl wir die wunderbare Pfalz lieben, es genossen haben, auf kurzem Weg aus Lautern ins Elsass zu fahren. In Braunschweig aber ist zum einen unsere Tochter mit ihrem Mann und der Enkelin. Aber wir haben auch erlebt, dass die Menschen mich in Lautern nie in Ruhe gelassen haben, wenn es dem Verein schlecht ging, wenn die Ergebnisse nicht da waren. Ich hätte immer ein Amt übernehmen müssen, helfen sollen. Das Gute am Abstieg von Eintracht Braunschweig ist, dass der FCK nächste Saison wieder hier spielt. Da treffen wir uns im Stadion auf der Tribüne. Und ich spare das Porto für unseren geliebten Pfälzer Wein aus Wachenheim. Ich habe Gerhard Brenneis, der uns immer beliefert, schon gesagt, dass er den Wein dann direkt bei uns abgeben kann.

Was bevorzugen Helma und Kalli Feldkamp denn?
Grauburgunder und Rosé.

Ich kann nur sagen: Zum Wohl die Pfalz, danke für das Gespräch und von Herzen alles Gute.

Schlaglichter einer Spielzeit, in der die Roten Teufel Großkopferte aus dem Freistaat auf die Hörner nehmen und Wettfreunde glücklich machen.

Meistermacher: Kalli Feldkamp.
Meistermacher: Kalli Feldkamp.
Ausnahmezustand: Die Fans sind euphorisiert, und FCK-Kapitän Stefan Kuntz zeigt die Meisterschale sehr gerne noch mal.
Ausnahmezustand: Die Fans sind euphorisiert, und FCK-Kapitän Stefan Kuntz zeigt die Meisterschale sehr gerne noch mal.

An dieser Stelle finden Sie ein Video via GlomexSport.

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