Sport Brot und Spiele

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Plötzlich ging ein Raunen durchs Fritz-Walter-Stadion. Vor allem in der Westkurve, zweite Heimat vieler eingefleischter Fans des 1. FC Kaiserslautern, wurde es äußerst unruhig. Und das alles, obwohl der Tabellenzweite der Zweiten Fußball-Bundesliga gegen den 1. FC Heidenheim 2:0 führte und die Partie fest im Griff hatte. Nun – die diversen Laute des „Betze“-Kollektivs drückten in der Summe vor allem Verblüffung über den Standort von FCK-Torwart Tobias Sippel aus. Der nämlich war in etwa dorthin gesprintet, wo man eher den linken offensiven Außenbahnspieler vermutet, und war viel weiter von seinem Tor weg als der Ball. FCK-Verteidiger Michael Schulze, nun halb Libero, halb Torwart vor dem eigenen Strafraum, geriet arg in Bedrängnis. So stellte Heidenheims Trainer Frank Schmidt hinterher – nach der 0:4-Schlappe des FCH – mit Galgenhumor fest: „Die größte Chance hatten wir, als Torwart Sippel auf dem Weg in den Sturm war.“ Es war einer der längst berühmt-berüchtigten Hochrisiko-Ausflüge des 27-jährigen Schlussmanns, auf den eben dieser Begriff nicht immer zutrifft. Mit Mut und einer Prise Zockermentalität verlässt er sein Tor immer wieder mal wie Kultkeeper Higuita oder auch Neuer, um seinen Vorderleuten zu helfen. Was meist klappt, viele Bälle hat er schon weggeköpft. Zu Saisonbeginn gegen 60 München indes ging’s schief, Sippel quittierte Rot, obwohl kein Handspiel außerhalb des Strafraums vorlag. Seine Kameraden siegten in Unterzahl 3:2, FCK-Trainer Kosta Runjaic nahm Sippel in Schutz. Weit aufgerückte Abwehrreihen, neudeutsch: hoch stehende Viererketten, erfordern im modernen Fußball tatsächlich offensives Torwartspiel. „Aber es kommt natürlich auf die Situation an“, sagt Runjaic. Sippels Samstagsausflug mutet übertrieben an. Kein Drama für den Coach. Schließlich blieb der Kasten sauber, was in dieser Runde schon zwölfmal gelang. Runjaic ordnete Sippels Osterausflug schmunzelnd in die Kategorie Fan-Unterhaltung ein. Brot und Spiele – ja, dafür steht Sippel, dessen Familie mehrere Bäckereien in und um Bad Dürkheim betreibt. Für viele im Publikum ist er der große Liebling, viele Kinder eifern ihm nach; seine Kritiker schimpfen umso heftiger über ihn, sind nicht traurig, dass er im Juni gehen muss. Ein Interessent ist Borussia Mönchengladbach, das ihn als Nummer zwei hinter Yann Sommer will. Der FCK wird um einen guten Torwart und treuen Profi ärmer, der polarisiert und für teils heiße Diskussionen sorgt. Für beste Unterhaltung also.

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