1. FC Kaiserslautern Abpfiff – der Betzenberg-Krimi (7)

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In welchem der Feldkamp sein Handy verloren hat, die Frau des toten Schiedsrichters kennenlernt und dem Anton beinahe eine reinsemmelt.

Am nächsten Morgen ist der Feldkamp mit einem ziemlich dicken Kopf aufgewacht. Und als er die Treppe von seinem alten Kinderzimmer runter in die Küche steigt, merkt er, dass er immer noch ein paar runde Füße hat. So viel Rieslingschorle verträgt er halt doch nicht. Außerdem hat er immer noch Mühe, sich an den weiteren Verlauf des gestrigen Abends zu erinnern.

Unten empfängt ihn die Mutter mit der Frage, ob er ein Lewwerworschdebrod zum Frühstück haben will. Oder ein Stück von dem Zitronenkuchen, den der Schorsch zu ihrem Geburtstag gebacken hat. Oder doch vielleicht lieber …?

„Nee. Danke, Mutter!“, wehrt er ab. „Was ich jetzt brauche, ist erst einmal einen Kaffee und eine Zigarette.“

Das Schöne zu Hause in Haßloch ist, dass man hier noch rauchen kann. So, wie das früher halt so üblich war. Auch der Vater hat von morgens bis abends gequarzt, was das Zeug hält. Und deshalb ist das Einzige, was seine Mutter dazu sagt: „Gell, aber du rauchst nicht mehr so viel wie früher?“

Der Feldkamp nickt nur und greift zur Zeitung.

„Über den toten Schiedsrichter steht nix drin“, sagt die Mutter, während sie ihm den Kaffee einschenkt. „Aber ich habe heute Nacht geträumt von ihm. Die können sagen, was sie wollen. Ich glaube, den haben sie umgebracht.“

Für einen Moment ist der Feldkamp versucht, ihr von gestern Abend zu erzählen. Von den Fotos, die der Anton mit seinem Handy gemacht hat. Aber dann lässt er es lieber. Jedes Detail würde die Fantasien von der Mutter noch mehr entfachen. Die würde nicht mehr aufhören, davon zu reden, und ihn auch in Hamburg ständig anrufen deswegen. Für ihn ist die Geschichte eh erledigt und für seinen Sohn von dem großen Nachrichtenmagazin erst einmal auch. Aus einem Herzinfarkt lässt sich halt nicht mehr viel Honig saugen. Zeit, sich wieder auf den Weg nach Hause zu machen.

Hat er ihn eigentlich noch angerufen gestern Abend, seinen Ältesten, fragt er sich. Schemenhaft kann er sich erinnern, dass er mit ihm telefoniert hat. Ja. Heimlich unten auf der Toilette. Aus Rücksicht auf den Anton. Der hat hinterher sowieso noch scheißende Angst gehabt, dass er ihnen alles erzählt und auch die Fotos gezeigt hat. „Kein Wort über die Hochzeitssuite“, hat er sie noch beschworen, als er sie zum Taxi gebracht hat.

Nur der Heiner ist noch mit seinem eigenen Auto gefahren. Weil, der Heiner ist noch nie mit einem Taxi nach Hause gefahren. Weil, er lebt allein. Der Schorsch hätte Ärger mit Feldkamps Schwester bekommen. Und der Jean mit seiner Frau. Wenn die noch selbst gefahren wären, in ihrem Zustand.

„Vielleicht war es ja Nervengift? So wie bei dem russischen Spion in England.“

Die Mutter vom Feldkamp ist immer noch in ihren Gedanken bei dem toten Schiedsrichter. Aber in dem Moment steht die Claudia in der Tür: „Jetzt hör doch mal auf, Mutter!“, sagt sie leicht genervt. „Ich hab vorhin extra noch einmal mit der Redaktion telefoniert. Es war ein ganz normaler Herzinfarkt. Das hat auch die Obduktion ergeben.“

Aber die Mutter bleibt trotzig. „Das haben sie bei dem Russen auch gesagt“, grummelt sie.

Um des lieben Friedens willen entschließt sich der Feldkamp, doch lieber ein Lewwerworschdebrod haben zu wollen. Wenn der Bu etwas zu essen haben will, vergisst die Mutter selbst ihre Mordfantasien. Was er dabei nicht bedacht hat, ist, dass das natürlich auch seine Schwester auf den Plan ruft. Am Ende schmieren die Mutter und die Claudia dem Feldkamp gleich fünf Lewwerworschdebrode. Weil die Fahrt ist ja so lang, und weil es in Hamburg keine gescheite Lewwerworschd gibt, muss er auch noch drei Dosen vom Metzger Schwarzmüller mitnehmen, und die Bratwürste und den Saumagen, die er noch nicht gegessen hat. Weil, es wäre ja auch wirklich schade, wenn sie das gute Zeug wegschmeißen müssten.

Handysuche nach durchzechter Nacht

Muss ich an dieser Stelle erklären, dass Saumagen nichts Ekliges ist und nichts mit Innereien? Also für alle, die es noch nicht wissen: Der Saumagen hat seinen Namen tatsächlich vom Magen der Sau, ist aber nichts Weiteres als die Hülle, ähnlich wie der Darm für die Wurst. Entscheidend ist, mit was er gefüllt ist: nämlich mit kleinen Fleischstücken, Bratwurstbrät, Kartoffeln und Kräutern, die in dem Magen für Stunden sanft gegart werden, wobei natürlich jeder gute Metzger sein eigenes geheimes Rezept dafür hat. Das Ganze dann in Scheiben geschnitten und von beiden Seiten schön gebraten, dazu Brot und Sauerkraut, und schon ist der Pfälzer glückselig. Vorausgesetzt natürlich, dass es dazu einen Rieslingschorle gibt.

Das scheint auch die Schwester vom Feldkamp gerade zu denken. Denn sie gibt keine Ruhe, bis auch noch eine Kiste von dem Riesling vom Schorsch im Kofferraum seines Autos verstaut ist.

Noch einmal ein dicker Kuss von der Mutter, noch einmal eine Umarmung von der Claudia – der Feldkamp will gerade den Motor anlassen, als er merkt, dass sein Handy nicht in seiner Jacketttasche steckt.

Scheiße! Auch im Mantel ist es nicht, auch nicht in seiner Reisetasche und oben im Kinderzimmer erst recht nicht. Das ganze Haus stellen sie auf den Kopf – nichts.

Was tun?

Alle drei, also der Feldkamp, seine Schwester und die Mutter, kommen fast zeitgleich auf dieselbe Idee. Wobei die Mutter ehrlicherweise ein bisschen schneller gewesen ist, was der Feldkamp ihr mit ihren 89 Jahren auch nicht zugetraut hätte.

„Ruf doch einmal deine Nummer an“, sagt sie, um am besten gleich selbst anzurufen. Schon ist sie bei dem alten grünen Festnetztelefon, das gleich neben der Haustür auf der Anrichte steht. Das erste mit Tasten seinerzeit, was damals eine Sensation war nach den Telefonen mit der Wählscheibe. Und sie scheint fast in den Telefonhörer hineinzuschlüpfen.

„Wer ist da?“, ruft sie nach einigen Sekunden in den Hörer. Weil, manchmal sieht die Mutter nicht mehr so gut, und manchmal hört sie auch nicht mehr so richtig.

„Wer?“, fragt sie noch einmal. „Weil, es ist wegen dem Telefon von meinem Sohn …“ Weiter kommt sie nicht. Jetzt scheint sie mit der Situation ein bisschen überfordert zu sein, was ja auch kein Wunder ist bei ihrem Alter, und so reicht sie den Hörer einfach weiter an den Feldkamp, der am anderen Ende der Leitung erleichtert die Stimme von dem Anton hört, also dem Anton Hofreiter, nicht verwandt und verschwägert mit dem gleichnamigen grünen Politiker.

„Die Putzfrau hat es heute Morgen auf der Toilette gefunden“, sagt der. „Eigentlich auch kein Wunder, so staabig wie ihr gestern gewesen seid.“

Mit „staabig“ meint der Anton, dass sie alle gestern Abend gewaltig einen im Tee gehabt haben müssen, was der dicke Kopf vom Feldkamp durchaus bestätigt.

Aber egal. Hauptsache ist, dass sein Handy doch nicht fort ist. Auch wenn er jetzt einen kleinen Umweg über den Hubertushof machen muss, ehe es wieder zurück nach Hamburg geht.

Begegnung mit der Schiri-Witwe

Was der Feldkamp in diesem Moment nicht ahnt, ist, dass er an diesem Tag ganz woanders landen wird als in Hamburg. Und das hat mit der Frau zu tun, die eine halbe Stunde später vor ihm an der Rezeption im Hubertushof steht.

Ganz aufgeregt ist die Frau. „Jesus, Jesus! Was mache ich denn jetzt?“, sagt sie gerade zu dem Anton. „Jesus, Jesus! So viel Geld habe ich doch gar nicht dabei! Ich wollte doch nur seinen Koffer abholen.“

Neugierig tritt der Feldkamp ein bisschen näher heran, während der Anton die „gnädige Frau“ nach einer Kreditkarte fragt. „Jesus, Jesus!“, sagt die Frau erneut. „Ich habe doch gar kein eigenes Konto. Mein Mann hat mir doch immer nur Bargeld gegeben. Zum Einkaufen und für den Haushalt und so. Und jetzt ist er tot, und ich habe nur 200 Euro dabei. Alles, was ich mir zusammengespart habe.“ Und dann hat sie begonnen, am ganzen Körper zu zittern und ein bisschen zu weinen.

In dem Moment ist dem Feldkamp klar geworden, wer die Frau sein muss. Nämlich die Frau von dem Peter Sandig, dem toten Schiedsrichter. Und gleichzeitig hätte er dem Anton am liebsten eine reingesemmelt, weil der immer noch keine Anstalten macht, der Frau zu helfen.

Statt ihm eine reinzusemmeln, hat der Feldkamp zu dem Anton gesagt: „Siehst du nicht, in welchem Zustand die arme Frau ist? Jetzt geh los und hol ihr erst einmal ein Glas Wasser. Um den Rest tue ich mich jetzt kümmern.“

Der Anton ist etwas beleidigt abgezischt, während der Feldkamp die Frau erst einmal behutsam zu der kleinen Sitzecke in der Lobby des Hotels geführt hat. „Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Sandig“, hat er zu ihr gesagt. „Ich regele das jetzt.“

Als der Anton dann wieder zurückgekommen ist, hat er in der einen Hand ein Glas Wasser gehabt und in der anderen eine große Plastiktüte. „Hier, gnädige Frau“, hat er gemurmelt. „Das hätten wir beinahe vergessen … ähem … das ist noch die Schmutzwäsche von Ihrem Mann …“

Der Feldkamp hat sich mit dem Anton dann noch einmal zurückgezogen und sich die Rechnung von dem Sandig geben lassen. Da hätte er dem Anton dann beinahe wirklich eine reingesemmelt: 628 Euro wollten die der armen Frau abnehmen! 200 Euro für die Übernachtung. 128 Euro für Getränke an der Hotelbar und 300 Euro pauschal für die Reinigung des Zimmers.

„628 Euro!“, hat er den Anton angeblafft. „Seid ihr des Wahnsinns?“

„Aber wenn die Reinigung doch so viel kostet. Du hast doch selbst gesehen, wie das aussah in dem Zimmer“, hat sich der Anton versucht zu verteidigen und noch etwas von Mehrwertsteuer inklusive und „wer bezahlt mir denn das jetzt?“ gemurmelt.

Dem hat der Feldkamp nicht mehr viel entgegenzusetzen gehabt. Schließlich hat er sich dafür verbürgt, dass die Rechnung per Überweisung beglichen wird, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass es eigentlich generell schwierig wird, von einem Toten eine offene Rechnung einzuklagen. Sein Handy, wegen dem er eigentlich hier war, hätte er beinahe wieder vergessen. Denn in dem Augenblick ist die Frau von dem Sandig noch einmal an die Rezeption gekommen.

Wieder am ganzen Leib zitternd. Wieder mit Tränen in den Augen.

„Danke schön“, hat sie gesagt. „Aber was mache ich denn jetzt mit dem Auto von meinem Mann? Ich habe doch gar keinen Führerschein.“

Weiterlesen? Alle Teile des Betze-Krimis finden Sie hier.

Zur Person

Udo Röbel, geboren 1950 in Neustadt an der Weinstraße, ist Journalist und Autor. Der ehemalige RHEINPFALZ-Volontär wurde später in die Chefredaktion des Kölner „Express“ und an die Spitze der BILD-Zeitung berufen. Für seine Rolle in der sogenannten Kießling-Affäre wurde er mit dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse ausgezeichnet. 1988 stieg er bei der Geiselnahme von Gladbeck zu Entführern und Geiseln ins Auto. Das Verhalten der Medien während der Geiselnahme führte zu einer Erweiterung der Richtlinien im Pressekodex. Heute lebt Röbel in Hamburg und Berlin. Ein Interview mit dem Autor finden Sie hier.
Journalist und Autor Röbel.
Journalist und Autor Röbel.

An dieser Stelle finden Sie ein Video via GlomexSport.

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