1. FC Kaiserslautern Abpfiff – der Betzenberg-Krimi (9)

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In welchem der Feldkamp bei Gulasch mit Spätzle darüber nachdenkt, wie man das Handy des Sportkameraden Sandig knacken kann.

Bei Kapitel 1 beginnen? Alle Teile des Krimis finden Sie hier.

Im ersten Moment ist dem Feldkamp nichts anderes eingefallen, als zu fragen: „Ist das Ihrer?“

Sein zweiter Gedanke war: Wie kann man eigentlich so dämlich sein, der armen Frau Sandig jetzt eine solche Frage zu stellen?

Was ihn auf seinen dritten Gedanken bringt: Nämlich, dass die Frau Sandig wohl eher nicht der Typ Frau ist, der rote Spitzenwäsche trägt, und sie außerdem nicht so aufgeschrien hätte, wenn der Slip ihrer gewesen wäre.

Und so stellt der Feldkamp endlich die einzig vernünftige Frage, die man in so einer Situation stellen kann:

„Wo haben Sie denn den gefunden?“

Gottseidank scheint die Frau Sandig seine erste Frage überhört zu haben und sich erst jetzt langsam aus ihrer Erstarrung zu lösen.

„Hier“, sagt sie tonlos und deutet auf die ausgestülpten Hosentaschen der Jeans. „Hier, in seiner Hose.“ Dann lässt sie beides auf den Boden fallen: die Jeans und den roten Damenslip.

In dieser Sekunde klingelt das Handy vom Feldkamp. Dran ist – als hätte sie das wieder einmal geahnt – seine Mutter.

Warum er denn noch nicht angerufen habe? Ob er wieder gut in Hamburg angekommen sei? Und dass sie immer noch glaube, dass der Schiedsrichter ermordet worden ist.

„Ja, Ja, Mutter“, lügt der Feldkamp. „Alles in Ordnung!“

Dass er in Wahrheit nicht in Hamburg, sondern in Memmingen ist, sagt er nicht. Auch nicht, was seit dem Vormittag, als er in Haßloch abgefahren ist, alles passiert ist. Keine ruhige Minute hätte er mehr, wenn die Mutter das wüsste.

Der Frau Sandig scheint die kurze Unterbrechung gutgetan zu haben. Entschlossen stopft sie die Jeans in die Waschmaschine und startet das Waschprogramm. „Der Slip ist Feinwäsche“, murmelt sie dabei. „Den muss ich extra waschen.“

Wie gut, dass sie eine so ordentliche Hausfrau ist, denkt sich der Feldkamp dabei. Hat auch bei einer verschissenen Jeans noch nachgeschaut, ob etwas in den Hosentaschen ist, bevor sie sie in die Waschmaschine gibt. Ich hätte die einfach in die Mülltonne geworfen. Selbst die Kripoleute waren ja offensichtlich so angeekelt, dass sie die Hose nicht näher untersucht haben. Und so haben sie sich auch nicht die Frage stellen müssen, was ein roter Damenslip in der Hose eines toten Schiedsrichters zu suchen hat.

Feldkamp sieht schon die Schlagzeile vor sich: „Toter Schiedsrichter – geheimnisvoller roter Damenslip“. Das gibt der ganzen Geschichte natürlich eine ganz andere Wendung, eine, die er überdies exklusiv hat. Fragt sich nur, wem das Höschen eigentlich gehört und wie es in die Hose von dem Sandig gekommen ist.

Eigentlich gibt es dafür nur eine Erklärung. Der Sandig hatte eine Affäre mit einer anderen Frau. Und das würde auch erklären, warum er in der Hochzeitssuite vom Hubertushof abgestiegen ist und nicht im selben Hotel wie seine Schiedsrichterkollegen.

Witwentränen und Gulasch

Ich muss unbedingt noch einmal mit dem Hofreiter reden, denkt der Feldkamp. Und mit dem Barkeeper. Auch wegen der hohen Rechnung in der Bar. Auch die passt wie ein Puzzleteil in das andere zu einem Damenbesuch.

Die Frau Sandig scheint zu ahnen, was der Feldkamp gerade denkt.

„Glauben Sie, er hatte eine andere?“, fragt sie, während sie das rote Höschen in einer Lauge aus Wasser und Feinwaschmittel im Waschbecken versenkt.

Das Einzige, was ihr Halt gibt, ist dieser automatische Reflex, ihren Pflichten im Haushalt zu genügen, denkt der Feldkamp. Eingeübtes Verhalten. Dulden und gehorchen. Schon als Kind. Dann als Pflegerin von der Mutter vom Sandig, dann als seine Ehefrau. Bier und Essen auf den Tisch stellen, wenn der Mann nach Hause kommt. Sein Wäsche waschen und bügeln – welch ein fremdbestimmtes Leben. Selbst den Slip seiner Geliebten muss sie erst einmal waschen, statt ihn in den Müll zu werfen.

Trotzdem glaubt der Feldkamp gerade eine Veränderung in ihrem Gesicht zu sehen – und wie ihre Hände jetzt das Höschen schrubben. Fast sieht es so aus, als wolle sie es erwürgen, als sie es auswringt.

Ja, kein Zweifel. In der Frau Sandig steigt gerade Wut auf. Endlich, ist der Feldkamp versucht zu sagen. Lass es endlich raus! Doch dann fällt die kleine Frau wieder abrupt in sich zusammen und fängt hemmungslos an zu schluchzen.

Behutsam nimmt der Feldkamp sie in den Arm, führt sie aus dem Bad in die Küche und lässt sie weinen, weinen und weinen.

Der Feldkamp hat dabei die ganze Zeit nur stumm neben ihr gesessen und ist auf seinem Stuhl unruhig hin und her gerutscht. Frauen, die weinen, das ist nun überhaupt nicht sein Ding. Muss man da jetzt irgendwelche tröstenden Worte sagen? Vielleicht die Hand halten? Und warum spukt jetzt auch noch diese Schnulze aus seiner Jugendzeit in seinem Kopf: „Weine nicht, kleine Eva“. Von wem war das noch? Von den Flippers? Immerhin sagt ihm sein Instinkt, dass es jetzt wohl keine gute Idee wäre, sein Handy herauszuholen und nachzuschauen, wann der nächste Zug geht.

„Ich habe noch Gulasch im Kühlschrank.“

So abrupt die Frau Sandig angefangen hat zu weinen, so abrupt hört sie auch wieder auf damit. Und wieder fühlt sich der Feldkamp, als ob nicht er in der Küche sitzen würde, sondern ihr Ehemann.

„Ich habe doch noch extra ein Gulasch für ihn gemacht“, spricht die Frau Sandig weiter. „Damit er was Anständiges zu essen hat, wenn er wiederkommt.“

Ohne ihn weiter zu fragen, holt sie aus dem Kühlschrank einen Topf, setzt ihn auf den Herd und beginnt, den Tisch zu decken.

Erklär mir einer die Frauen, denkt der Feldkamp. Eben noch die schluchzende Witwe und jetzt wieder die besorgte Hausfrau. Aber eigentlich, Hunger hat er schon. Und das Gulasch von der Frau Sandig ist bestimmt nicht schlecht. Dafür hat er einen Riecher.

Das Gulasch ist sogar hervorragend. Schon lange hat der Feldkamp nicht mehr so ein gutes Gulasch gegessen. Und weil die Frau Sandig auch nicht wieder anfängt zu weinen, traut er sich, endlich die Frage zu stellen, die ihm schon die ganze Zeit auf der Zunge brennt: „Hat Ihnen die Polizei auch das Handy von Ihrem Mann zurückgegeben?“

„Ja … ähem … warum?“

„Weil wir damit vielleicht herausfinden können, wem dieser … ähem … diese fremde Unterwäsche gehört?“

„Wie das denn?“

„Na, Sie haben mich doch vorhin selbst gefragt, Frau Sandig, ob Ihr Mann vielleicht eine … ähem … andere gehabt hat. Und vielleicht finden wir auf dem Handy eine Nachricht von dieser Person. Oder eine Telefonnummer. Oder sogar ein Foto.“

„Ein Foto?“

So, wie ihn die Frau Sandig dabei angestarrt hat, ist sich der Feldkamp nicht sicher, was sie jetzt damit gemeint hat, mit der Frage nach einem Foto. War das jetzt die natürliche Reaktion jeder betrogenen Frau, die nicht mehr interessiert, ob die Geliebte besser aussieht als man selbst? Oder weiß diese Frau etwa nicht, dass man mit Handys heutzutage auch fotografieren kann? Ausschließen tut der Feldkamp bei dieser seltsamen Person gar nichts mehr.

Die Enttäuschung in ihrem Gesicht verrät dem Feldkamp allerdings, dass sie sehr wohl gern gesehen hätte, wie die Frau mit dem roten Slip aussieht. Nur ist auf dem Handy, das sie aus ihrer Handtasche holt, nichts anderes zu sehen als das Zahlenfeld mit der Aufforderung „Code eingeben“.

Der Feldkamp ist natürlich auch enttäuscht gewesen. Mächtig enttäuscht sogar. Denn wenn ihn sein Instinkt nicht trügt, ist auf diesem Handy noch mehr zu finden als das Foto einer fremden Frau. Vielleicht sogar der Schlüssel zu all dem, was im Hotel Hubertushof wirklich passiert ist?

„Sie kennen nicht zufälligerweise die Geheimzahl?“, fragt er trotzdem die Frau Sandig. Schon ahnend, was sie antworten wird: „Ich? Nein! Der hätte mich nie an sein Handy gelassen!“

Pause. Stillschweigen. Wie jetzt weiter?

Ehevertrag ist formnichtig

Das einzig Gute ist, dass der Sandig sich nicht für einen Fingerabdruck als Telefonsperre entschieden hat. Aber für welchen Code dann? Ob der Sandig einer von den vielen Menschen gewesen ist, die glauben, besonders schlau zu sein, wenn sie als Zahlencode die 1234 wählen, überlegt der Feldkamp. Oder 2580, die mittlere senkrechte Reihe der Handytastatur? Feldkamp glaubt das nicht. Nach allem, was er inzwischen über den Sandig weiß, hat der sich was besonders Heimtückisches einfallen lassen. Auf jeden Fall einen Code, der sich nicht mit drei Versuchen knacken lässt. Denn dann ist ja bekanntermaßen Ende im Gelände auf dem Handy.

„Und was ist, wenn er dieser Frau alles vermacht hat?“

Die Frau Sandig ist offensichtlich schon einen Schritt weiter mit ihren Gedanken. Ein gutes Zeichen, denkt der Feldkamp. Langsam beginnt sie, sich endlich einmal um sich selbst zu kümmern.

„Wissen Sie denn, ob er ein Testament gemacht hat?“, fragt er.

„Nein. Ich glaube nicht.“

„Und hat er Kinder oder sonstige Verwandte?“

„Nicht, dass ich wüsste.“

„Na. Dann brauchen Sie sich erst einmal keine großen Sorgen zu machen. Als seine Ehefrau fällt das Erbe dann automatisch an Sie. Und selbst wenn er ein Testament gemacht hat, zugunsten seiner Geliebten etwa, müsste Ihnen zumindest ein Pflichtteil zustehen.“

„Müsste“, hat er gesagt, der Feldkamp. Denn so viel Ahnung hat er nicht vom Erbrecht, wenn er ehrlich ist. Aber er will auch der Frau Sandig jetzt nicht noch zusätzlich Angst machen.

„Und was ist mit dem Vertrag?“, fragt die als Nächstes.

„Welcher Vertrag?“

„Na der, den ich unterschreiben musste vor der Hochzeit.“

„Sie meinen einen Ehevertrag mit Gütertrennung und so?“

„Ich glaube ja.“

Puh, denkt der Feldkamp. Auch das noch. Aber das hätte man sich ja denken können bei diesem Stinkstiefel. Hoffentlich hat er diese arme Frau nicht über den Tisch gezogen.

Aber dann fällt ihm etwas ein: „Wo haben Sie denn diesen Ehevertrag unterschrieben? Bei einem Notar?“

„Nein. Hier in der Küche. Der hatte sich den ausgedruckt aus dem Internet.“

Der Feldkamp atmet erleichtert durch: „Da kann ich Sie jetzt wirklich beruhigen“, sagt er. „Jeder Ehevertrag, der nicht vor einem Notar abgeschlossen wird, ist formnichtig.“

Das weiß er ganz genau. Von seinem jüngsten Sohn, der Rockstar studiert. Oder besser gesagt von einem Schulfreund von ihm, dessen Eltern sich haben scheiden lassen damals. Sogar den juristischen Begriff „formnichtig“ hat er sich gemerkt.

„Und wie soll das jetzt alles weitergehen?“, fragt die Frau Sandig. „Was muss ich denn jetzt machen wegen der Erbschaft? Und wie soll ich die Beerdigung bezahlen? Ich habe doch nicht einmal das Geld für die Hotelrechnung. Jesus, ich habe doch nicht einmal ein eigenes Konto, ich dämliche Kuh!“

Das ist in der Tat ein Problem, denkt der Feldkamp. Und bis der Erbschein vom Amtsgericht kommt, können Wochen vergehen. Wie soll die Frau bis dahin über die Runden kommen?

„Um das Geld machen Sie sich mal keine Sorgen“, sagt er. „Da habe ich eine Idee.“

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Alle Teile des Betze-Krimis finden Sie hier.

 

Zur Person

Udo Röbel, geboren 1950 in Neustadt an der Weinstraße, ist Journalist und Autor. Der ehemalige RHEINPFALZ-Volontär wurde später in die Chefredaktion des Kölner „Express“ und an die Spitze der BILD-Zeitung berufen. Für seine Rolle in der sogenannten Kießling-Affäre wurde er mit dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse ausgezeichnet. 1988 stieg er bei der Geiselnahme von Gladbeck zu Entführern und Geiseln ins Auto. Das Verhalten der Medien während der Geiselnahme führte zu einer Erweiterung der Richtlinien im Pressekodex. Heute lebt Röbel in Hamburg und Berlin. Ein Interview mit dem Autor finden Sie hier.

 

 

 

Journalist und Autor Udo Röbel.
Journalist und Autor Udo Röbel.

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