Olympia Arbeit an Brennpunktschulen neue Herausforderung für Ringer Frank Stäbler

Schuhe aus: Frank Stäbler.
Schuhe aus: Frank Stäbler.

Diese Ehre wird wenigen Sportlern zuteil: Sogar die neutralen Kampfrichter erhoben sich am Mittwochabend in der tristen Messehalle von Tokio und applaudierten, als Frank Stäbler seine Schuhe zurückließ.

„Es war ein Zeichen. Ich wollte nicht in Versuchung kommen weiterzumachen“, sagte er nach einer schlaflosen Nacht. Mit dem Gewinn der Bronzemedaille hatte er seinen Frieden mit dem Olympiagott geschlossen. „Er hatte mir ja viele Steine in den Weg gelegt, in London, in Rio und auch hier sah es nach dem Viertelfinale schlecht aus, das war ein totaler Rückschlag“, sagte er. Aber der Kämpfer Stäbler gab nicht auf.

Die Qual des „Abkochens“

„Ich hatte vor dem Kampf tausend Gedanken. Hey, das ist jetzt das letzte Mal in deinem Leben, diesen krassen Druck auszuhalten. Wenn du das jetzt verkackst, wirst du nicht mehr froh werden.“ Stäbler wurde froh. Sehr froh sogar. Alles in eineinhalb Jahrzehnten, in denen er drei Mal Weltmeister wurde, bekam einen Sinn. Auch diese unfassbare Tortur des Abnehmens, des Abkochens, wie die Ringer sagen, die keiner sieht und keiner ahnt. Da der Weltverband seine Gewichtsklasse abschaffte, musste er, um seinen olympischen Traum leben zu können, über acht Kilo Körpergewicht verlieren und das bei acht Prozent Körperfettanteil. Die Waage eine Stunde vor dem Wettkampf lässt sich nicht manipulieren. Stäbler verdeutlicht, dass die ganze Arbeit, das ganze Leid, vor dem Kampf stattfindet.

„Beim Kampf ruft man nur noch ab und danach geht es weiter, denn es ist neu, dass auch am zweiten Tag gewogen wird“. Für ihn hieß es, weil er 1,2 Kilogramm drüber war: „Zwei Pullis, zwei Schwitzjacken angezogen, halbe Stunde gejoggt, dreiviertel Stunde aufs Ergometer, da habe ich ein Kilo runtergeholt, aber noch waren es 200 Gramm zu viel, ich habe abends und nachts nur dagelegen, nicht geschlafen“, schilderte er das erbarmungslose Prozedere, den Kampf um jedes Gramm. Auch dass er brutale Magen-Darm-Problem hatte: „Das muss man mental wegstecken, dass es klappte ist nur geil.“

„Richtiges Olympiafeeling“

Aber der Schwabe aus Musberg, der jahrelang im umgebauten Stall auf dem Anwesen seiner Eltern trainierte, vermisste etwas: „Ich lebe die Emotionen, habe immer Familie, Freunde, Fans dabei, 70, 80 Menschen begleiteten mich auf der ganzen Welt. Das leere Geisterstadion war für mich unfassbar schwierig“, gab er zu, „aber besser so als gar nicht.“ Tokio hatte er schlechter erwartet, die Medien hätten viele Vorurteile verursacht: „Rio war eine Katastrophe, aber hier hatte ich ein richtiges Olympiafeeling“.

Frank Stäbler, Vorzeigeathlet, ein feiner Kerl, wird auch künftig nichts dem Zufall überlassen. Freude und Erleichterung werden überwiegen, er wird nicht in das berühmte Loch fallen, nur weil ein Lebensabschnitt vorbei ist. National wird er für Heilbronn weiterringen, um gesund abzutrainieren. „Vor allem werde ich die nächsten Wochen und Monate jedes Essen und Trinken mit Genuss zu mir nehmen, mir nicht mehr Gedanken über Menge und Gewürze machen, ich werde bissel Party machen, ohne schlechtes Gewissen zu haben, viel Zeit mit Familie und Kindern verbringen. Ich habe deren halbes Leben verpasst“, sagte der 32-Jährige, der seinen Körper für Medaillen geschunden hat.

Kinder wieder zum Ringen bringen

Er hat Projekte als Motivationscoach angeleiert, mit dem Kultusministerium in Baden-Württemberg. „Be ready“, heißt eines, Stäbler wird in Brennpunktschulen jungen Menschen Inspirationen fürs Leben geben und natürlich versuchen, wieder Kinder zum Ringen zu bringen. „Ich habe einen Namen, ich sehe das als meine Aufgabe an“, sagte Frank Stäbler. Einfach ein vorbildlicher Sportler.

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