Meinung „Abendmahl“-Szene bei Olympia-Eröffnungsfeier: Kirche und Rechte auf den Barrikaden
Wo Kunst ist, ist auch Kritik. Als Theater- und Opernregisseur weiß Thomas Jolly das allzu gut. Seine Stücke werden gerne „verrissen“. Nun hat er zwei Jahre lang an der Olympia-Eröffnungsfeier gebastelt mit dem Ziel, Paris und Frankreich in das Licht zu rücken, das es verdient. Entstanden ist eine vierstündige Show – bunt, schrill, laut, divers, historisch, revolutionär. Und damit ganz im Stile von la République, deren Menschen sich ja gerne auf die Hinterfüße stellen. Schon immer.
Es war ein wilder Stil-Mix, Metal-Band und Opernsänger, die frankomalische Rapperin Aya Nakamura aus der Pariser Banlieue, wo häufig Mülltonnen brennen, tanzte mit der präsidialen Garde vor der Académie française. 300.000 Zuschauer entlang der Seine, 3000 Protagonisten, die Friedenshymne „Imagine“ von John Lennon neben einem brennenden Klavier. Die Sportler kamen recht kurz, ihre Bühne sind mal nun die Wettbewerbe. Lady Gaga sang, Céline Dion machte die Piaf. Das alles, ein Rausch der Sinne. Verrückt, ja, aber genauso wohltuend in einer Welt, die allzu oft rückwärtsgewandt erscheint.
Vorwurf: Christentum lächerlich gemacht
Das alles hat vielen gefallen, aber bei Weitem nicht allen, konnte es nicht, musste es auch nicht. Wenn aus allen Ecken die Wut schäumt, hat man als Künstler vieles richtig gemacht, weil man niemandem nach dem Mund gesprochen hat. Die französischen Rechten meldeten sich zu Wort, die Konservativen – und vor allem die katholische Kirche. Denn da war dieses Abendmahl, jenes berühmte Gemälde von Leonardo da Vinci mit Jesus und seinen Jüngern, nachgestellt von Drag Queens und queeren Menschen. Davor drapiert ein dicklicher Mann, blau angemalt, ein fast nackter Dionysos als Gott der Festlichkeit. Bei einer Frau mit Vollbart muss der Heilige Stuhl natürlich aufschreien. Von Blasphemie ist die Rede, von der Absicht, das Christentum lächerlich machen zu wollen.
Thomas Jolly habe nie unverschämt sein wollen, heißt es nun von den Organisatoren. „Wir wollten nicht schockieren“, sagt der Regisseur selbst, „wir wollten nur sagen, dass wir dieses große, inklusive, offenherzige, solidarische Wir so wahnsinnig nötig haben.“ Doch eine Entschuldigung ist nicht nötig, nicht einmal eine Rechtfertigung. Kritik ist erlaubt und erwünscht. Aber manchmal zeigt sie eben auch, dass die Werte, die die Olympia-Eröffnung transportieren wollte, noch nicht überall angekommen sind.