Handball Der Mann an der Heizung

Wird immer besser: Stefan Hanemann.
Wird immer besser: Stefan Hanemann.

«Ludwigshafen.» Der Platz neben der Heizung gehört Stefan Hanemann. Das war sein Sitz in der Kabine des Handball-Zweitligisten HSG Konstanz und das ist nun sein Sitz in der Kabine der Eulen Ludwigshafen. Als Eulen-Trainer Ben Matschke den U21-Nationaltorwart im November anrief, wurde Hanemann ganz warm ums Herz. „Ich dachte, das ist nicht wahr“, erzählt Hanemann. Ein Anruf eines Bundesliga-Coaches. Hanemann hatte mit einem Anruf eines Erstliga-Trainers erst in vier bis fünf Jahren gerechnet. Sein Ziel war es, mit 26 Jahren in der Bundesliga zu spielen. Dieses Ziel hat Hanemann früher erreicht als gedacht. Er wird mit 22 Jahren Bundesliga-Torwart. Seit 1. Januar 2018 ist der Sport- und Russisch-Student an der Universität Heidelberg Torwart der Eulen. Er ist der Mann für die Zukunft. Daran glaubt Trainer Ben Matschke fest. „Ich habe mir Stefan ausgesucht, weil ich in ihm einen Top-Keeper sehe“, sagte Matschke gestern nach der 25:27 (15:15)-Niederlage der Eulen gegen die TSV Hannover-Burgdorf. Eine durchaus kühne Ansicht, doch Matschke sagt auch: „Das ist keine Entwicklung von einer Woche.“ Lange Zeit lief es nicht gut für Hanemann. Er stand in der Kritik. Doch er musste spielen. Der andere Torwart, Mathias Lenz, war krank oder verletzt. Deshalb holten die Eulen vor wenigen Tagen Matej Asanin (25). „Ich bin kein Typ, der Ausreden sucht. Wenn ich nichts gehalten habe, drehe ich mich jetzt nicht um, gehe nach Hause und alles ist mir egal. Nein, ich tausche mich unserem Trainer aus und reflektiere das Spiel.“ Hanemann bleibt keine andere Wahl. Ben Matschke hat die Torwart-Ausbildung zur Chefsache gemacht. „Ich bin nun für die Entwicklung der Torhüter verantwortlich“, sagt Matschke. Seit er Sonderschichten mit Stefan Hanemann einlegt, geht es aufwärts. In Gummersbach vorige Woche hielt der ehemalige Junioren-Nationaltorwart in der ersten Halbzeit glänzend, baute dann ab. Gestern gegen Hannover spielte Hanemann zu Beginn und am Ende der Partie gut. Zwischendurch hatte ihn Matschke aus dem Spiel genommen und die Neuverpflichtung Asanin gebracht. Doch der fand nicht ins Spiel – wie schon in Gummersbach. Matschke kennt den Grund: „Matej durfte zwei Wochen in Lissabon nicht trainieren, als bekannt wurde, dass er zu uns wechselt. Er ist ein guter Torwart. Es ist nur eine Frage der Zeit.“ Gut möglich, dass der ehemalige kroatische Junioren-Nationaltorwart wenig zum Einsatz kommt bei den Eulen, weil Hanemann immer besser wird. Dabei wäre die Laufbahn des 1,96 Meter langen und 100 Kilogramm schweren Hanemann fast beendet gewesen. Eine Knieverletzung vor einigen Jahren zwang ihn zu einer zehnmonatigen Pause – die Ärzte hatten zunächst sechs Wochen vorausgesagt. Doch das Knie spielte nicht so mit, wie er wollte. Er musste die Europameisterschaft absagen. Das Turnier war ihm aber so wichtig, denn es war ein Etappenziel in seiner sportlichen Laufbahn. „In diesem Tief denkt man über das Leben nach“, schaut Hanemann zurück. Er kämpfte. „Ich habe noch zwei kleinere Brüder. Ich wollte ihnen später nicht in der Rückschau erzählen, dass alles so früh vorbei war. Vielmehr wollte ich ihnen erzählen, was ich erreicht habe“, sagt Hanemann. Dieser Tiefschlag hat ihn geerdet, hat ihm eine gewisse Demut für seinen Sport, für den Umgang mit seiner Gesundheit gebracht. Denn Hanemann hat früh gelernt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das hat ihm Jasmin Camdzic, ein international sehr bekannter Torwarttrainer des Handball-Bundesligisten HSG Wetzlar, quasi eingeimpft. Hanemann kam als kleiner Junge zur HSG Wetzlar. Mit der A- und B-Jugend wurde er deutscher Vizemeister. Hanemann versuchte viel. Zu viel. Camdzic lenkte ihn in die richtige Spur, brachte Hanemann Gelassenheit und Lockerheit bei. Dieser Charakterzug wiederum half ihm, mit Rückschlägen umzugehen – auch bei den Eulen. Hanemann lernte mit Druck, mit Stresssituation immer besser umzugehen. Geholfen hat Hanemann auch sein Gläubigkeit. „Ich gehe nicht jede Woche in die Kirche, aber glaube an Gott“, betont er. Deshalb betet Hanemann vor jedem Spiel. Er spricht vor sich hin, wünscht, dass er gesund bleibt. „Das ist alles irgendwo Schicksal“, sagt er. Das Schicksal scheint es jedenfalls gut mit Stefan Hanemann gemeint zu haben. Nach seiner Verletzung stieg er mit Konstanz in die Zweite Liga auf und wurde wieder in die U21-Nationalmannschaft berufen. Im Sommer 2016 wurde er mit dem Team Vierter bei der Weltmeisterschaft in Ägypten. Nun lautet das nächste Ziel: Klassenverbleib 2019 mit den Eulen Ludwigshafen. Sport

x